Fronleichnamsprozession:Leib und Seele

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Gesang und Gebete, Murren über Applaus und Schnaps im Rathaus: Wie tausende Katholiken in München Fronleichnam erlebt haben.

Franziska Brüning

Richard David Precht gehört zum Inventar der Talkshows, nun hat es der Bestsellerphilosoph auch auf die Münchner Fronleichnamsprozession geschafft. "Wer bin ich und wenn ja, wie viele?" - diesen Titel seines Buches hat Kardinal Marx aufgegriffen, um auf dem Marienplatz mit Tausenden Gläubigen nicht nur die Eucharistie, sondern auch die "bunte Vielfalt" der katholischen Kirche zu feiern.

Erzbischof Reinhard Marx trägt bei der Fronleichnamsprozession zur Ludwigskirche die Monstranz mit der Hostie. (Foto: dapd)

"Die Möglichkeiten und die Vielfältigkeit unseres Lebens machen uns oft ratlos", sagte Marx. Das habe sich in den vergangenen Monaten in einer Reihe heftiger Debatten um Europa, die Energiewende und die Präimplantationsdiagnostik widergespiegelt, aber auch in den Gesprächsprozessen innerhalb der katholischen Kirche.

Als Kirche habe man den Auftrag, "ein Leib" zu sein und Christus wieder in das Zentrum des Glaubens zu stellen. "Wenn wir die Hoffnungslosigkeit der Welt durch unsere eigene Ratlosigkeit verdoppeln, hat die Kirche ihren Sinn verloren", warnte Marx.

Schon während der Messe vor der Mariensäule zeigte sich, wie unterschiedlich die Münchner Katholiken ihren Glauben leben. Als Vertreter der polnischen Mission ein Bild von Papst Johannes Paul II. als Fronleichnamsgabe zum Altar trugen, wurde auf der einen Seite laut geklatscht, während andere über diesen säkularen Applaus hörbar murrten. In der drei Kilometer langen Prozession über die Residenzstraße zum Segensaltar an der Ludwigstraße und zurück zum Marienplatz fand man dann aber wieder in Gebeten und Gesängen zusammen.

Die Fronleichnamsprozession scheint den Menschen noch immer mehr als nur ein bisschen Folklore zu bedeuten. Anders ist die andächtige Stille nicht zu erklären.

Zwar säumen nicht mehr so viele Gläubige die Straße wie einst nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Münchner in den Trümmern ihrer Stadt nach Hoffnung sehnten, dafür sind aber auch die Zeiten nach 1968 vorbei, in denen kaum jemand etwas mit dem öffentlichen Glaubensbekenntnis an Fronleichnam anzufangen wusste. Seit Anfang der 1990er Jahre, seitdem auch die Stadtpfarreien teilnehmen, versammeln sich wieder deutlich mehr Menschen.

Vielleicht lockt die vielen Würdenträger auch das traditionelle Weißwurstfrühstück, zu dem Oberbürgermeister Ude nach der Prozession einlädt. Immerhin ist Fronleichnam der einzige Tag, an dem im Rathaus Schnaps ausgeschenkt werden darf.

© SZ vom 24.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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