Adventsmarkt-Reportage:Roter Mann und rote Kugel

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Eine Rundfahrt zu Adventsmärkten im Landkreis gibt einen Einblick in die vorweihnachtliche Seelenlage. Man trifft einen Teilzeitnikolaus, isst Meat Pie und bewundert Miniatur-Christbaumschmuck fürs Ohr

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Brav seien sie, die Leute. So brav und "artig", dass der furchterregende Krampus mit seinem rußgeschwärzten Gesicht milde lächelnd Süßigkeiten statt Rutenhiebe verteilt. Manches Bild gerät also ins Wanken. So auch, dass beim Adventsmarkt Schnee liegen muss und Glühwein nur bei klirrender Kälte schmeckt. In Eichenau hat es am Freitagabend fünf Grad. Nikolaus und Krampus outen sich als Christian Weber und Benedikt Schmotz. An allen anderen Tagen arbeiten sie für den Eichenauer Bauhof.

An diesem Abend aber ist Zeit für Small Talk - zu den Klängen der Starzl-Musi. "Es ist ein Ros entsprungen" schallt es über das Karree der Buden. Am beleuchteten Christbaum sind Nikolaus und Krampus am Ende ihrer zweiten Runde angekommen, als sie bei der Familie Förster stehen bleiben. Für die ist das Gespann das Tüpfelchen auf dem i, auch wenn der Jutesack bereits gähnend leer ist. Die fünf Försters sind vor gut zwei Jahren aus dem Landkreis Freyung-Grafenau nach Eichenau gezogen. Schon klar, in Niederbayern habe es meist mehr Schnee gegeben. Und Andrea Förster hat die Winter auch kälter in Erinnerung. "Aber Glühwein geht immer", sagt ihr Mann Andreas zum Nikolaus. Den schön dekorierten Adventsmarkt und das Programm genießen sie in vollen Zügen. Und in puncto Weihnachtsgeschenke ist Andrea Förster schon fündig geworden.

Weil Hund Milo der Bartträger mit der roten Mitra auf dem Kopf nicht geheuer ist, ziehen Weber und Schmotz weiter. Feierabend für dieses Jahr. Ein paar Meter weiter finden sich in der Weihnachtsdruckerei einige Abbilder des Heiligen. Auch ein selbst gemalter Christbaum hängt, mit einer Wäscheklammer befestigt, über den Köpfen der bastelnden Kinderschar. Sophia sitzt am Tisch, vor sich eine lilafarbene Glückwunschkarte. Ist das nun ein Engel oder eine Biene? "Nein, das ist eine Libelle", sagt die Achtjährige bestimmt. Gefaltete Flügel hat sie aufgeklebt, jetzt muss noch ausgemalt werden. Wer der glückliche Empfänger sein wird? Wahrscheinlich Mama und Papa, die gerade eine Runde auf dem Platz vor der Grundschule drehen.

Nächste Runde des Reporters auf seiner Rundfahrt ist Grafrath. Dort empfängt einen die Jugendblaskapelle mit einem beschwingten: "We wish you a Merry Christmas". Es herrscht, ebenso wie in Eichenau, dichtes Gedränge. Christkindlmärkte haben also nichts an Reiz eingebüßt. In Grafrath dürfte das mit dem familiären Charakter zu tun haben und mit dem Angebot. Natürlich gibt es hier auch die obligatorischen Glühweinstände. Aber es wirkt, als spiele der Kommerz bestenfalls die zweite Geige. Ganz wichtig ist es auch Steffi Steglich, die mit ihrer Mutter Traudl in einem der Stände steht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen - und natürlich Freunde zu treffen. Seit 23 Jahren macht die Familie das. Steffi erinnert sich noch gut, als sie das erste Mal hinter der Auslage mit Weihnachtsschmuck und Accessoires stand. Damals war sie in der ersten Klasse. Adventszeit ohne Christkindlmarkt ist wie Dorf ohne Kirche - geht nicht.

Jeder hat sein Spezialgebiet: Steffi kümmert sich um Schmuck - der "Renner" sind zurzeit Christbaumkugeln im Miniaturformat, die als Ohrringe getragen werden. Ihr Papa Hermann kümmert sich um die handwerklichen Holzsachen wie die Dekolampe aus Treibholz oder den kunstvollen Rindenbaum, der in einer Ecke des Standls auf einem Tisch steht. Die Mama ist "die Managerin", die Schwester eine Allrounderin.

Ein paar Meter weiter gibt es auch noch etwas nicht Alltägliches zu probieren: Yams und Meat Pie - wahlweise mit liberianischer Pfeffersauce. Am Stand von Help Liberia ist Hawa die Chefköchin. Die 58-Jährige wird unterstützt von Sinary aus Ghana, 24, und Baba aus Nigeria, 20. Seit sechs Jahren sei er in Deutschland, erzählt Sinary. Und für ihn ist der Winter schon zwei Nummern zu kalt - aktuelle Plusgrade hin oder her. Aber Hawa hat heißen Tee mitgebracht, und so lassen sich die fünf Stunden doch ganz gut aushalten. Außerdem seien "die Leute hier alle total nett".

Das findet auch Christa Bühlmaier, die in Olching zwischen Räucherhäuschen und Glas-Christbaumkugeln aus dem Erzgebirge sowie Duftölen herauslugt. Den großen Ansturm auf dem Nöscherplatz erwartet sie für Samstag und Sonntag.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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