Utopia Island in Moosburg:Hartgesotten und feierwütig

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15 000 Besucher trotzen in diesem Jahr bei Utopia Island 2017 unverdrossen dem Regen. Wer die drei Tage unter erschwerten Bedingungen überstanden hat, ist zwar etwas mitgenommen, hat aber auch neue Freunde gefunden

Von Marlene Krusemark und Peter Buchholtz, Moosburg

Dosenreis, Gummistiefel aus Mülltüten und spektakuläre Bühnenshows: Bei Utopia Island im Aquapark haben am Wochenende 15 000 Besucher dem Regen getrotzt und feierten zu nationalen und internationalen Stars aus Hip-Hop, EDM und House. Ein Festivalbericht.

Donnerstag

Die ersten springen direkt um 16 Uhr bei Wind und Nieselregen heldenhaft in den Badesee - man sieht sofort, hier sind Festival-Profis am Werk. Sackkarren, darin stapelweise Bierpaletten, für 36 Euro bei Amazon bestellte aufblasbare Party-Flamingos - Utopia-Gäste kommen vorbereitet. Eine Gruppe aus der Nähe von Stuttgart hat für jeden Tag einen anderen Uncle Ben's Dosen-Reis mit im Gepäck. Auf ihrem Klapptisch steht eine Lautsprecherbox, umweltbewusst stellen sie noch Keramikaschenbecher dazu. "Mit unseren Nachbarn haben wir uns direkt angefreundet und unsere Pavillons zusammengebaut", erzählt Fabio, 23. Von 18.30 Uhr an beginnt es in Strömen zu regnen, und der Wind pfeift so sehr, dass das hölzerne O aus dem UTOPIA-Schriftzug herausfällt.

Über ein dementsprechend großes Publikum freuen sich Sam Feldt und Drunken Masters im Aura-Zelt. Die DJs liefern EDM-Hits der vergangenen drei Jahre ab und machen mit Remixen von Kanye West und schließlich K.I.Z. mal Stimmung für Freitag. Auch Netsky, der Headliner des Abends, bringt die durchnässte Menge in Bewegung, bevor er sie um kurz vor 23 Uhr in ihre erste Nacht bei Utopia entlässt.

Freitag

Bis zur Wade reicht der Schlamm am Freitagmittag an den Eingängen des Campingplatzes. Viele Besucher sehen bereits so aus, als hätten sie anstatt der morgendlichen Dusche ein Schlammbad genossen. Die Stimmung haben sich die "Utopianer" nach der durchregneten Nacht trotzdem nicht vermiesen lassen. Um sich vor Schlamm und Nässe zu schützen, hat Aaron, 22, aus Esslingen mit Mülltüten und Klebeband provisorische Gummistiefel bis zum Oberschenkel gebastelt. Susi, 22, aus Moosburg ist mit einer neunköpfigen Gruppe angereist und musste ihr Zelt im Starkregen aufbauen - am Freitag hatten die Mütter noch Gummistiefel vorbeigebracht.

Keiner lässt sich von dem Sauwetter die Stimmung vermiesen - im Gegenteil, so die Kräfte der Wasserwacht. "Sie sind friedlich und gut gelaunt", sagt Rainer Irlbauer, BRK-Einsatzleiter, der täglich von 17 Uhr an mit mindestens 35 Sanitätern, 15 Wasserwachtlern und zwei Ärzten im Einsatz ist. Auch sonst finden die Ehrenamtlichen für die Festivalbesucher ausschließlich lobende Worte: "So positiv, wie man hier behandelt wird von den jungen Leuten, das erlebt man sonst überhaupt nicht", sagt Irlbauer. Auch die Tankstellenpächter an der Kreuzung zum Festivalgelände berichten Positives über die Gäste, ein paar hätten lediglich Schwierigkeiten beim Geldzählen. Die Tankstelle ist Haupt-Anlaufstelle für Verpflegungs-Engpässe aller Art - Zigaretten im Wert von 15 000 Euro seien extra für das Festival gelagert.

Die Mainstage füllt sich am Abend erstmals richtig bei dem 21-jährigen EDM-Superstar Marshmello. Vulkane links und rechts spucken Feuer, es regnet Konfetti. Auch die zweiten Headliner des Abends, die Berliner Rapper K.I.Z., sparen nicht an Effekten. Mit einem Panzer unter sich schweben sie bei ihrem Song "Wir" an Drahtseilen hoch über der Bühne, bevor sie - unterstützt von Tausenden Fans - das Ende der Welt ("Hurra, die Welt geht unter") besingen. Bis drei Uhr wummern die Beats, die "Utopianer" feiern auch am zweiten Abend unermüdlich.

Samstag

Die Wolkendecke reißt immer öfter auf und die Sonne bringt nach drei Tagen Festival-Camping so einiges ans Licht. Eingebrochene Tische, bergeweise Müll. Die Stuttgarter Reisegruppe um Fabio sieht jetzt ein bisschen mitgenommen aus, die Stimmung ist aber nach wie vor gut: Mit Sonnenbrillen sitzen sie in ihrem Pavillon, der alle Wettereinbrüche überstanden hat: "Der ist einbetoniert!", lacht Fabio. Der Uncle Ben's Reis ist verputzt - geduscht haben sie nicht, trotzdem aber Freundschaft mit zwei Münchnerinnen geschlossen. Es wird zusammen geplant: "Wir gehen auf jeden Fall gemeinsam auf die Wiesn!" Frischen Wind bringen die vielen Tagesgäste zu Utopia Island. Man erkennt sie an den sauberen Klamotten und dem ausgeschlafenen Blick. "Von den 15 000 Besuchern, die täglich auf dem Festival sind, sind ein Viertel oder ein Fünftel Tagesbesucher", so Pressesprecher Leonard Mandl - der Rest schläft im Zelt, Auto oder Caravan. Viele kommen extra für die Headliner Marteria und Martin Garrix angereist, die den krönenden Abschluss des Inselwochenendes bilden. Aber auch an der Sea Side Bühne ist Partystimmung - bekannte DJs aus der Deep- und Tech House-Szene wie Dominik Eulberg bringen alle zum Tanzen, Seifenblasen werden in die Menge gefeuert.

22.30 Uhr: Auf der Main Stage wird für Marteria umgebaut. Im angrenzenden "Relax"-Bereich sitzen Partygäste wie in einer Ausnüchterungszelle und warten auf den Rapper aus Rostock. Der 34-Jährige, der auch unter dem Namen Marsimoto bekannt ist, liefert eine hit- und effektreiche Performance. Begeistert springen Tausende Fans mit ihm von "Level zu Level zu Level" ("Endboss"). Im Anschluss kommt Martin Garrix auf die Bühne. Der 21-jährige DJ aus Holland wärmt die Menge mit progressivem House und Future-Bass Tracks auf, Lichtblitze aus dem Stroboskop zittern über das Publikum hinweg. Um drei Uhr ist Schluss. Nun gilt es, genügend Schlaf für die Abreise zu kriegen - der eine oder andere muss am Sonntag schließlich sein Auto aus dem Schlamm ziehen.

Zufrieden sind nicht nur die Veranstalter und die Besucher, auch Rainer Irlbauer, Einsatzleiter des Rettungsdienstes, zieht eine positive Bilanz: Es habe kaum Alkoholvergiftungen oder andere Fälle von Intoxikation gegeben. "23 Leute mussten in die Klinik, 119 haben wir stationär versorgt. Bei der Rutschpartie nach dem Regen kann man mit diesen Zahlen wirklich zufrieden sein - großes Kompliment an die Besucher."

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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