Ökologie:Zu Unrecht unbeliebt

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Ein Honigtopf soll die Wespen vom Teller weglocken. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ein nasses Frühjahr, weniger Lebensraum: auch Wespen leiden unter dem Insektensterben. Ökologin und Wespenexpertin Julia Schmack erläutert, weswegen das auch für den Menschen ein Problem ist.

Von Lena Meyer, Freising

Wespen haben nicht gerade den besten Ruf. Besonders nicht, wenn sie in Sekundenschnelle und wie aus dem Nichts über dem Tisch kreisen und das Essen im Freien stören. Sie nippen am Radler, beißen in das Grillgut oder baden im Apfelmus. Zumindest war das einmal so. Dieses Jahr ist es nämlich stiller geworden. Bislang kaum ein Brummen und kaum eine Spur von schwarz-gelb. Grund zur Freude sei das allerdings nicht, wissen Experten.

Tatsächlich rechnet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in diesem Jahr mit weit weniger Wespen als verglichen zum Vorjahr. "Aus meinem Netzwerk wurden ähnliche Stimmen laut", sagt auch Ökologin und Wespenexpertin Julia Schmack von der TU München in Weihenstephan. Zwar gebe es noch unzureichende Langzeitstudien, welche die Entwicklungen der Tiere dokumentieren. Dennoch könne davon ausgegangen werden, dass in diesem Jahr weniger Nester der heimischen Wespenarten im Raum München gegründet wurden.

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Die Gründe dafür sind verschieden. Zum einen spiele das Wetter eine entscheidende Rolle bei dem Erfolg einer Nestneugründung, weiß Julia Schmack. Gerade laue Temperaturen bieten dafür die ideale Voraussetzung. Doch das Frühjahr in Bayern war dieses Jahr nun einmal eins: nass. Wenngleich der Monat Mai zu trocken war, waren der März etwas und der April deutlich zu feucht, es regnete fast unaufhörlich - man sprach vom nassesten Frühjahr seit zehn Jahren. Diese Art der Witterung mache den schwarz-gelb gestreiften Insekten allerdings zu schaffen, weiß die Ökologin: "Ist das Frühjahr verregnet und kühl, gibt es für den kleinen Staat wenig Beuteinsekten, die sie an die Larven verfüttern können. Das Jagen in kühler Witterung kostet mehr Energie, und so können weniger Larven aufgezogen werden." Darunter leide schließlich die Population.

Das allerdings weitaus größere Problem für die Wespen ist der Verlust von wichtigen Lebensräumen. "Wespen und Hornissen sind auf Laubmischwälder mit hohem Totholzanteil, Streuobstwiesen, Magerrasen und Feuchtgebiete angewiesen. Der Verlust dieser Lebensräume und die intensive Nutzung durch Land- und Forstwirtschaft stellen die Hauptgefährdungsursachen für die Tiere dar", so Schmack. Damit sind die brummenden und schwarz-gelben Tiere vom allgemeinen Insektensterben betroffen.

Das Aussterben der Wespen hätte auch für den Menschen gravierende Folgen

Aber auch wenn sie als äußerst unbeliebt gelten, erfüllen die Wespen eine wichtige Rolle im ökologischen Gleichgewicht. So regulieren sie etwa den Naturhaushalt und kontrollieren Schädlinge, wie beispielsweise Mücken. "Aufgrund ihrer Vorliebe für Raupen (Schmetterlingslarven) und andere Blattschädlinge sind sie die idealen Schädlingskontrolleure im Garten und in der Landwirtschaft", weiß die Ökologin. Außerdem leisten die Tiere einen wichtigen Beitrag zur Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen. Ihr Gift sei zudem von großer Bedeutung für die Entwicklung neuer Antibiotika, sowie für den Einsatz in der Krebstherapie, erklärt Schmack. Der Wegfall der Wespe zerstört also das sensible ökologische Gleichgewicht und hätte auch für den Menschen gravierende Konsequenzen - auf verschiedenen Ebenen.

Trotz ihres Nutzens sind die Tiere nicht sehr beliebt, obwohl sie aufgrund ihrer akuten Gefährdung unter Schutz stehen. Immerhin gibt es keine süßen Trickfilm-Serien über eine Wespe Maja und auch sonst wenig Nettes, was man über diese Tiere sagt. "Unsere heimischen Insekten brauchen jetzt unsere Unterstützung, das gilt nicht nur für die 'süßen' Honig- und Wildbienen, sondern muss unbedingt auf weniger charismatische Insekten und Spinnen ausgeweitet werden", sagt Schmack daher und fordert mehr Aufklärung über den Nutzen dieser oft negativ dargestellten Tiere.

Der Name "Killer Hornisse" sei unangebracht, sagt die Forscherin

Ihrer Meinung nach mache es keinen Sinn, Tiere als Helden oder Bösewichte zu kategorisieren. So wie es beispielsweise bei der asiatischen Hornisse der Fall ist - auch als "Killer Hornisse" betitelt. Eingeschleppt aus anderen Ländern, beginnt sie sich aufgrund der hohen Temperaturen auch in Deutschland wohl zu fühlen. "Die asiatische Hornisse ist eine invasive Art und hat das Potential, sich hier dauerhaft niederzulassen", sagt Schmack. Ob sie dabei allerdings heimische Arten verdrängen könnte, sei aufgrund einer geringen Studienlage noch nicht abschätzbar. Der Name "Killer Hornisse" werde ihr allerdings nicht gerecht und sei unangebracht, findet die Ökologin. "Reißerische Sprache hat in der Ökologie keinen Platz, weil sie der Komplexität der Probleme nicht gerecht wird."

Wer Wespen und Hornissen unterstützen möchte, könne dies bereits ohne großen Aufwand tun: "Ganz konkret können Naturliebhaber blühende Pflanzen in ihrem Garten anbieten, zum Beispiel Dill und Fenchelblüten. Kleine Wasserstellen und Totholz sind ebenfalls ideal zum Trinken und für den Nestbau geeignet." Ansonsten gelte natürlich, die Tiere nicht zu töten, sondern "sachte wegzuschieben, falls sie einem zu nahe kommen".

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