Ende einer Ära in Günzenhausen und Ottenburg:Der Bart ist ab

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Nach 57 Jahren, in denen er vielen Kindern Freude bereitet hat, hängt Willi Bauer sein Nikolausgewand nun endgültig an den Nagel. (Foto: Marco Einfeldt)

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang hat Willi Bauer als Nikolaus die kleinen und nicht mehr ganz so kleinen Kinder besucht und beschenkt. Jetzt, mit 73, geht der "Heilige" in Rente.

Von Laura Dahmer, Eching

Behutsam streicht Willi Bauer mit der Hand über den weißen Bart, der vor ihm auf dem Tisch liegt. Etwas verfilzt sieht der aus, auch ganz weiß ist er nicht mehr. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war der Nikolausbart Bauers treuer Begleiter. Jedes Jahr hat er als Nikolaus die Günzenhausener und Ottenburger Kinder besucht, ihnen Geschenke überbracht und ihnen die Geschichte des Heiligen erzählt. "In Günzenhausen bin ich bekannt wie ein bunter Hund", sagt Bauer und lacht. Jetzt, mit 73 Jahren, hängt er sein Nikolauskostüm an den Nagel.

Als 16-Jähriger schlüpfte der gebürtige Ottenburger zum ersten Mal in die Rolle des bärtigen Heiligen - damals nur, um Nachbarn und der eigenen Familie am 6. Dezember eine Freude zu machen. Irgendwann kamen die erste Anfragen von den Kindergärten in Massenhausen und in Günzenhausen. Seit 2003 war Bauer dann Jahr für Jahr auf dem Günzenhausener Weihnachtsmarkt und im Innenhof des Schloss Ottenburg. Es waren immer so um die 140 bis 160 Leute, sagt er, die zu ihm kamen, um ihm zuzuhören und seine Geschenke mit nach Hause zu nehmen. Damit die möglichst dem Wunsch jedes Kindes entsprachen, konnten die Eltern an den Tagen vorher Päckchen bei Bäcks Dorfladen in Günzenhausen abgeben. Viele Günzenhauser und Ottenburger wuchsen mit dem alljährlichen Nikolausbesuch auf und kamen auch noch zu ihm, "als sie schon gar nicht mehr so klein waren", bemerkt Bauer schmunzelnd. Viele der Kinder sind dann über die Jahrzehnte auch mit ihren eigenen Kindern wiedergekommen.

Ein paar Jahre lang war er mit der Kutsche unterwegs

Als seine Nikolauskarriere anfing, war Bauer zunächst zu Fuß unterwegs, dann mit dem Auto. Für ein paar Jahre kam er mit seinem Helferteam sogar mit der Kutsche zu den Kindern. Bis zu einem Unfall an einem nebligen Nikolausabend vor einigen Jahren: "Ich hatte vor und hinter der Kutsche jeweils ein Auto zum Ausleuchten. Trotzdem ist uns auf dem Berg ein ziemlich schnelles Auto entgegengekommen und musste eine Vollbremsung hinlegen", erzählt Bauer. Die Pferde haben sich erschreckt, sind durchgegangen und Bauer ist mit seiner Kutsche gegen eine Laterne geprallt. "Der Nikolausstab war danach verbogen, aber sonst ist Gott sei dank nichts passiert." Von da an aber entschied der 73-Jährige, dass die Kinder auch zum Nikolaus kommen könnten. Seitdem war er jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt und am Schloss Ottenburg.

Die Anfragen häuften sich, Vereinen und Firmen sagte Bauer immer ab. "Ich habe das für die Kinder gemacht." Nur einem Kindergarten in Freising sagte er in all der Zeit ab. Die Kindergartenleitung wollte, dass Bauer in zivil in die Gruppe kommt und sich dann vor den Kindern umzieht, damit sie sich nicht erschrecken. Für den Ottenburger Nikolaus ging das gar nicht: "Ich finde, man kann den Kindern für ein paar Jahre den Zauber lassen."

Willi Bauer hat auch die Post der Kinder ans Christkind entgegengenommen

Neben der Rolle als Nikolaus sind es auch Aktionen wie das "Himmlische Postamt", bei dem Bauer auf dem Weihnachtsmarkt die Post der Kinder angenommen und ihnen im Namen des Christkindes geantwortet hat oder den Weihnachtswald, den er mit seinem Team aufgebaut hat, machen Willi Bauer in den Echinger Ortsteilen unvergessen. Einen Moment, an den er selbst sich immer erinnern wird: "Ich habe die Kinder immer gefragt, ob sie ein Gedicht vortragen wollen. Einmal hat sich ein junges, vielleicht siebenjähriges Mädchen gemeldet", erinnert der 73-Jährige sich lächelnd. Ein Gedicht habe sie zwar nicht gehabt, aber dafür ein italienisches Lied. "Normalerweise war ein ziemliches Gewusel an der Kapelle. Aber in dem Moment war es wirklich totenstill."

Nur zwei Jahre hat Bauer in den gesamten 57 Jahren pausiert, als er seinen Wehrdienst geleistet hat. Viele Leute haben ihm über die Zeit geholfen, all die Nikolausaktionen möglich zu machen, auch seine Frau war immer sehr involviert. Ob er die Zeit als Nikolaus wohl vermissen wird? Bauer wiegt den Kopf hin und her. "Teils, teils", sagt er. Seine Frau sitzt daneben und lacht: "Sicher wird er das!" Aber er hat auch anderes vor. Jetzt, wo der Aufwand um den Nikolaus wegfällt, wird sich der Ottenburger seinem anderen Hobby zuwenden: der Malerei.

Er hofft, dass sich nun ein neuer Nikolaus für die Region finden wird, der die Tradition aufrechterhält. Vor allem in Zeiten wie der heutigen, wo viele Kinder den Nikolaus mit dem Weihnachtsmann verwechseln und die Geschichte des Heiligen nicht mehr kennen. "Ich wurde nie verwechselt, bei mir wussten die Kinder: Der Echte kommt", sagt Bauer und lacht herzlich.

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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