Kultur:Landschaften voller Poesie

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Das Ölgemälde "Graal - Müritz" ist von einem Ostsee-Spaziergang inspiriert. (Foto: Leonhard Simon)

Die Ausstellung "Hier wie dort und anderswo" mit Werken von Stefan Wehmeier im Haus 10 entführt den Betrachter an wundervolle und magische Orte.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Landschafts-Gemälde von Stefan Wehmeier haben etwas Magisches: Sie saugen den Betrachter so in sich auf, dass er sofort das Gefühl bekommt, schon einmal genau dort gewesen zu sein. Ob eisiger Wasserfall unter einem Gletscher oder steinige Gebirgslandschaft - man fühlt den harten Grund unter den Füßen, spürt die frische, kühle Luft über das Gesicht streifen. Aber egal, wieviel man von der Welt gesehen, wie viele abgelegene und malerische Orte man besucht hat - der Schein trügt. Denn obwohl die großformatigen Ölgemälde allesamt wie ein eingefangenes Stück Realität wirken, sind sie doch vollständig der Fantasie des Künstlers entsprungen. Die Poesie von Wehmeiers Werk können Interessierte aktuell in seiner Einzelausstellung "hier wie dort und anderswo" im Haus 10 auf dem Fürstenfeldbrucker Klostergelände erleben.

Dass die Arbeiten so eine besondere Wirkung entfalten, liegt wohl auch daran, dass Wehmeier eben keine fotorealistische Nachmalerei echter Naturaufnahmen versucht. Vielmehr strebe er danach "Ideallandschaften" zu schaffen. Und genau das tut er; präsentiert Formen, Formationen, Linien, Kompositionen, die er kennt, gesehen hat, mit der Welt verbindet. Und er lässt dem Betrachter viel Raum, das Bild mit eigenen Ideen, Vorstellungen, Erfahrungen zu füllen - indem er nicht überall jedes Detail ausarbeitet, vieles nur andeutet, auch immer wieder, mal mehr, mal weniger, abstrahiert und außerdem den Mut hat, ganze Teile der Leinwand einfach nicht zu bemalen. So bekommen die großformatigen Arbeiten trotz aller Fülle und Lebendigkeit eine luftige Leichtigkeit.

Landschaften und Natur sind schon immer die Themen von Wehmeiers Kunst

Landschaften, Natur, Wachstum, das seien schon immer seine Themen gewesen, sagt der 68-Jährige Wehmeier, der sein ganzes Leben der Kunst gewidmet hat. Nach einer Lehre zum Kunstschmied hat er als Bühnenbildner hospitiert und dann an der Akademie für das Grafische Gewerbe in München studiert. Anschließend hat er neben seiner künstlerischen Tätigkeit als Kunstkritiker und Journalist für verschiedene Medien gearbeitet. Anfang der Neunzigerjahre war er Vorsitzender des Haus 10, seit 1997 leitet er die Radierwerkstatt im Kloster Fürstenfeld, außerdem ist er Dozent an Einrichtungen in Deutschland und Österreich. Für seine Kunst hat er bereits 2009 den Kunstpreis des Landkreises gewonnen.

Die Landschaften in Stefan Wehmeiers Bildern scheinen echten Motiven nachempfunden, entspringen aber komplett der Fantasie des Künstlers. (Foto: Leonhard Simon)

Wenn sich Wehmeier vor die leere Leinwand setzt, hat er noch keine Vorstellung, wie das Bild einmal aussehen wird. Er beginnt einfach mit einer Farbe, einer Stelle und lässt die Landschaft sich von dort aus entwickeln. Oft dauert es Monate, bis ein Werk abgeschlossen ist. Gut erkennen lässt sich diese Arbeitsweise beispielsweise an "Kuneitra-See". Seinen Ursprung findet das Gemälde in einer abstrakten, braunen Fläche im rechten oberen Eck der 180 auf 90 Zentimeter großen Leinwand. Im fertigen Bild schmiegt sich dieses Braun zwischen zwei Berggipfel, wie ein Gletscher und doch etwas irritierend, weil es mit der Seh-Erwartung bricht. Auch das ist typisch für Wehmeiers Bilder. Elemente, die den Blick irritieren, an denen man erst einmal hängen bleibt - und sich dadurch auf die Arbeit einlässt, statt den Blick gleich wieder schweifen zu lassen und direkt zur nächsten Leinwand weiter zu gehen.

Ergänzt werden die Landschaftsgemälde durch kleinformatige Tuschezeichnungen, Monotypien - einer Form des Drucks - und eine Reihe von Keramikskulpturen. In ihnen kommt Wehmeiers spielerischer, fantasievoller Ansatz noch einmal ganz deutlich zum Ausdruck. Aus alten, teils kitschigen Objekten, Tassen, Windlichtern, Vasen, die er auf Flohmärkten findet oder von Bekannten bekommt, schafft er etwas Neues. Indem er sie kombiniert und mit eigenen Strukturen ergänzt. Hier finden sich florale Formen, die an die Natur erinnern. In den Monotypien wiederum zeigt sich Wehmeiers künstlerische Vielseitigkeit. Anders als bei den Ölgemälden hat er dafür nämlich nur wenig Zeit. Die Farbe muss schnell auf die glatten Metalplatten aufgetragen und dann gedruckt werden, bevor sie trocknet. Etwa 15 Minuten dauert der komplette Prozess. Trotz aller Eile sind auch hier die Landschaftsmotive klar und voller Tiefe.

Bei einem so umfassenden Werk, das stets die Schönheit die Natur in den Mittelpunkt stellt - Menschen kommen in seinen Bildern nicht vor -, lässt sich Wehmeiers Kunst, gerade angesichts der aktuellen Debatten, durchaus auch als Statement zum Klimaschutz lesen. Intendiert sei das zwar nicht, sagt Wehmeier, seine Kunst habe keine politische Dimension. Er wolle einfach die Schönheit der Natur festhalten - die es natürlich zu bewahren und vor der fortschreitenden Zerstörung zu schützen gelte.

Ausstellung "Hier wie dort und anderswo" von Stefan Wehmeier, Kulturwerkstatt Haus 10 in Fürstenfeldbruck, zu sehen bis zum 8. Oktober, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. An diesem Samstag, 30. September, liest Wehmeier von 19 Uhr an aus seinem 2021 erschienenen Lyrikband "Und draußen der Tag"

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