Kandidat für den Tassilo 2018:Heimatgefühle am Biertisch

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Bürgermeister Martin Bormann hat seine Dorfgemeinschaft für die Auszeichnung nominiert. Er findet, wenn 400 Ehrenamtliche ein Bierfestival organisieren, hat das einen Kollektivpreis verdient.

Von Clara Lipkowski, Attenkirchen

Einmal alle zwei Jahre ist Attenkirchen in Aufruhr. Die Bundesstraße im Ort wird gesperrt, Bühnenbauer machen sich ans Werk, zig Bierbänke und Biertische werden aufgestellt, Bier wird in Massen herangeschafft und der Pfarrer öffnet seinen Pfarrgarten in Erwartung der heranströmenden Gäste. Dann ist Juni, dann ist "Hallertauer Bierfestival".

Das Besondere an dem dreitägigen Fest, das heuer vom 8. bis 10. Juni stattfindet, ist weniger, dass es ein Open-Air-Fest ist, vielmehr, dass rund 400 Helfer aus den Vereinen des 2600-Einwohner-Orts mit anpacken. Sie helfen bei der Vorbereitung, arbeiten am Ausschank, an den Kassen und räumen mit auf. Dafür hat der Bürgermeister von Attenkirchen, Martin Bormann, seine Dorfgemeinschaft für den Tassilo-Kultur-Preis der SZ vorgeschlagen. So viel Engagement und das seit 2010, verdient einen Kollektivpreis, findet er.

Drei Tage dauert das Spektakel, das bis zu 20 000 Besucher in den Ort zieht, es kommen sogar ganze Reisebusladungen aus Norwegen. Gäste aus Japan waren auch schon da, Hotels haben bereits jetzt Anfragen aus Spanien. Es werden zusätzlich Busse fahren, "bis zu 6500 Leute shuttlen wir", sagt Initiator Alexander Herzog. Er nennt das Festival sein "Baby". Und ganz wichtig: Es ist nicht irgendein Volksfest à la Wiesn oder Frühlingsfest, sagt er, "es ist ein Bierverkostungsfest". Tatsächlich konnte Herzog dieses Label schnell etablieren. Es gibt nur 0,25-Liter-Gläser, eine Mass sucht der Gast hier vergebens. "Am Anfang haben viele gesagt, ja, spinnt der denn, da verdursten wir ja", sagt Herzog, jetzt ist genau das das, worauf hier alle stolz sind. Von etwa 40 Brauereien aus der Gegend kommen traditionell gebraute Tropfen aber auch Craft-Biere. "Für die Brauer ist das natürlich ein Riesengeschäft und für die Gäste ist es toll, so viel probieren zu können."

Obwohl allerhand Bier fließt, sind laut Bormann und Herzog noch keine Gäste ausfällig geworden. "Das ist keine Saufparty", sagt der Bürgermeister, "Sinn und Zweck ist, die Vielfalt der Biere zu kosten". Zudem sei das Fest ein Familienfest mit Kinderprogramm und Ständen, die Handgemachtes verkaufen, "nicht irgendwelche Unterhosen", meint Herzog. Nur einmal habe einer versucht eine Kasse zu klauen, erzählt Bormann, aber sonst? Keine Vorkommnisse.

Man muss dazu sagen, Bormann ist kein Unbekannter, was das Festival betrifft, er hilft bei der Organisation selbst seit Jahren kräftig mit, war als Geschäftsführer der Festival-GmbH aktiv, die um Alexander Herzog die Strippen zieht, (inzwischen aber aus rechtlichen Gründen aufgelöst wurde) und auch jetzt ist es seine Gemeinde, die haftet, sollte das Fest wegen schlechten Wetters ausfallen, so wie 2016, als es am Festivalsamstag schüttete und Bands nicht spielen konnten, aber bezahlt werden mussten. Aber, ihm gehe es darum, sagt Bormann, dass die Attenkirchener ein solches Fest auf die Beine stellen. Das, was an Überschüssen beim Fest übrig bleibt, fließt je nach Umfang des Arbeitseinsatzes in die Kassen der Vereine.

Seit einem halben Jahr laufen die Vorbereitungen, je näher der Termin rückt, desto mehr werden die Vereine eingebunden. Der Kriegerverein schickt Mitglieder für den Bühnenaufbau. Paul Niedermeier, Vorsitzender des größten Vereins im Ort, der Sportvereinigung, arbeitet während des Fests mit rund 15 Vereinsmitgliedern in drei Schichten an einer der Schänken. "Das Gute ist ja, dass wir nur 0,25-Biere ausschenken. Da müssen die Leute öfter aufstehen, um sich Nachschub zu holen, da gibt's hinterher auch keine Bierleichen", sagt Niedermeier. Obwohl so viele helfen, ist es "einfach narrisch viel Arbeit", sagt Bürgermeister Bormann, "deswegen können wir es nur alle zwei Jahre machen." Hinzu kommt, dass man mit verschärften Sicherheitsvorschriften vom Landratsamt rechnet. "Eingangskontrollen können wir nicht leisten, das haben wir schon im Landratsamt besprochen", sagt Herzog, "dafür bräuchte man 50, 60 Sicherheitsleute." Die Taschen am Eingang zu kontrollieren gehe auch nicht, "aber wenn ein Irrer irgendwas plant, ließe er sich davon auch nicht aufhalten." Und die Idee sei ja gerade, dass alles offen ist. Betonpoller gebe es auch keine, der ÖPNV muss fließen, stattdessen stellen sie Feuerwehrwagen quer in die Ortseingänge.

Das Fest ist ein Fest, das die Vorzüge des derzeit so oft strapazierten Begriffs "Heimat" betont. Das Bier soll allen schmecken, die Musik bietet zwar auch Rock und Pop, viel "Musi" soll aber auch die bayerische Lebensart zelebrieren. Da passt es gut ins Bild, wenn heuer das erste Mal auf dem Attenkirchener Fest ein Paar mit der schönsten Tracht gekürt wird und die Besucher das beste Bier wählen, das selbstverständlich aus der Region kommen muss. Der Pfarrer sitzt hier genauso an der Bierbank wie der Bürgermeister und der Nachbar. Und Weltoffenheit will man hier ebenfalls demonstrieren. Denn wer die weiteste Anreise hat, erhält einen Sonderpreis.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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