Freund der deutlichen Worte:Ein Chardonnay wie Kate Moss

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Stämmige Figur, Rauschebart, Heavy-Metal-Fan: Thomas Hertlein war Biertrinker, fand aber mit einem teuren Bordeaux zum Wein. (Foto: Andreas Richter/oh)

Thomas Hertlein ist Rocker - und ein Weinkenner mit erfolgreicher Internet-Kolumne

Von Andreas Schubert, München

Wenn es um Wein geht, wird es bei Tischgesprächen schnell mal akademisch. Da wird über Lagen referiert, über Jahrgänge und Böden, den richtigen Ausbau und Pipapo. Was ein echter Weinkenner ist, so eine leider recht weit verbreitete Meinung, der kann und sollte stundenlang aus dem Stegreif daherschwurbeln, dass der Doktor Schönfärber aus dem Monaco Franze ein Dreck dagegen ist. Thomas Hertlein hat wenig übrig für derart hochgestochene Reden. Hertlein ist Gastronom, Weinkenner und ein Freund der einfachen und deutlichen Worte. Und er hat vor drei Jahren begonnen, ein paar Folgen einer Videokolumne aufzunehmen, in der er auf Bairisch und pointiert Laien Grundwissen über Wein vermitteln und ihnen auch die Scheu vor dem Genuss teurer Tropfen nehmen will. Jetzt hat ihn eine Medienagentur dafür gewonnen, weitere Folgen zu drehen, die auf der Facebook-Seite der Zeitschrift Beef wöchentlich erscheint. "Der Weinheilige" heißt die Kolumne, von der insgesamt 20 Folgen nach und nach gepostet werden sollen.

Beef - das ist ein Food-Magazin, das sich von den Themen, der Gestaltung und der Sprache her vor allem an Männer richtet. Um es in der Diktion der Zielgruppe zu sagen: Es geht darin um viel Fleisch, zartes Gemüse und hemmungslosen Genuss. Man könnte es auch als eine Art Playboy für Fleischfresser bezeichnen. Und der direkte Ton, den Hertlein anschlägt, passt zu dem Heft. Da vergleicht der Weinheilige einen Chardonnay aus dem Burgenland schon mal wegen dessen "Rundungen" mit Pamela Anderson, alternativ einen anderen Chardonnay aus Burgund mit Kate Moss, weil der schlanker sei.

Auch optisch passt Hertlein ganz gut zur Beef-Zielgruppe. Er sieht so ganz anders aus, als man sich einen Gourmet und Sommelier sonst so vorstellt: Der 43-jährige gebürtige Niederbayer ist durch und durch Rocker. Stämmige Figur, Rauschebart, lange Zotteln. Er fährt eine alte Harley Davidson und steht natürlich auf Heavy Metal - ein nicht mehr ganz so junger Wilder, quasi.

Thomas Hertlein kennen viele Münchner Nachtschwärmer noch als Wirt der Restaurants Blaue Donau in Schwabing, das er 2014 geschlossen hat und das unter vielen Gästen einen - ausnahmsweise darf man das mal sagen - Kultstatus besaß, nicht zuletzt wegen seiner ungewöhnlichen Einrichtung und der ausgezeichneten Weinkarte. Und natürlich wegen des Wirtes selbst. Der stammt von einem Bauernhof irgendwo in der Nähe von Bad Füssing im niederbayerischen Bäderdreieck, hat Koch und Restaurantfachmann gelernt, kam 1997 nach München und ist nach diversen Stationen in der Gastronomie im Lokal Last Supper gelandet. Das war damals noch an der Fürstenstraße und hatte wegen seines Konzepts - gutes Essen zu harter Rockmusik - ebenfalls eine eingefleischte Fangemeinde. Dort passte er gut hin, der Metal-Fan, der dem eigenen Bekunden nach nie einen Wein vergisst: "In der Beziehung bin ich ein Autist", sagt er, und: "Ich war dort die lebende Weinkarte." Schon damals beriet er die Gäste kundig, aber nicht abgehoben. Sommeliers seien meistens langweilig, meint Hertlein, und sie schenkten den Gästen meistens gerade das aus, was sie selbst gut fänden. Es gehe aber darum, herauszufinden, was der Gast mag.

Und das funktioniere zum Beispiel, indem man einfach mal etwas probieren lasse. So habe er in der Blauen Donau einmal einfach ein Glas Château Latour serviert und die Reaktion abgewartet. Und siehe da: Ohne zu wissen, dass der Wein sündhaft teuer ist, war der Gast begeistert. Hertlein selbst war früher eher Biertrinker und fand zum Wein, nachdem er einen 1982er Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande probierte, einen Bordeaux aus der Nachbarschaft von Latour - und mit einem Wert von zirka 500 Euro je Flasche ebenfalls kein Kochwein.

Ein guter Wein hat seinen Preis. So geht es dem Weinheiligen auch nicht darum, Schnäppchentipps a là "die besten Roten für fünf Euro" zu geben. Nein, er empfiehlt explizit Teures - zum Beispiel, öfter mal Champagner zum Essen und lieber weniger zu trinken, dafür aber mehr Geld in Qualität zu investieren. Und Hertlein fallen dann Sprüche ein wie "Champagnertrinken ist Yoga für daheim" ein oder "Champagner - des is mei Lieblingsrausch". ‎Das Credo des Weinheiligen: "I würd halt lieber nur drei Flaschen im Jahr trinken, dafür was Gscheits und koan Scheiß."

Die Sprache, der Look, alles nur Mache, um dem Beef-Publikum zu gefallen? Der Verdacht liegt natürlich nahe, als Mauerblümchen geht man in der Welt des Internet-Streamings ja unter. Man muss eine Marke sein. Hertlein betont aber: "Ich war schon immer so. Und den Bart hatte ich auch schon vor den Hipstern." Man nimmt ihm das ab, und seine Authentizität hat offenbar Erfolg. Die erste Folge der neuen Kolumnenreihe ist schon öfter als 110 000 Mal angeklickt worden.

Nachdem Hertlein die Blaue Donau aufgegeben und die Welt auf der Suche nach kulinarische Inspiration bereist hat, will er wieder ein Restaurant aufmachen. Was das werden soll, verrät er allerdings nicht, wo es hin soll, weiß er nicht. Denn inzwischen sei es schwierig in München, eine passende und bezahlbare Location zu finden.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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