Arbeiten in Corona-Zeiten, SZ-Serie, Folge 4:Runtergeregelt wie die Heizung im Sommer

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Auf Abstand oder gleich solo: Juniorchef Lauerer mit seinem Vater Karl Heinz im Büro. (Foto: Stefan Salger)

Karl Heinz Lauerer und sein Sohn Ludwig halten in ihrem Sanitärbetrieb noch einen Notbetrieb aufrecht, während die Mitarbeiter Überstunden abfeiern oder Urlaub nehmen

Von Stefan Salger

Normalerweise brummt bei den Lauerers in diesen Zeiten der Laden. Dann steht das Telefon nicht still, weil hier eine Heizung eingebaut werden soll oder dort ein Termin für die Wartung vereinbart. Und die Monteure sind in den Autos unterwegs, die gerade vor der Werkstatt parken. Die sind weiß. Auf den Türen steht "Gas, Wasser, Sanitär, Heizung, Lüftung, Klima". Dahinter folgt der wellenförmige Schriftzug "Technik für Mensch und Umwelt". Was aber, wenn beim Blick aus dem Bürofenster bestenfalls Umwelt zu sehen ist, aber kein Mensch? Was, wenn die zurzeit andere Sorgen haben als Haustechnik? Es ist Dienstag, Tag vier der Ausgangsbeschränkungen. Und es ist unschwer zu erkennen, dass dies keine normalen Zeiten sind. Der Familienbetrieb an der Münchner Straße in Fürstenfeldbruck ist heruntergefahren worden wie die Gastherme im Hochsommer. Er läuft noch in einer Art Notbetrieb, den vor allem Karl Heinz Laurerer mit seinem Sohn Ludwig stemmen.

Der Familienbetrieb an der Münchner Straße in Fürstenfeldbruck ist heruntergefahren worden. (Foto: Stefan Salger)

Angesichts dieser Situation und der Tatsache, dass er mit seinen 71 Jahren zur Corona-Risikogruppe zählt, bleibt Seniorchef Karl Heinz Lauerer, ein untersetzter Mann mit lichtem Haar und dunklem Pullover über dem Hemd, beeindruckend ruhig. Panikmodus? Fehlanzeige! Angst? Ach was! Vorsicht? Ja, das schon! Er fixiert einen durch die Gläser der Brille mit dem dünnen Horngestell und antwortet bedächtig. Nein, so etwas habe er noch nicht erlebt, seit er 1963 mit der Lehre als Installateur angefangen hat. So schlimm war es nicht mal während der Arbeitslosenkrise Ende der Sechzigerjahre. Und ja, auch morgen werde er wieder in dem Büro stehen und Telefondienst schieben zwischen den dicken Katalogen der Fachfirmen in roten Einbänden, den Druckern und den Bildschirmen auf dem Schreibtisch. Am Computer zeigt Lauerer dem Reporter, was ihm Corona bislang beschert hat: "Die dunkel hinterlegten Bereiche sind die Wartungsarbeiten, die wir im März erledigen müssten." Zurzeit eher illusorisch. Es gilt ja auch, das eigene Personal zu schützen. Der Service macht bei Lauerer etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Auf dem Bildschirm sind fast nur dunkelgraue Felder zu erkennen. In der Regel umfasst ein Vertrag nicht nur den Einbau beispielsweise eines Gas-Brennwertgeräts, sondern auch die für die Garantie erforderliche Wartung. Wer aber haftet, wenn die nicht fristgerecht ausgeführt werden kann, wenn die Zündelektroden sich zusetzen? Spätestens dann muss der Notdienst los, egal ob am Wochenende oder nach Feierabend.

Kürzlich sind die Mitarbeiter in einem Münchner Metzgereibetrieb heimgeschickt worden, wo sie die Lüftungsanlage umbauen sollten. "Die wollten keine fremden Arbeiter im Haus haben wegen des Ansteckungsrisikos." Und vor ein paar Tagen hat eine Polizeistreife an der Münchner Theresienhöhe Juniorchef Ludwig Lauerer aufgehalten, der mit dem Lieferwagen zu einem Kunden unterwegs war. Wo er hinwolle und ob das wirklich sein müsse, haben sie gefragt. Lauerer junior zeigte die Auftragsbestätigung und durfte weiterfahren. Aber man weiß nie so genau, wie es das nächste Mal ausgeht.

Ludwig Lauerer in der Werkstatt des Brucker Familienbetriebs. (Foto: Stefan Salger)

Am Montag noch haben zwei Mitarbeiter es immerhin geschafft, eine Kalkschutzanlage nebst Wasserversorgungsumschluss in einer Anlage mit 24 Wohnungen einzubauen. Die konnten weit weg von den Bewohnern im Keller werkeln und den Auftrag vereinbarungsgemäß abschließen. Alles ist irgendwie kompliziert geworden. Bei einem der Lieferanten muss man sich jetzt telefonisch anmelden. Der schiebt dann die bestellte Ware auf einer Palette mit dem Stapler unter dem halb runtergelassenen Rolltor durch. Nur nicht in Kontakt kommen. Lauerer versteht ja die Ängste und die Auflagen der Politik. Aber er ist es, der seinen fünf Angestellten nun klar machen muss, dass sie jetzt Überstunden abbauen müssen und Urlaub nehmen und man dann sehen muss, wie es weitergeht. Schon komisch, nachdem man noch bis vor ein paar Wochen vergeblich versucht hatte, Kundendiensttechniker und andere Fachkräfte zu finden.

Ein paar Wochen werde es sicherlich gehen. Jetzt zahlt sich aus, dass der seit 1920 in Bruck ansässige Betrieb nicht am Tropf der Banken hängt, solide gewirtschaftet hat und über ein kleines Polster für Notlagen verfügt. Gefährlich werden könnte es aber, sofern der eine oder andere Kunde die Rechnung nicht mehr zahlen kann. "Irgendwann wäre das Konto dann leer", sagt Laurerer. Es wäre ein Dominoeffekt.

Sind für solche Fälle nicht die staatlichen Soforthilfen gedacht? Dazu kann Ludwig Lauerer etwas sagen, der gerade im Blaumann das Büro betritt. Der 41 Jahre alte Juniorchef mit dem Strubbelkopf und der randlosen Brille kommt gerade von einem der wenigen Einsätze zurück. Er hat eine Gasheizung wieder in Schwung gebracht. Im Blaumann steht er an der Theke, auf der eine einbaufertige Armatur und die Explosionszeichnung eines Gaskombigeräts mit Wärmetauscher liegen. Er hält in diesen Tagen Abstand zu seinem Vater - und auch zu manchem Politiker. Natürlich meinen die es gut. Aber wissen sie eigentlich, wie lange sich ein Betrieb mit ein paar tausend Euro über Wasser halten kann und wie lange ein Mitarbeiter mit Kurzarbeitergeld?

Wenig Arbeit bedeutet auch viel Zeit zum Nachdenken. Irgendwie ist noch kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Aber wenn es so weit ist, vielleicht erkenne man, hofft Karl Heinz Lauerer, dass dieses ewige "Schneller, höher, weiter" nicht gut für die Menschen ist und man sich nicht unter solchen Zeitdruck setzen lassen sollten. Vielleicht zieht die Gesellschaft irgendwann eine Lehre aus der Krise. Dann könnte man dem Corona-Virus zumindest auch eine halbwegs positive Seite abgewinnen.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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