Antrieb von morgen:Verheißungsvoller Energiespeicher

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Die Puchheimer Firma Proton feiert ihr 20-jähriges Bestehen und hofft auf den Durchbruch der Wasserstofftechnologie

Von Stefan Salger, Puchheim

In diesem Hightech-Betrieb braucht man Visionen. Ein sehr langer Atem und Weitblick sind bei Proton Motor Programm. Denn das im Puchheimer Gewerbebetrieb ansässige Forschungs- und Entwicklungsunternehmen tüftelt an der Energie- und Antriebstechnologie von morgen. Proton hat am Donnerstag sein 20-jähriges Bestehen gefeiert - und hofft, dass sich die umweltfreundliche Wasserstofftechnologie spätestens in den nächsten 20 Jahren weltweit durchgesetzt hat.

Der Jahresumsatz von gut zwei Millionen Euro reicht noch nicht, um die laufenden Kosten zu decken. Gleichwohl ist der übermannshohe Kasten hinter der Werkshalle der Beleg, dass dies alles nicht nur ein großes Versprechen für die ferne Zukunft ist, sondern manche Sparte heute schon konkurrenzfähig ist. Marketingdirektor Manfred Limbrunner gewährt den knapp hundert Gästen, darunter Bürgermeister Norbert Seidl und der Allinger Landtagsabgeordnete Hans Friedl, einen Einblick hinter die "vandalensicher" verstärkten Metalltüren von "Edelweiß". Das ist der interne Name für das Pendant zu meist dieselbetriebenen Notstromaggregaten. Die saubere sowie wenig störanfällige und wartungsarme Alternative steht bereits an 22 Orten in Bayern. Sie übernimmt für sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Feuerwehr, Polizei oder auch Rechenzentren bei einem Netzausfall für bis zu 72 Stunden die Stromversorgung. Dann strömt der Wasserstoff aus roten Flaschen in das Brennstoffzellenmodul mit vier bis acht Kilowatt Leistung. Die Geräte, die einen Meter Schneelast aushalten müssen, stehen dezent irgendwo abseits im Wald oder auch mal auf einem Berg. Für Aufsehen sorgen weitere stationäre Anlagen. Etwa jene, die im schweizerischen Brütten in einem energieautarken Neunfamilienhaus mittels Brennstoffzelle die Sonnenenergie des Sommers speichert und im Winter Strom und Wärme produziert. Die Anlage komme auf einen Wirkungsgrad von 98 Prozent, sagt Siegried Lessing-Wenzel. Er ist Berater einer auf Energieeffizienz spezialisierten Firma und aus der Nähe von Konstanz hergekommen.

Die Brennstoffzellen-Module sind das Herzstück der Anlagen. (Foto: Andreas Acktun/Proton)

Proton kennt er noch aus der Zeit, als die Firma vor 24 Jahren in Starnberg ansässig war und an Magnetmotoren tüftelte. Gerade in dezentralen Anlagen liege die Zukunft, findet Lessing-Wenzel. In Zeiten sinkender Einspeisevergütungen lohne sich die Umwandlung von Strom, der mittels Photovoltaik oder Windkraft erzeugt wird, immer mehr. Der Experte warnt gleichwohl davor, dass Deutschland mit der Brennstoffzelle mal wieder eine eigene Technologie verschlafe. Es gibt zwei Mitbewerber auf Augenhöhe in Kanada, und China steht schon in den Startlöchern.

Ein mit Proton-Technik ausgerüstetes Versuchsfahrzeug von Magna Steyr. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Befürchtungen, dass abgekupfert werden könnte, gibt es durchaus bei Proton. Während die 75 Mitarbeiter aktuell versuchen, die Einzelfertigung von ein paar Hundert Modulen pro Jahr auf eine serienmäßige, automatisierte Fertigung von 5000 Einheiten hochzufahren, wird über weltweite Lizenzvergaben verhandelt - in China ist man indes sehr vorsichtig. Denn auch dort gibt es großes Interesse an mobilen Lösungen für Schiffe, Lastwagen, Busse oder Autos. Hybride, die Wasserstoffantrieb und Batteriespeicherung kombinieren, bieten gegenüber reinen Elektrofahrzeugen deutliche Vorteile. Die Betankung mit Wasserstoff ist in ein paar Minuten erledigt, ganz anderes als bei den Stromern. Und eine deutlich kleinere und leichtere Batterie genügt. Wie das aussehen kann, zeigt der bunte Kleinbus von Magna Steyr, der in der Halle von Proton steht. Öffnet man den Kofferraum, sieht man silbrig glänzende, mit 700 bar befüllte Wasserstofftanks. Unter der Motorhaube sitzen weder Benzin-noch Dieselmotor, sondern elektrische Bauteile und Leitungen. Die Eckdaten des Wasserstoff-Elektro-Hybrids: Von Null auf hundert in gut vier Sekunden, abgeregelte 130 Kilometer pro Stunde, gut 300 Kilometer Reichweite bis zum nächsten Tankstopp. Im Blickpunkt steht auch eine Konzeptstudie der RWTH Aachen: der Stadt-Kleinbus E-Go-Mover, der nicht nur autonom fahren soll, sondern auch über Null-Emissions-Proton-Technik verfügt.

CEO Faiz Nahab bei der Begrüßung der Gäste. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Puchheimer Unternehmen denkt zwar auch über Antriebe für Autos und entsprechende Kooperationen nach. Interessanter, um die Schwelle von Massenmarkt und Rentabilität zu erreichen, ist aber der Schwerverkehr. Kommunale Fahrzeuge die in schadstoffbelasteten Innenstädten etwa für Nahverkehr oder Müllabfuhr zuständig sind oder Fahrzeugflotten wie jene der Post erscheinen aussichtsreicher. Kehren Fahrzeuge abends an die Basis zurück, kommen sie mit einer Wasserstofftankstelle aus - vier gibt bereits in München. Berücksichtigt man Kaufanreize durchs Jive-Programm der EU, können E-Busse mit wasserstoffbetriebenen "Reichweitenverlängerern" Limbrunner zufolge bereits mit Elektro-Diesel-Hybridbussen - wie sie in Fürstenfeldbruck verkehren, bereits mithalten. In der Umweltbilanz haben sie ohnehin die Nase vorn.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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