Animuc:Panzerwesen und Eulenbär

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Zur Animuc kommen mehr als 9000 Cosplayer und Zuschauer ins Kloster Fürstenfeld. Die teils furchterregenden Wesen sind friedlich und freundlich. Viele bieten Gratisumarmungen an

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Alle 20 Minuten wandert ein bunt kostümierter Pilgerzug vom Bahnhof zum Fürstenfelder Klosterareal. Viele Besucher kommen mit den Öffentlichen und doch sind alle Parkplätze um das Gelände herum dicht. Es scheint, als wollten Jahr für Jahr mehr unverkleidete Zuschauer dabei sein, wenn die Animuc ihre Fantasieblase ein Wochenende lang über das Veranstaltungsforum stülpt. Schon seit 2009 findet die Messe für Liebhaber japanischer Popkultur in Fürstenfeldbruck statt. Die Workshops, Showacts und Wettbewerbe im Programm sind dabei fast sekundär. In erster Linie wird der Klosterhof jedes Jahr zur Kulisse eines Massen-Schaulaufens der Cosplayer. Das Wort ist aus Costume und Play zusammengesetzt. Die Fans, die ihre Lieblingscharaktere aus Manga, Anime oder Computerspielen darstellen und ihre oft kunstfertigen Kostüme vorführen, waren am Wochenende wieder eine Publikumsattraktion.

Etwa 6800 zahlende Besucher zählen die Veranstalter für die drei Messetage. Diese Zahl spiegle aber nicht das tatsächliche Treiben auf dem Gelände wider, weiß Roman Grabowski vom Verein Animexx, der die Animuc organisiert: "Nimmt man uns Helfer, die Aussteller, alle Schaulustigen und die Cosplayer dazu, die ohne ein Ticket draußen dabei waren, haben sich am Wochenende wohl rund 9300 Fans getroffen." Darunter waren Wesen mit Oktopustentakeln und Plüschschwänzen, gehörnte Kriegerinnen, Harry Potter und die Kaiserin Sisi. Zu einigen Verkleidungen gehören Schwerter, Äxte oder Keulen. Doch die sind ungefährlich. Konstruktionen, die andere verletzen können, sind auf der Animuc verboten. Beim Waffencheck werden die mitgebrachten Attrappen überprüft und aufbewahrt, so lange sich die Cosplayer in den Innenräumen aufhalten. Bei den Aufpassern erfährt man auch von einem ganz besonders kuriosen Requisit, das ein Besucher dort eingelagert hat: ein umschnallbarer Getränkeautomat aus Pappe.

Der Außenbereich dient als Picknickwiese und Fotoszenerie zugleich. Auch wenn die Sonne immer wieder rauskommt, ist es nicht warm und vielen ist in ihren knappen Kostümen sichtlich kalt. Das Problem haben Chris und Angelus nicht. Die beiden tragen ausladende Rüstungen und überragen auf ihren Plateau-Stiefeln alle anderen. Ganz so schwer, wie sie aussehen, sind ihre Kostüme jedoch nicht: Großteils aus Schaumstoff gefertigt, schleppen sie je etwa 15 bis 20 Kilo mit sich herum. Obwohl sie mächtige Videospiel-Krieger verkörpern, sind sie im Messe-Alltag in ihren klotzigen Panzern auf Hilfe angewiesen. Chris hat dafür seine Freundin Sabine dabei, die ausnahmsweise in Zivil auftritt. Seit 2017 kreieren die beiden Regensburger ihre Cosplays zusammen. "Eigentlich wollte ich eine Figur aus demselben Spiel darstellen", sagt Sabine. "Aber weil seine so aufwendig war, bin ich nicht fertig geworden."

Das Miteinander auf der Animuc ist bemerkenswert. Es wird nicht gelästert, sondern gelobt, wenn eine ein Kleid anhat, das besser gefällt als das eigene. Wenn jemand bauchfrei ohne Modelfigur auftritt, ist das kein Grund für abschätzige Blicke. Viele tragen Schilder um den Hals, auf denen sie "Free Hugs", also Gratis-Umarmungen, anbieten. Zwischen Seifenblasen und japanischer Popmusik entstehen durch die geteilte Vorliebe oft Freundschaften, die Szene versteht sich als großer Familienverband.

Für Besucher wie Elke sind Cosplay und Familie in der Tat eng miteinander verbunden. Die 42-Jährige aus Neufahrn ist mit ihrem Mann, den beiden Kindern und ihrem Schwiegersohn vor Ort. Sie ist als Moonkin, eine Art Eulenbär-Wesen, aus dem Computerspiel "World of Warcraft" verkleidet. Auch der Rest ihrer Familie ist im Cosplay unterwegs - bis auf ihren 17-jährigen Sohn, der in diesem Jahr darauf verzichtet, um seine Mutter in ihrem recht umständlichen Outfit zu unterstützen. "Mein Sichtfeld ist unter der Maske eingeschränkt, ich kann nicht gut sprechen und wenn ich es doch tue, läuft meine Brille an", sagt Elke lachend. Bereits seit 20 Jahren sind sie und ihr Mann in der Szene aktiv. Auch ihre Kinder verbringen ihre Freizeit gerne mit dem Basteln neuer Kostüme. Für Elke ist dieses für manche Leute vielleicht ungewöhnliche Hobby eine wunderbare Sache, die Eltern und Kinder zusammenbringt: "Es ist schön, dass wir noch so viel zusammen unternehmen. Andere gehen als Familie in den Trachtenverein. Wir machen halt das."

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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