Verhandlung in Freising:Gleich wieder rückfällig

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Junger Mann verlässt Gerichtssaal und beleidigt Richter, das führt ihn erneut vor Gericht

Von Alexander Kappen, Freising

Dass jemand zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und wieder rückfällig wird, kommt nicht gerade selten vor. Aber das Tempo, das ein heute 19-Jähriger aus dem südlichen Landkreis an den Tag gelegt hat, war schon rekordverdächtig. Im April vergangenen Jahres wurde er vom Jugendrichter des Freisinger Amtsgerichts wegen unerlaubten Drogenbesitzes zu einem halben Jahr Haft auf Bewährung verurteilt - und dann verließ er den Gerichtssaal und sagte im Gespräch mit seiner Mutter: "Der Richter g'hört total g'fotzt. Das ist so ein Spast."

Dummerweise befand sich gerade eine andere Richterin im Treppenhaus und bekam das mit. Deshalb musste sich der junge Mann am Donnerstag nun wegen Beleidigung abermals vor dem Amtsgericht verantworten, diesmal in einer Schöffensitzung. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Tanja Weihönig verurteilte den geständigen Angeklagten unter Einbeziehung des vorangegangenen Urteils zu einer Jugendstrafe von acht Monaten - erneut auf Bewährung. "Wir sind überzeugt, dass er die Bewährung diesmal durchsteht", sagte die Richterin. Der Angeklagte habe zuletzt positive Schritte in seinem Leben gemacht". Er habe einen Job, "und in der Verhandlung hat er einen ruhigen, gefassten Eindruck gemacht, es gab keine Zwischenrufe wie beim letzten Mal". Auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe attestierte dem jungen Mann, der sechs Einträge in seinem Vorstrafenregister hatte, "dass sich seit der letzten Verhandlung in seinem Leben viel verändert hat". Das Verfahren habe ihn zudem beeindruckt. Die Jugendgerichtshilfe hätte sich auch eine Einstellung des Verfahrens oder Sozialstunden als Strafe vorstellen können.

Die Staatsanwältin sah das ganz anders. Zwar sei der Angeklagte geständig und habe sich bei dem Richter entschuldigt. Aber er habe "zahlreiche Vorahndungen, er hat eine Respektsperson beleidigt und eine sehr hohe Rückfallgeschwindigkeit. Sie beantragte eine Jugendfreiheitsstrafe von zehn Monaten - ohne Bewährung.

Eine Forderung, die beim Verteidiger auf völliges Unverständnis stieß: "Dass die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag so dermaßen daneben bügelt, habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nie erlebt." Er plädierte auf Freispruch, weil schlichtweg keine Beleidigung vorliege. "Wenn ,der g'hört g'fotzt' in Bayern schon eine Beleidigung sein soll, dann werden die Gerichte ja nicht mehr fertig." Er bezog sich auf das Verfassungsgericht, wonach es auf den Sachbezug ankomme. Und in diesem Fall habe sich die Aussage auf das Urteil bezogen, mit dem der Angeklagte unzufrieden war, und nicht auf den Richter: "Das war keine reine Schmähung einer Person." Außerdem, so der Verteidiger, dürften Richter "als dritte Staatsgewalt da nicht so dünnhäutig sein".

Für das Schöffengericht war es "keine sachliche Auseinandersetzung, sondern eine direkte Kritik an einer Person". Der Angeklagte habe sich "deutlich herabwürdigend geäußert - und das war kein Flüstern".

© SZ vom 24.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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