Neue Wohnform für Studenten:Wohnen und Helfen

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Ein Zuhause für junge, tatkräftige Menschen bietet ein neues Projekt in Freising: Senioren vermieten günstige Zimmer an Studenten oder Azubis, die dafür im Haushalt oder bei der Gartenarbeit helfen. Doch beide Seiten müssen tolerant sein.

Von Gudrun Regelein, Freising

Statt einer festgelegten Miete gilt hier die Faustregel: pro Quadratmeter Wohnfläche eine Stunde Hilfeleistung im Monat. "Wohnen für Hilfe", als Projekt von Studenten und Senioren in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre gestartet, hat sich inzwischen in vielen Städten etabliert. Im Landkreis Freising ist man in den Startlöchern, auch hier sollen bald Studenten bei alten Menschen einziehen - und beide Seiten davon profitieren.

"Wohnen für Hilfe" sei eine Wohnpartnerschaft zwischen den Generationen, eine alternative Wohnform für Jung und Alt, sagt Josef Scheumaier, Leiter des Betreuungsamts im Landratsamt. "Für alle Beteiligten ist das eine Win-win-Situation", meint er. Beide Seiten haben etwas davon: der Senior, da er Unterstützung und Ansprache finde; der Student oder auch Lehrling, da er im hochpreisigen Landkreis ein preiswertes Zimmer bekomme.

Viele Senioren wollen möglichst lange zu Hause leben

"Wohnen für Hilfe" stelle im seniorenpolitischen Gesamtkonzept des Landkreises als alternative Wohnform einen kleinen Baustein dar, erklärt Scheumaier. Viele Senioren wünschten sich, möglichst lange zu Hause leben zu können - mit etwas Unterstützung sei das in vielen Fällen auch möglich.

Die Idee hinter "Wohnen für Hilfe" ist einfach: Junge Menschen erhalten kostengünstigen Wohnraum im Haushalt von Senioren und helfen als Gegenleistung dafür mit. Die Aufgaben sind vielfältig und werden individuell festgelegt: Einkaufen, Hilfe bei der Gartenarbeit, eine Begleitung zum Arzt oder zu kulturellen Veranstaltungen. Pflegeleistungen allerdings zählen nicht dazu. Je größer das Zimmer ist, umso mehr Stunden im Monat müssen geleistet werden. Die Nebenkosten werden normalerweise in Form einer Pauschale bezahlt. Als Vermittler für diese alternative Wohnform dient im Landkreis die Wohnberatungsstelle im Landratsamt, an diese können sich interessierte Senioren und Studenten wenden. Dort werden die zukünftigen Wohnpartner beraten und begleitet. "Ein Massengeschäft wird das wohl nicht werden", sagt Scheumaier. Aber wenn dem ein oder anderen geholfen werden kann, sei das bereits ein Erfolg.

Meist herrscht großer Mangel an finanzierbarem Wohnraum für Studenten

Ursprünglich geht die Idee von "Wohnen für Hilfe" darauf zurück, dass in vielen Städten großer Mangel an finanzierbarem Wohnraum für Studenten herrscht. In München beispielsweise gibt es das Angebot seit 19 Jahren, zum Wintersemester 1996/97 wurde es vom Studentenwerk München und dem Seniorentreff Neuhausen ins Leben gerufen. Derzeit gebe es freie Zimmer, Studierende würden gesucht, berichtet Brigitte Tauer, die das Projekt beim Seniorentreff koordiniert. Das sei allerdings sehr ungewöhnlich, "ich erlebe das zum ersten Mal". Normalerweise sei gerade zu Beginn der Semester die Nachfrage sehr groß.

"Da rennen uns die Leute die Bude ein", erzählt Tauer. Bis zu 15 Studenten kämen dann in die wöchentliche Sprechstunde, in der Hoffnung, ein billiges Zimmer zu finden. Insgesamt waren es 2014 250 Studenten, daneben habe es aber auch sehr viele Anfragen per Mail oder Telefon gegeben. 60 Senioren hatten im vergangenen Jahr ein Zimmer angeboten. "Meine Aufgabe ist es, die zueinander passenden Wohngemeinschaftspaare zu finden", schildert Tauer. So hätten viele Senioren bestimmte Wünsche, suchten beispielsweise jemanden, der portugiesisch spricht. Zunehmend gebe es aber alte Paare, von denen ein Partner dement ist, der ab und an eine Betreuung brauche.

In der Stadt und im Landkreis München laufen derzeit etwa 70 Partnerschaften, berichtet Tauer. Manche Wohngemeinschaften dauern sehr lange - ihre längste bereits seit zwölf Jahren - andere dagegen halten nur wenige Tage. Es sei immer eine Typ-Frage, ob eine Partnerschaft funktioniere: Beide Seiten müssten sich darauf einlassen, tolerant und offen sein. "Wenn es dann aber funktioniert, dann profitieren alle."

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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