Auf der Wahlkampfbühne:Moderner Fünfkampf

Lesezeit: 4 min

Schulen, Wohnungsbau, Energiewende, Verkehr, Wirtschaftsförderung: Die Landratskandidaten diskutieren auf dem SZ-Podium zukunftsweisende Themen. Sie verstehen es dabei, unterschiedliche Positionen zu verdeutlichen, ohne aneinander zu geraten

Von Heike A. Batzer

Wahlkampf-Bühne: Auf Einladung der Süddeutschen Zeitung debattieren die Landratskandidaten von Grünen, SPD, CSU, FDP und Freien Wählern in der Germeringer Stadthalle. (Foto: Günther Reger)

Kochen, Rotwein und Italien. Nein, es handelt sich nicht um die neuesten VHS-Kurse, sondern um private Vorlieben. Sie hätten beide die gleichen Hobbys, zählte Kathrin Sonnenholzner auf. Nur die, wie sie sagte, "seltsame Neigung, Latein zu mögen", die teile sie nicht mit Landrat Thomas Karmasin. Der Amtsinhaber und seine vier Herausforderer sollten sich nicht selbst vorstellen beim SZ Forum am Sonntagabend in der Germeringer Stadthalle, sondern mussten das einem politischen Kontrahenten überlassen. Und so kamen zu Beginn ein paar launige Sätze vom Podium im Amadeussaal, wo die fünf Kandidaten saßen, die am kommenden Sonntag zum Landrat oder zur Landrätin gewählt werden wollen. Karmasin und Sonnenholzner spielten sich den Ball dabei besonders schön zu, wohl auch, weil die beiden bei allem politischen Dissens manches - siehe oben - verbindet.

Das SZ Forum am Sonntagabend war die einzige Möglichkeit im schon lange andauernden Wahlkampf, die Landratskandidaten zusammen live zu erleben. Etwa 170 Besucher nutzten die Gelegenheit, die meisten von ihnen waren freilich Kommunalpolitiker der verschiedenen Parteien. Und so hoffte Moderator Christian Hufnagel, Teamleiter der SZ Fürstenfeldbruck, dass "auch ein paar freiwillig gekommen sind". Sie erlebten eine zweistündige Diskussion, in der die Landratsbewerber ihre unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen versuchten, richtig aneinander gerieten die Diskutanten dabei aber nicht.

Eines der wichtigsten Themen: die weiterführenden Schulen, um deren Instandhaltung im Kreistag regelmäßig gestritten wird. Landrat Thomas Karmasin (CSU) verteidigte das bisherige Vorgehen, den Sanierungsstau "nacheinander abzuarbeiten" und die gebundene Ganztagsschule "niemandem aufzudrängen", sondern dann zu reagieren, wenn es Bedarf dafür gebe. Dem Kandidaten der Grünen, Markus Rainer, reichte das nicht. Eltern wollten Wahlfreiheit haben, sagte Rainer. Immer mehr Grundschulen richteten gebundene Ganztagsklassen ein, deshalb müsse sich auch der Landkreis bei den weiterführenden Schulen jetzt darum kümmern. Ulrich Bode (FDP) nannte es sinnvoll, Schule und Vereine für die Ganztagsschule zu verzahnen. Auch müsse die Mehrsprachigkeit verbessert werden. Bernd Heilmeier (Freie Wähler), einziger Herausforderer, der nicht im Kreistag sitzt, wünschte sich allerdings zunächst besseren Deutschunterricht an den Grundschulen. Freilich ist nicht für alles der Landkreis zuständig und auch später, als es um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ging, erinnerte Kathrin Sonnenholzner (SPD) nach den Wortbeiträgen mancher Konkurrenten daran, dass man sich "hier von den Aufgaben des Landkreises entferne".

Der ÖPNV mit S-Bahn und Bussen müsse attraktiver werden, forderte Markus Rainer, denn "nur mit dem Auto können wir die Probleme nicht lösen". Darin waren sich alle fünf Bewerber einig. Karmasin erinnerte daran, dass die Buslinien immer wieder überprüft würden und das Anruf-Sammeltaxi ständig im Einsatz sei und man dafür auch den bayerischen Nahverkehrspreis erhalten habe. Er erinnerte aber auch daran, dass der Landkreis ein jährliches Defizit von dreieinhalb bis vier Millionen Euro für den ÖPNV übernehme und dass es deshalb nicht möglich sei, "an jeder Stelle des Landkreises zu jeder halben Stunde einen Bus fahren zu lassen".

Auch bei einem anderen Thema sah sich Karmasin veranlasst, "die vielen hier reifenden Blütenträume auf die harte Realität zurückzuführen". Die Bürgermeister für die Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft zu motivieren, sei ihm nicht gelungen. Ohne die Bürgermeister aber mache eine solche Einrichtung keinen Sinn, denn die Kommunen befänden sich im Besitz der Grundstücke, nicht der Landkreis. Für Kathrin Sonnenholzner (SPD) stellt eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft jedoch das geeignete Mittel dar, bezahlbaren Mietwohnraum im Landkreis zu schaffen. Selbst Doppelverdiener seien heute durch die steigenden Mieten massiv belastet, sagte sie: "Warum soll im Landkreis Fürstenfeldbruck nicht funktionieren, was in anderen Landkreisen geht?" Etwa in Ebersberg oder München-Land. In Markus Rainer hatte sie einen Mitstreiter, der noch einmal verdeutlichte, dass eine kreiseigene Wohnbaugesellschaft preiswertere Wohnungen schaffen könne, weil sie keinen Gewinn machen müsse. Bernd Heilmeier sah in Sachen sozialer Wohnungsbau auch den Bund in der Pflicht und hatte so seine Zweifel, ob das Problem in Griff zu kriegen sei, "wenn die Leute weiter in Betongold investieren". Ulrich Bode sprach sich dafür aus, die Menschen lieber mit einer "einkommensorientierten Förderung zu unterstützen". Als er auf Nachfrage hinzufügte, dass dies Aufgabe der Kommunen sei, erhob sich heftiges Grummeln unter den Kommunalpolitikern im Auditorium. Im Fliegerhorstgelände sah Thomas Karmasin nicht den richtigen Ort, um günstigen Wohnraum anzulegen: "Da muss man sich fragen, ob man wirklich eine Trabantenstadt draus machen will."

Die Energiewende möchten alle Kandidaten hinkommen. Ob das allerdings, wie geplant, bis 2030 klappt? Heilmeier blieb skeptisch: "Ich glaube nicht." Kathrin Sonnenholzner forderte, "früher als bisher große Teile der Bevölkerung einzubinden, die Sache zu erklären und als alternativlos darzustellen". Nun, man habe den Teilflächennutzungsplan zur Windkraft vielfach kommuniziert, antwortete Karmasin, und es sei nicht ein einziger Widerspruch gekommen. Erst als die Standorte konkret wurden, habe es plötzlich "überall große Bedenken gegeben". Um an die Einsicht der Bürger zu appellieren, müsse man nicht Landrat sein, gab er seinen Herausforderern noch mit auf den Weg.

Weil zu viele Bürger ihre Arbeitsplätze außerhalb des Landkreises haben, möchte Bode Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenrücken - "so wie in der Landwirtschaft". Sonnenholzner empfahl die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Nachbarlandkreis Starnberg als Vorbild, Rainer appellierte an die Bürgermeister, ihren Egoismus bei der Schaffung von Gewerbegebieten zu überwinden und gemeindeübergreifend zu denken. Der Landkreis müsse "proaktiv werden", forderte Bernd Heilmeier. Man kümmere sich hier zu wenig darum, "Geld zu verdienen und Firmen anzusiedeln". Dass man wirtschaftliches Schlusslicht in der Region München sei, habe der Landrat zu verantworten. Es war das einzige Mal an diesem Abend, dass ein Herausforderer so deutlich wurde.

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: