Theaterautor:"Jeder findet etwas von sich selbst"

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Reinhard Seibold schreibt seit 22 Jahren erfolgreich Stücke für das Haager Komödienbrettl, die auch auf anderen Bühnen gespielt werden. Sie thematisieren meist alltägliche Dinge, sind zuweilen aber auch sozialkritisch

Interview von Katharina Aurich, Haag

Reinhard Seibold nutzt jede Gelegenheit, um aus Alltagsereignissen oder kleinen Missgeschicken einen Sketch oder eine amüsante Szene für die Darsteller des Haager Komödienbrettls zu schreiben und Stoffe für ein neues Stück zu finden. Dafür eignen sich besonders Patienten im Wartezimmer, die aneinander gedrängten Fahrgäste im überfüllten Bus oder deutsche Touristen in Italien. Situationen, die jeder kennt, liefern Seibold eine Fülle an Ideen. Nicht fehlen darf in seinen mittlerweile 22 Stücken immer wieder die dümmliche Anmache männlicher Protagonisten, die Frauen wahlweise als Beute oder Haushälterin wahrnehmen. Natürlich seien seine Stücke sexistisch, sagt Seibold, aber das gehöre zum Leben dazu. Daran habe sich in 22 Jahren, seit dem er schreibt, nichts geändert.

SZ: Welches ist Ihr erfolgreichstes Stück, was wird am meisten von anderen Bühnen gespielt?

Reinhard Seibold: Das ist "A gmahde Wiesn", ein Stück ohne Tiefgang, das mit allen Klischees und auch mit frauenfeindlichen Sprüchen spielt. Das kommt unglaublich gut an. Das Stück war eigentlich als Persiflage auf die dümmlichen Bauernstücke gedacht. Die anspruchsvolleren Stücke, die sich mit politischen oder sozialkritischen Themen wie zum Beispiel der Energiewende in "Gegenwind" auseinandersetzen, werden leider kaum gespielt. Die Stücke mit Tiefgang verkaufen sich am schlechtesten. Schade.

Wie begann Ihre zweite Karriere als Autor und Regisseur?

Ganz früher hatte ich eine Band und wir spielten auf Hochzeiten. Das wurde uns zu langweilig und ich begann, kleine Sketche und Witze einzubauen. Das kam gut an. Und ich merkte, dass das Schreiben ein sehr guter Ausgleich zu meinem Job als Zollbeamter war. Als Beamter ist man wie gefesselt, an Gesetze gebunden, Ärger wird geschluckt. Beim Schreiben und dann auch beim Spielen bin ich kreativ - und ich kann den ganzen Frust heraus lassen und mich in eine völlig andere Welt hinein fantasieren.

Sie haben immer wieder Ihre ganze Familie in Ihre Stücke einbezogen . . .

Ja, meine Frau Helga und unsere beiden Kinder Tobi und Simone sind meist mit dabei. Tobi macht, wie ich, auch Musik, wir haben viele Stücke zusammen komponiert und getextet. Für eines meiner Stücke, "Alles Paletti", über eine deutsche Urlauberfamilie in Italien sind wir, als die Kinder noch klein waren, alle zusammen eine Woche lang nach Cesenatico an die Adria gefahren, was wir normalerweise nie machten. Dort am Strand und auf dem Campingplatz fand ich dann genug Material für das Stück.

Die Themen Ihrer Stücke spiegeln die Ereignisse und Probleme des Lebens an sich wider.

Ja klar, das sind Themen, die im Laufe der Jahre quasi auf mich zukamen. Mir ist wichtig, dass sich jeder in den Stücken wiederfindet und kräftig lachen kann. Selbstironie ist sehr befreiend. Es geht in den Stücken zum Beispiel ums Hausbauen, um Wechseljahre, das Betriebsfest, Begegnungen am Wertstoffhof im Musical "Schrott sei Dank" oder den Besuch auf einer Schönheitsfarm. Natürlich sind die Personen überzeichnet, aber ich glaube, jeder findet darin auch etwas von sich selbst oder kann ein bisschen schadenfroh sein.

Wer spielt Ihre Stücke noch außer dem Komödienbrettl?

Das sind oftmals Landjugendgruppen. Ich dachte, dass die jungen Leute zum Beispiel gerne das Stück "Chaos mit Nebenkosten" über eine Wohngemeinschaft auf die Bühne bringen. Aber auch sie mögen lieber die lockere, boulevardmäßige Unterhaltung mit den gängigen Klischees vom fremd gehenden Bauern, der erwischt wird.

Wo bekommen Sie Ihre Ideen für ein neues Stück?

Beim Zeitunglesen. Manchmal auch spontan, irgendwo oder draußen beim Walken. Wenn es mal nicht weitergeht mit dem Erzählfluss, habe ich oft im Halbschlaf einen Gedanken und gute Ideen.

Schreiben Sie die Rollen einzelnen Darstellern auf den Leib?

Nein, erst entsteht das Stück, losgelöst davon, wer was spielen könnte. Erst wenn es fertig ist und auch klar ist, wer von der Gruppe mitspielt, werden die Rollen vergeben.

Die Darsteller des Komödienbrettls sind jedes Jahr, bei jedem neuen Stück, immer wieder mit dabei, obwohl es ja anstrengend ist, den Text zu lernen und viel Zeit kostet, zu proben.

Das wundert mich manchmal auch, vor allem frage ich mich, ob ich ihnen so viele Proben zumuten kann. Aber alle sind immer wieder mit Feuereifer dabei und machen lieber noch eine Probe mehr, damit das Stück und der Text auch wirklich gut sitzen.

Was ist Ihnen in der Regiearbeit besonders wichtig?

Die Darsteller müssen deutlich reden, es ist doch schlimm, wenn man in manchen Tatort-Filmen die Leute nicht versteht, weil sie nuscheln. Und wir spielen schnell, das bringt Leben ins Stück. Während der Proben wird das Stück an manchen Stellen verändert, Sätze werden gestrichen oder neu dazu genommen, wir probieren viel aus, und da bringen alle ihre Ideen mit ein.

Wie geht es weiter mit dem Komödienbrettl, denken Sie nach 22 Jahren ans Aufhören?

Nein, aber wir wünschen uns, dass neue, junge Leute zu uns kommen und allmählich hineinwachsen. Mein Traum ist, noch einmal ein Open-Air-Musical mit vielen jungen Leuten aufzuführen. Das wäre eine tolle Sache. Aber als nächstes bereite ich mit Tobi das Programm für das Starkbierfest 2017 vor und bin auf der Suche nach Themen, die sich für unsere Sketche eignen.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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