Aus dem Amtsgericht:Von Ort zu Ort mit Tempo 150

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23 Jahre alter Autofahrer rast zwischen Türkenfeld und Kottgeisering der Polizei davon. Gericht sperrt Führerschein für neun Monate

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Mit 150 Stundenkilometer, so schätzten die Polizeibeamten, ist ein 23-Jähriger aus dem westlichen Landkreis in einer Dezembernacht von Türkenfeld nach Kottgeisering gefahren. Der Mercedesfahrer ignorierte sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen, obwohl - oder gerade weil - ihm ein Streifenwagen der Polizei mit Blaulicht folgte. Wegen rutschiger Straßen ließen die Beamten den Wagen fahren. Drei Monate später sitzt der 23-jährige nun auf der Anklagebank des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck, wegen illegaler Fahrzeugrennen, wie dieses Delikt etwas irreführend im Strafgesetzbuch benannt ist. Der Angeklagte behauptet zwar, die Polizei hinter ihm nicht bemerkt zu haben. Aber das glaubt ihm der Richter nicht und verhängt 2000 Euro Geldstrafe sowie eine neunmonatige Führerscheinsperre.

In der Sudetenstraße in Türkenfeld bemerkten die beiden Beamter einer Polizeistreife am 10. Dezember den Wagen des Angeklagten zum ersten Mal. Es war der zweite Abend der nächtlichen Ausgangssperre in Bayern, und die Polizisten hatten sich vorgenommen, jedes Auto zu kontrollieren, wie eine Beamtin im Gerichtssaal erläutert. Der Anklage zufolge leuchtete am Streifenwagen zunächst die rote Schrift auf "Polizei Verkehrskontrolle". Als der Wagen vor ihnen nicht anhielt, wurde mit rotem Blinklicht ein weiteres optisches Signal gesetzt. Als auch das keine Reaktion auslöste, wurde Blaulicht zugeschaltet. Der Mercedesfahrer machte dennoch keine Anstalten zu stoppen. Inzwischen fuhr er außerhalb der Ortschaft Richtung Kottgeisering, laut Anklage mit 150 Stundenkilometer, sogar innerorts in den Weilern Pleitmannswang und Peutenmühle, wo Tempo 50 gilt. Noch weit vor Kottgeisering verminderte der Streifenwagen wegen der rutschigen Fahrbahn die Geschwindigkeit, den Mercedes verloren die Polizisten aus den Augen.

"Polizei habe ich keine gesehen, und zu schnell bin ich auch nicht gefahren." Es könnte höchstens sein, dass er außerhalb der Ortschaft vielleicht mal 110 statt 100 drauf hatte, lässt sich der Angeklagte ein. Er sei in jener Nacht von der Arbeit gekommen und schon wieder auf dem Rückweg dorthin, weil er inzwischen gemerkt hatte, dass sein Geldbeutel fehlte, erklärt der 23-jährige.

Den Streifenbeamten war der Mercedes zwar entkommen. Aber dessen Kennzeichen hatten sie bereits in Türkenfeld notiert und überprüft. Wie die beiden Polizisten in der Verhandlung berichten, riefen sie bei der Polizei-bekannten Telefonnummer des Fahrzeughalters an. Die Mutter des Angeklagten nahm den Anruf entgegen. Sie erklärte, ihr Sohn sei noch mit dem Auto unterwegs. Der 23-Jährige erschien auch noch in der gleichen Nacht auf der Inspektion und gab zu, mit dem Auto gefahren zu sein, mehr allerdings nicht.

Den Polizisten zufolge schätzten sie die Geschwindigkeit des Mercedes, indem sie auf dem eigenen Tacho bei Zankenhausen 150 lasen und gleichzeitig feststellten, dass sich das Fahrzeug vor ihnen weiter entfernte. Auf die Frage des Verteidigers, woraus sie schließen würden, dass der Mercedesfahrer fliehen wollte, verweist die Beamtin zum einen auf die drei Lichtsignale. "Lichter sind sehr auffällig, vor allem in der Nacht", sie könne sich nicht vorstellen, dass sie von einem fahrtüchtigen Fahrer nicht bemerkt werden. "Und zum anderen die Geschwindigkeit, das ganze Fahrverhalten", es sei ganz offensichtlich gewesen, dass der Mercedes sich vom Polizeiauto absetzen wollte.

Für die Staatsanwältin ist der Tatbestand somit bewiesen. Sie geht davon aus, dass der Angeklagte mit Tempo 150 auf der Strecke von Türkenfeld nach Kottgeisering unterwegs war und beantragt 60 Tagessätze zu je 40 Euro sowie eine Sperre der Fahrerlaubnis von zehn Monaten. Der Verteidiger indes sieht überhaupt nichts als erwiesen an. Sein Mandant müsse freigesprochen werden und allenfalls ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit - überhöhte Geschwindigkeit - bezahlen.

Diese Meinung teilt Richter Martin Ramsauer nicht. "Für das Gericht ist es nicht vorstellbar, dass man das in der Nacht nicht bemerkt, diese starken optischen Reize", kommentiert er die Aus- sage des Angeklagten. Das von den Polizisten geschilderte Fahrverhalten weise klar darauf hin, dass der Mercedesfahrer sich einer Fahrzeugkontrolle entziehen wollte - auch wenn die Verhandlung kein Motiv dafür ans Licht gebracht hätte.

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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