Nachhaltigkeit:Schnelle Kehrtwende gefordert

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Naturschützer Hubert Weiger setzt sich für einen Wandel von der "Ausbeutungs- zur Nachhaltigkeitsgesellschaft" ein

Von Katharina Aurich, Freising

Für mehr Windräder, eine größere Bürgerbeteiligung und eine Stärkung der Demokratie hat der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund), Hubert Weiger, am Sonntag in Freising geworben. Der Kulturverein "Modern Studio" hatte den Forstwissenschaftler und Bund-Mitbegründer eingeladen, eine neue Vortragsreihe zu eröffnen. Dem Verein geht es dabei um eine Erweiterung des Kulturbegriffs. Auch Natur- und Umweltschutz gehörten dazu, sagte Vorsitzende Helma Dietz.

Zunächst schilderte Weiger die Auswirkungen des viel zu hohen Ressourcenverbrauchs: Seit 1992 sei dieser für eine Steigerung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent verantwortlich. Während man sich bei uns über warme Sommer und einen mediterranen Lebensstil freue, würden tropische Regionen bei Durchschnittstemperaturen um 40 Grad unbewohnbar. Der dramatische Anstieg der Temperaturen sei nicht mehr umkehrbar, prognostizierte Weiger. Dennoch gebe es hoffnungsvolle Entwicklungen, beispielsweise den Ausstieg aus der Atomenergie, ohne dass bei uns die Lichter ausgingen. Der Ausbau der Fotovoltaik, insbesondere der privaten Anlagen, sei ein Siegeszug der erneuerbaren Energien. Damit hätten die Europäer, aber auch die Menschen in Afrika, die zum Kochen keine weiteren Büsche oder Bäume abholzen müssten, eine echte Chance auf Veränderung.

Als völlig unsinnig bezeichnete Weiger die 10-H-Regelung, der zufolge in Bayern der Abstand eines Windrads zur Wohnbebauung mindestens das Zehnfache seiner Höhe betragen muss. Dies führe dazu, dass Windräder nur noch in Wäldern gebaut würden, Hauptprofiteur seien die Bayerischen Staatsforsten. Er hoffe, dass "dieser Schwachsinn" in einigen Monaten gekippt werde, sagte Weiger mit Blick auf die Landtagswahl.

Er ist überzeugt davon, dass sich die "Ausbeutungsgesellschaft" in eine "Nachhaltigkeitsgesellschaft" umwandeln lasse, aber dafür brauche es die Bereitschaft jedes Einzelnen, sein Komfortverhalten, zum Beispiel was die Mobilität betrifft, zu ändern. Weg vom Fliegen, hin zur Bahn lautete sein Credo.

Auch der galoppierende Artenschwund müsse verlangsamt werden, forderte der Fachmann. Aber wenn der Durchschnittsbürger nur noch fünf heimische Pflanzen- und sieben Tierarten kenne, wie eine Untersuchung jüngst ergeben habe, wie solle er dann die Vielfalt schützen?, fragte Weiger. Auch bei Politikern sei es mit der Artenkenntnis nicht weit her.

Weiger plädierte deshalb für eine Stärkung des Biologieunterrichts und für eine Änderung der Landnutzung. Denn auf welcher Wiese könne man heutzutage noch einen Muttertagsstrauß pflücken?, frage er. Durch eine viel zu hohe Stickstoffdüngung seien die meisten Wiesen, was die Artenvielfalt angeht, verarmt, Blumen für einen Strauß suche man meist vergeblich. Der Wunsch nach blühenden Wiesen sei nicht romantisch, sie gehörten zu einer intakten Kulturlandschaft dazu, betonte Weiger. Dies bestätigte auch der Freisinger Kulturreferent Hubert Hierl. Er bedauerte die aktuelle Entwicklung: "Wenn ich raus gehe, dann sehe ich auf jedem zweiten Feld nur Mais."

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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