"Stärken ausbauen, Schwächen reduzieren":Alle profitieren

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Grundschullehrerin Heidi Herzog (r.) und Sonderschullehrerin Melanie Holzer betreuen die Inklusionsklasse, die auch Mila (Mitte) besucht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Grund- und Mittelschule Eching will jetzt offiziell Inklusionsschule werden. Schüler mit Behinderungen werden zwar schon seit Jahren integriert, mit dem Titel gäbe es aber eine Förderlehrerin und mehr Stunden

Von Klaus Bachhuber, Eching

Gelegentlich fragen sich die Kinder schon, warum ihre Gruppe jetzt lernt, wie ein Hase im Zick-zack laufen kann, während ihre Mitschüler bloß versuchen, ein Hasen-Foto als Puzzle zusammenzusetzen. Warum einige mit den ganz großen Zahlen über 20 rechnen und andere immer noch mit 3 plus 5 hantieren. "Spezifische Förderung" steht dazu im Lehrplan, "Stärken ausbauen, Schwächen reduzieren" nennt es die Echinger Grund- und Mittelschule in ihrem Leitbild und die Überschrift dazu ist: Inklusion, der Einschluss von behinderten oder förderbedürftigen Kindern in den Regelunterricht. Seit Jahren hat sich die Schule an der Danziger Straße der Inklusion verschrieben; jetzt hat sie auch amtlich das "Schulprofil Inklusion" beantragt.

In der 1b, einer Kooperationsklasse mit dem Sonderpädagogischen Förderzentrum in Pulling, sitzen vier Kinder mit Förderbedarf in Sprache und Lernen unter den 22 Erstklässlern. Viermal wöchentlich kommt für je zwei Stunden eine Förderlehrerin aus Pulling in den Unterricht von Klasslehrerin Stefanie Kreutz. Die beiden Pädagoginnen bestreiten diese beide Stunden dann entweder im Teamteaching gemeinsam oder sie bilden Kleingruppen. So kann auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder eingegangen werden. Eine weitere Zusammenarbeit verbindet die Echinger Schule mit dem Förderzentrum für geistige Entwicklung der Fröbelschule in Freising. Die Klasse 3a/d in Eching ist da ein Unikat, weil die 31 Schüler durchgängig gemeinsam Unterricht haben, auch wenn zehn von ihnen Schüler der Fröbelschule und damit geistig eingeschränkt sind: mehr Inklusion geht nicht.

Förderlehrerin Melanie Holzer betreut diese Klasse seit der Einschulung, Grundschullehrerin Heidi Herzog ist als Mutterschutzvertreterin der bisherigen Co-Lehrerin nun in der Dritten dazugestoßen - und war überrascht: "In dieser Klasse wirkten die Kinder viel weniger aufeinander eifersüchtig als sonst oft, keiner machte den anderen runter." Nach ihrem ersten Jahr mit der Klasse sieht sie das bestätigt: "Die Kinder schätzen sich untereinander."

Durch die in den Kooperationsklassen so unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder sei diese Verschiedenheit viel stärker Thema, betonen die Lehrkräfte. "Sie sind von Anfang gewohnt, dass jeder individuell behandelt wird", sagt Stefanie Kreutz. Die unterschiedlichen Anforderungen, wie beim Fortschritt in den Rechenschritten, müssten "ganz sensibel begleitet werden", betont Förderlehrerin Melanie Holzer, die Lehrkraft müsse offen bleiben für Fragen und bei der Vermittlung der Unterschiede viel Wert auf Empathie legen.

Die anfängliche Skepsis mancher Eltern bei der Umsteuerung der Schulpolitik, weg von den strikt separierten Bildungsangeboten, hin zur Eingliederung, sei mittlerweile ins Gegenteil umgeschlagen, weiß Rektor Gerhard Röck. "Die Eltern wollen mittlerweile, dass ihre Kinder in solche Klassen kommen", schildert er, "es hat sich rumgesprochen, dass davon alle profitieren." In der 3 a/d, wo Herzog und Holzer gemeinsam unterrichten und die 31 Kinder jeden Unterricht und jede Unternehmung gemeinsam machen, müssen für diejenigen, die sich etwas schwerer tun mit dem Begreifen und länger brauchen bei der Umsetzung, eben andere Anreize gesetzt werden. Doch genau das macht es auch für die Fitteren noch anschaulicher. "Was den förderbedürftigen Kindern zugute kommt, kommt allen zugute", versichert Herzog.

Durch die Kooperationen fällt so auch für die Kinder der Regelschule großer Nutzen ab, denen spezifische Förderung gut tut, auch wenn sie nicht diagnostiziert ist. Trotz dieses Nutzens rundum seien die Projekte noch viel zu wenig unterstützt, klagt der Rektor. Speziell in der Grauzone zwischen Regelschule und diagnostiziertem Förderbedarf werde "uns zu wenig geholfen", bedauert er. Ein Großteil der Inklusionsinitiativen beruhe auf dem persönlichen Engagement der beteiligten Lehrkräfte. "Das ist schon etwas, wo die Lehrer sehr ausgepowert werden", weiß Röck. Dennoch bekenne sich die Echinger Schule zu diesem Ansatz. "Wenn wir in der Gesellschaft eine Vielfalt wollen, muss auch die Schule beitragen", sagt ihr Schulleiter. Und für die Kinder sei eindeutig, dass Förderschüler "auf der Kippe" durch die Inklusionsklassen leichter wieder in die Regelschule integriert werden könnten. Ausdrücklich wolle man sich dabei aber nicht als Förderschule light verstehen, betont Röck.

Der Antrag, als Profilschule Inklusion anerkannt zu werden, würde nun bei einer Zusage weitere Planstellen für die Schule bringen: 13 Wochenstunden einer dann fest an der Schule angesiedelten Förderlehrerin und zehn zusätzliche Lehrerstunden. Angepeilt sei dann ein Inklusiv-Team, mit dem man die konkreten Probleme effektiver und flexibler angehen könne, erwartet Röck: "Es geht darum, Ressourcen für die Kinder zu gewinnen."

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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