Friedhöfe in München:Boom der Baumgräber

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Urnenbestattungen im Wald haben Konjunktur - drastisch erhöhte Preise sollen die Nachfrage bremsen.

Jan Bielicki

Erika Spieß ist in München geboren, und in München möchte sie nach ihrem Tod auch begraben sein. Wie, das hat sie sich im neuen Teil des Waldfriedhofs angesehen. Dort ruhen seit gut zwei Jahren die Aschen Verstorbener in Urnen unter Bäumen im Wald. Ob Eibe oder Buche, immer ist es ein Laubbaum, um den herum sich bis zu acht Urnen gruppieren. Spieß erkundigte sich nach dem Preis: 700 Euro kostete vor einem Jahr ein solcher Urnenbestattungsplatz im Wald für eine Mindestbelegdauer von 50 Jahren.

Letzte Ruhe unter den Bäumen des Waldfriedhofs: Plaketten erinnern an die Verstorbenen. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Als sie Ende 2008 einen solchen Platz kaufen wollte, nannte ihr der Herr von der städtischen Friedhofverwaltung plötzlich einen ganz anderen Betrag: "Es waren auf einmal mehr als 5000 Euro", erinnert sie sich, "das kann doch nicht möglich sein!" Es war aber möglich. Im Juli 2008 legte der Stadtrat (gegen die Stimmen von CSU, FDP und der Linken) eine neue Gebührensatzung fest. Dabei schossen die Kosten für ein Baumgrab rasant in die Höhe: Wer Asche unter einen Grabbaum betten will, muss statt 700 Euro nun 5150 Euro zahlen - mehr als das Siebenfache des zuvor gültigen Preises.

Die Rechnung ging nicht auf

Herbert Huber von der Friedhofverwaltung führt mehrere Gründe an für dieses satte Plus von 636 Prozent. Eine der Hauptursachen: Die städtischen Bestatter haben sich verkalkuliert, als sie die Bestattung unter Bäumen 2006 einführten. "Das gab es ja vorher noch nicht", sagt Huber, und darum haben sich die Grabverkäufer an Aufwand und Preis anderer Urnenbestattungen orientiert. Ein Urnenplatz unter einem nun so genannten Gemeinschaftsbaum sollte im Jahr 60 Prozent dessen kosten, was für ein Urnengrab (laut Gebührensatzung: ab 2. Reihe) zu bezahlen ist. Nach dieser Rechnung kam die Friedhofverwaltung auf 14 Euro pro Jahr. 50 Jahre sollte die - im übrigen biologisch abbaubare - Urne mindestens liegen. Machte nach damaliger Rechnung zusammen 700 Euro.

Doch die Pflege des Waldstücks erwies sich laut Huber als aufwändiger als gedacht. Unterholz mussten die Friedhofsgärtner klein halten, damit Grabbesucher an die Bäume ihrer verstorbenen Angehörigen gelangen konnten, sowie rundherum Kerzen, Blumen und andere Andenken regelmäßig aufräumen. Vor allem hatten die Friedhofverwalter nicht damit gerechnet, wie begehrt die neue Bestattungsform war. "Es gab einen richtigen Run auf die Baumgräber", sagt Huber. Von den 720 Plätzen unter den Bäumen sind nur noch ganz wenige frei: ein so genannter Familienbaum (für 10250 Euro zu haben) und sieben Bestattungsplätze unter Gemeinschaftsbäumen. Von weit her kamen die Leute, um der Asche ihrer Liebsten einen Platz unter einem Münchner Baum zu sichern - wohl auch, glaubt Huber, "weil wir so günstig waren".

Feuerbestattungen liegen voll im Trend

Jetzt will die Friedhofverwaltung die Nachfrage durch den drastisch erhöhten Preis bremsen. Denn, so Huber, "wenn es so weitergegangen wäre, müssten wir den Forstenrieder Park dazukaufen". Der Trend geht ohnehin zu Urnengräbern. So ist die Zahl der traditionellen Erdbestattungen auf Münchens Friedhöfen in den ersten sieben Jahren des Jahrtausends um ein Viertel gesunken - was der Stadt wehtut, weil sie bei einem solchen Begräbnis im Schnitt 100 Euro mehr einnimmt als bei einer Feuerbestattung. Da es in München wohl bis 2012 immer weniger Sterbefälle geben wird, sind die Friedhofverwalter froh über den neuen Boom unter den Bäumen. Derzeit planen sie, im Waldfriedhof weitere Bäume für solche Bestattungen freizugeben. Und sie überlegen, die Mindestbelegdauer auf 25 Jahre zu halbieren. "Dann können mehr Leute dieses Angebot annehmen", sagt Huber, "und preisgünstiger wird es so auch."

© SZ vom 15.01.2009, sh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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