Auf der Stadtsaalbühne:Schräge Momente

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"Ich freu' mich, mal wieder vor professionellem Publikum aufzutreten", sagt Stephan Zinner zur Begrüßung des Publikums in Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der bekannte Musikkabarettist Stephan Zinner legt einen gefeierten Auftritt beim "All-you-need-is-live"-Festival im Brucker Veranstaltungsforum hin. Nur der Söder, der kommt in seinem Programm nicht vor

Von Johanna Haas, Fürstenfeldbruck

Mit schwarzer Kappe, einer dunklen Schlabberhose und locker getragenem karierten Hemd betritt Kabarettist und Schauspieler Stephan Zinner die Stadtsaalbühne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld. Auf dem "All-you-need-is-live"-Festival tritt er am Montagabend mit seiner neuen Show "Relativ simpel" auf. Pünktlich um 19.30 Uhr setzt sich Zinner ganz lässig auf einen Holzstuhl, greift nach dem Mikrofon und begrüßt die Besucherinnen und Besucher: "Servus, ich freu' mich, mal wieder vor professionellem Publikum aufzutreten." Das erste Gelächter hallt durch die Reihen des Hofes. Viele Gäste kennen Zinners Humor und Show schon. Sie wissen also, was sie erwartet, und freuen sich darauf, einen Abend lang ausgelassen zu lachen.

So auch Erna Märk: "Ich bin jedes Mal hier, wenn er in Fürstenfeldbruck auftritt. Ich liebe seinen Humor sehr - er ist pfiffig,zeitgemäß und kennt keine Tabuthemen - das ist zum Totlachen." Zeitgemäß sind seine Themen auf jeden Fall. Denn der Komiker aus München reagiert sehr spontan auf aktuelle Vorkommnisse und Lebensstile - er witzelt über die IAA-Automobilmesse, belächelt neumodische Ernährungsformen, ärgert sich über die Alexa-Sprachbox und macht sich lustig über Menschen, die nicht aus Bayern kommen, oder jene, die es zwar sind, aber trotzdem kein Bairisch verstehen. "Da bin ich im Lustspielhaus in München aufgetreten und erwähne eine Goaßnmaß. Da saßen welche im Publikum, die haben nicht gewusst, was das ist - ein bayerisches Stamperl, hab ich dann gesagt", erzählt Zinner. Aber auch sich selbst nimmt der Metzger aus den Eberhofer-Krimis nicht zu ernst. Als Pandemie-Hausmann hätte er Daheim die Stellung gehalten - seine Frau habe währenddessen Leben gerettet. "Meine Frau hat als Ärztin im Krankenhaus gearbeitet und die Welt gerettet und ich habe den Biomüll runter gebracht. Ich hab am Klo für mich alleine geklatscht", witzelt Zinner.

Nach diesem Satz fängt das Publikum laut an zu lachen - das Eis ist gebrochen. Manche wiegen sich sogar auf ihren Klappstühlen vor und zurück und halten sich den Bauch. Bei den ersten kullern die Tränen vor lauter Begeisterung - da muss sofort das Taschentuch rausgeholt werden.

Dann fängt Zinner an zu singen. Denn der Chiemgauer macht Musikkabarett - mit Liedern muss also gerechnet werden. Er nimmt eine seiner drei Gitarren in die Hand, wartet den kurzen Applaus ab und schmettert los. Von seinem kleinen Balkon in München, seinen Bienen und einem schnellen Hellen singt der Bayer. Mit seiner bayerischen Denkart und rauchigen Stimme kreiert Zinner irrwitzige Szenen und schräge Momente. Und auch sein Gitarrenspiel kann sich sehen lassen - das war aber nicht immer so. Als Kind war sein Traumberuf zwar Rockstar - denn damit könne man so schön die Frauen rumkriegen. Doch das habe sich schwerer gestaltet als gedacht. "Als übergewichtiger Teenie fällt es schwer, die Frau seiner Träume zu erobern", sagt Zinner traurig. Er sei eher der Junge gewesen, der beim Campingausflug im Regen für alle Gitarre spielt, während die anderen im Zelt schmusen. Aufgegeben hat der jugendliche Stephan Zinner aber nicht. Als er dann auf "Welttournee" mit seiner Kirchenband war - im Nachbarort -, habe er mal einen auf Paul Stanley gemacht. "Ich hab meine Gitarre voll auf den Altar geschlagen", sagt Zinner. Diese ganz persönlichen Einblicke in seine Kindheit und seinen Werdegang untermalt der Komiker mit eingängigen Gesten. Dabei zeigt er vollen Körpereinsatz, wirft sich auf den Boden und nimmt die ganze Bühne für sich ein. Trotz seiner Leidenschaft wurde es mit dem Rockstar-Dasein nichts. Aber ein bisschen berühmt ist er trotzdem geworden. Vielleicht nicht weltberühmt wie sein Vorbild Angus Young, aber schon über die Weißwurstgrenze hinaus bekannt. Und das Problem mit den Frauen habe sich auch erledigt. Er habe jetzt eine hübsche Frau - allerdings aus Dresden.

Nachdem Zinner mitten im Programm fragt: "Haben wir Verluste? Nein, gut!", wird es etwas tiefgründiger. Er stimmt ein ruhigeres Lied an: "Was ist eigentlich normal? Das steht nicht in der Bibel und auch nicht im Koran." Köpfe wippen von rechts nach links, Körper wiegen mit, im Takt der Musik. Unterbrochen wird die nachdenkliche Atmosphäre aber schnell durch einen kurzen Seitenhieb gegen Markus Söder. Seine berühmten Söder-Imitationen vom Nockherberg gibt es an diesem Abend jedoch nicht. Stattdessen spielt er ein letztes Lied - ein "Schiaba zum Hoamgeh, da könnt's ihr eich scho die Handtaschn nehma und geh!" Aber alle bleiben sitzen, bis zum Ende.

Ein gelungener Abend, findet auch Veranstaltungsforumsleiter Norbert Leinweber: "Wir sind sehr zufrieden. Das ganze Festival kommt gut an und die Besucher sind begeistert." Endlich würde wieder die Kultur im Vordergrund stehen. Einen besonderen Dank gibt Leinweber aber an sein Team weiter. "Dass das Festival und auch der vorherige Kinosommer so gut liefen und durchgeführt werden konnten, liegt an meinem tollen Team. Obwohl ein Großteil in Kurzarbeit ist, konnten wir in diesem Sommer ein so großes Kulturangebot schaffen."

© SZ vom 16.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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