Wahlabend in Wolnzach:Lächeln, plauschen, Hände schütteln

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Anna Roßmeier ist neue Hopfenkönigin: Sie bleibt bei der Vorstellungsrunde am lockersten. Für Helena Kreitmair, Kandidatin aus dem Landkreis Freising, ist der Traum dagegen geplatzt. Repräsentieren darf sie als Zweite aber auch

Von Christoph Dorner, Wolnzach

Irgendwann ist alles gesagt, und zwar von allen drei Anwärterinnen gleich mehrfach. Krönchen, Zepter und Schärpen sind verliehen, die drängelnden Ehrengäste abgefertigt und die Gastgeschenke von weiteren zwölf Königinnen überreicht - Bier, Wein, Schnaps, Spargel-Kochbücher, Anti-Stress-Kartoffeln, natürlich von der bayerischen Kartoffelkönigin. Helena Kreitmair steht zwar noch immer wacker, aber für einen Moment ziemlich allein und verloren auf der Bühne und unter der Hitzeglocke der Festhalle in Wolnzach.

Wäre das hier ein Parteitag mit Kampfabstimmung, es wäre trotz Kreitmairs schweißfester Schminke das Bild einer krachenden Niederlage. Denn mit 833 zu 1468 Stimmen hat sie im zweiten Wahlgang klar gegen die 23-jährige Anna Roßmeier verloren. Als Vize-Hopfenkönigin darf sich Helena Kreitmair im kommenden Jahr dennoch ein bisschen als Königin fühlen.

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Die Hopfenkönigin wird seit einigen Jahren nur noch von den Hopfenpflanzern der Hallertau gewählt. Die wilden Zeiten mit Stimmenkäufen und Keilereien sind zwar vorbei, trotzdem kann man in Wolnzach viel über bayerische Folklore lernen.

Von Christoph Dorner

Die Hallertauer Hopfenkönigin bekleidet seit 1952 durchaus ein politisches, ja fast präsidiales Amt. Bei 160 Terminen im Jahr vertritt sie den Hallertauer Hopfen, das "grüne Gold" aus dem größten Anbaugebiet in aller Welt. Als "echte Produktkönigin" sei sie mittlerweile ebenso bedeutend wie die bayerische Milchkönigin und die deutsche Weinkönigin, sagt Otmar Weingarten vom Hallertauer Hopfenpflanzerverband. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Deutschen von Jahr zu Jahr weniger Bier trinken.

Die bis dato amtierende Königin, Johanna Reith aus Wolnzach, steht vor dem ersten Wahlgang am Bühnenrand der Festhalle. Mit leuchtenden Augen zählt sie einige ihrer Stationen aus dem vergangenen Jahr auf, bevor sie eher ungern, wie sie einräumt, die Krone und ihre Kutsche, ein Mietauto, wieder herausrücken muss: Nach Belgien ging es für Reith, nach Frankreich, Südafrika, in die USA, zu Dutzenden Volksfesten und zur Grünen Woche nach Berlin. Dort hatten all die Königinnen einen "legendären Mädelsabend", erzählt die abgewählte bayerische Bierkönigin Tina-Christin Rüger aus Oberfranken.

3, 2, 1, meine Krone. Julia Mehrl, Helena Kreitmair und Anna Roßmeier (von links) waren die Kandidatinnen bei der Wahl zur Hopfenkönigin. (Foto: Natalie Neomi Isser)

All das hätte Helena Kreitmair natürlich auch gerne erlebt - und als Vize-Hopfenkönigin wird sie nicht ganz außen vor bleiben. Deshalb hatte sich die 26-jährige Diplom-Verwaltungswirtin aus Notzenhausen ja auch für das Amt beworben. Gegen den anfänglichen Widerstand des Vaters, der der Meinung war, dass bereits die Kandidatur mit irrem Stress verbunden sei. Und auch der Arbeitgeber, die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in Landshut, dürfte nicht vollends begeistert gewesen sein, heißt es unter den Hopfenzupfern doch unverblümt: Erst werden sie Königin, dann werden sie schwanger.

Weil sich ihre beiden Konkurrentinnen, die 21-jährige Julia Mehrl aus dem Weiler Einthal im Landkreis Kelheim und Anna Roßmeier aus Bachappen im Landkreis Pfaffenhofen, ebenso früh zu einer Kandidatur entschlossen hatten, hatte es im Vorfeld einen langen Wahlkampf gegeben. Helena Kreitmair war etwa beim Dellnhauser Volksmusikfest in Au gewesen. Dort hatte sie tapfer winkend an einer Trachtenmodenschau teilgenommen und die Hopfenpflanzerfamilien im Publikum aufgefordert, nach Wolnzach zu kommen. Denn nur sie dürfen nach vorheriger namentlicher Anmeldung bei der Wahl drei bis vier Stimmen auf die Kandidatinnen verteilen, nachdem es in der Festhalle bis vor sechs Jahren in schöner Regelmäßigkeit zu tumultartigen Zuständen gekommen war.

Damals hatten die Anwärterinnen jeweils Busladungen mit Unterstützern aus dem eigenen Freundeskreis nach Wolnzach gekarrt. Vor der Öffnung der Festhalle um 14 Uhr wurden mitunter kleine Kinder eingesetzt, die bei der Öffnung als Erste unter dem Tor hindurchschlüpfen und möglichst viele Biertische vor der Bühne besetzen sollten. Auch die Väter so mancher Anwärterin ließen sich nicht lumpen und kauften mit Hunderter-Scheinen die Stimmpakete an den Tischen wie bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten. Erst vor zwei Jahren hatte es beinahe eine Massenschlägerei in der Festhalle gegeben. Damals wurden die Stimmkarten bei den Wahlgängen noch in die Höhe gehalten - und beide Lager sahen sich nach ein paar Mass verständlicherweise in der Mehrheit. Alois Brummer erzählt all das draußen vor der Halle mit einem Schmunzeln, was vermuten lässt, dass die wilden Zeiten schon auch ihren Reiz hatten.

Unbestechliche Wahlhelfer in Wolnzach: Das Ergebnis ist am Ende eindeutig. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Gleichwohl ist der Wolnzacher Gemeinderat und Volksfestbeauftragte auch der Meinung, dass die Wahl gerechter und in Sachen Prestige aufgewertet worden ist, seit nur noch die Mitglieder von Hopfenpflanzerbetrieben, deren Zahl seit Jahren sinkt, sowie Ehrengäste abstimmen dürfen. Brummer, der für sich in Anspruch nimmt, bei seinen Siegerprognosen bislang immer Recht gehabt zu haben, mag sich heuer vor dem ersten Wahlgang so gar nicht festlegen. Er glaubt an ein enges Rennen wie 2003, als es wegen eines Stimmengleichstandes am Ende zwei gleichberechtigte Hopfenköniginnen gab.

Zu diesem Zeitpunkt laufen die drei Anwärterinnen mit ihren Taferlbuben noch von Tisch zu Tisch, lächeln, schütteln Hände, plauschen, um die letzten Unentschlossenen für sich zu gewinnen. Bei der anschließenden freien Vorstellung der Kandidatinnen, die der Freisinger Schauspieler Alexander Nadler moderiert, fällt dann im Grunde bereits die Vorentscheidung zugunsten von Anna Roßmeier. Sie hat bei dem Rhetorikkurs, den die Bewerberinnen im Vorfeld der Veranstaltung spendiert bekommen haben, offensichtlich am meisten gelernt. Da sich die jungen Frauen in ihrer Beschwörung des Hopfens, der Heimat und des familiären Zusammenhalts inhaltlich im Prinzip gleichen, ist ihr Auftritt kriegsentscheidend.

Und den hat Helena Kreitmair bei ihrer Vorstellung als Kandidatin Nummer zwei gründlich vergeigt. Freilich, sie sieht hübsch aus in ihrem Dirndl, das sie an dem Abend zum ersten Mal trägt. Auch beim Friseur war sie am Nachmittag noch gewesen, abends hat sie eine Hopfenrebe im Haar. Doch ihre Stimme ist hoch, sehr hoch. Und sie redet schnell, ohne Pausen zu lassen, damit ihre Anhänger auch mal zu ihren Gunsten klatschen können. Außerdem verhebt sich Kreitmair schon in der Form, indem sich ihre Sätze an die etwa 2500 Zuhörer in der Festhalle partout reimen müssen. Da hilft es auch nicht, dass Kreitmair sich die Strophen auf ihrem Spickzettel bunt markiert hat, um nicht durcheinanderzukommen.

Julia Mehrl auf Stimmenfang in der Festhalle. Sie ist neue Hopfenprinzessin. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Julia Mehrl macht bei ihrer Vorstellung und der Fragerunde mit Moderator Nadler am schamlosesten Wahlkampf. In jedem zweiten Satz fordert die 21-jährige Bankfachwirtin das Publikum auf, gefälligst sie zu wählen. Das kommt bei den Hopfenbauern aus der Hallertau, denen neben ihrer altbairischen Lebenstüchtigkeit immer auch eine gewisse Dickschädeligkeit nachgesagt worden ist, offenbar nicht so gut an. Mehrl erhält im ersten Wahlgang nur 550 Stimmen und ist damit im kommenden Jahr die Hopfenprinzessin.

Dass Anna Roßmeier am späten Abend von ihrer Vorgängerin die Krone aufgesetzt bekommt, ist verdient. Denn bei der 23-jährigen Bankbetriebswirtin stimmt das Timing der Rede, auch wenn diese etwas lang ist. Roßmeier erzählt lebendig von sich und preist die Hallertau, ohne sich anzubiedern. Außerdem sagt sie ein paar Sätze, mit denen sie den Nerv ihrer Zuhörer vollends trifft. So wünscht sie nicht bloß Glück und Gesundheit für Haus und Hof, sondern auch Regen für die hitzegeplagte Landwirtschaft.

Außerdem greift sie zu einem besonderen Kniff der politischen Kriegsführung, der Umarmung ihrer Konkurrentinnen. So betont Roßmeier, dass bei ihrer Wahl zur Hopfenkönigin kein Blatt zwischen sie und ihre beiden Stellvertreterinnen passen werde. Und so schwillt der Applaus aus dem Publikum merkbar an, je länger Roßmeier spricht. Ihr kann danach auch die Fragerunde mit den Kandidatinnen nichts mehr anhaben. Und so schwankt ihr Taferlbub, sei es aus Siegessicherheit oder wegen der Spendierfreudigkeit an den Tischen, bedenklich, als die blauen Stimmzettel für die Stichwahl eingesammelt werden.

Als die Gratulanten Anna Roßmeier immer noch um den Hals fallen, steht Helena Kreitmair etwas abseits. Aus dem Traum, einmal die Königin zu sein, ist ein Amt als Vize geworden. Das wolle sie nun so gut ausfüllen, wie es geht, sagt Kreitmair.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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