Silvesterkrawalle:"Gott sei Dank sind wir nicht Berlin"

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Im Landkreis können Einsatzkräfte, wie hier nach einem Unfall auf der Münchner Straße in Freising, meist noch unbehelligt arbeiten. Angriffe auf die Helfer kommen vor, aber sie sind selten. (Foto: Feuerwehr/oh)

Im Landkreis ist die Silvesternacht ruhig verlaufen. Übergriffe auf Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gibt es aber auch hier immer wieder.

Von Gudrun Regelein, Freising

Die Silvesternacht in Berlin ist chaotisch verlaufen. Es kam zu Ausschreitungen, bei denen auch Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten angegriffen wurden. In Nürnberg wurden bereits in der Nacht des 30. Dezember Polizisten mit Feuerwerkraketen beschossen. Helfer werden seit Jahren während ihrer Einsätze immer wieder attackiert - neben Berlin vor allem im Ruhrgebiet. Der Landkreis Freising sei dagegen noch "friedfertig", sagt Florian Wöhrl, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Freising. Aber auch hier kommt es immer wieder zu Angriffen auf Menschen, die eigentlich helfen wollen.

"Aber in dieser Brutalität, wie es in Berlin geschehen ist, kennen wir es nicht", sagt Wöhrl. Die Feuerwehrler werden für das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte sensibilisiert und geschult, berichtet er. Dennoch komme es vereinzelt zu Übergriffen. Zumeist handele es sich dabei um Beleidigungen - oder der Stinkefinger werde gezeigt. Vor allem im Straßenverkehr sei das zu beobachten. Beispielsweise wenn die Einsatzkräfte bei einem Unfall die Straße sperren müssen.

"Eine absolut grundlose Gewalt"

Freisings Polizeichef Matthias Schäfer hatte selbst schon in einigen Silvesternächten Dienst. So etwas wie in Berlin aber habe er noch nie erlebt, sagt er. "Das ist eine Dimension an Gewalt, die ich bislang nicht gekannt habe." So etwas passiere aber nicht grundlos, das zeige eine extrem aggressive Einstellung bei den Tätern. "Da hat es eine totale Enthemmung gegeben." Was Schäfer besonders extrem findet: "Es war eine absolut grundlose Gewalt gegen Helfer, ohne Anlass." Bei manchen Demonstrationen rechne man mit einer Eskalation, sei darauf vorbereitet - "aber doch nicht bei einer Feier". Polizisten hätten in ihrer Ausbildung gelernt, auch Gewalt anzuwenden, wenn es nötig ist. Ehrenamtliche Feuerwehrler und die Mitarbeiter im Rettungsdienst aber nicht. "Da wird sich mancher die Frage stellen, wofür er das macht", sagt Schäfer.

Das Niveau der Delikte gegen seine Mitarbeiter sei auf Vor-Corona-Niveau, mit steigender Tendenz, berichtet Schäfer. "Wir haben hier aber auch andere Verhältnisse als in der Großstadt, wir sind noch ländlich geprägt und haben ein anderes Klientel." Wahrscheinlich spielten auch die Bodycams, die Polizeibeamte nun bei ihren Einsätzen tragen, eine Rolle. "Sie haben sicher eine abschreckende Wirkung und können deshalb Übergriffe verhindern", sagt Schäfer. "Wir haben damit positive Erfahrungen gemacht."

Deeskalationstraining beim BRK

Für den Rettungsdienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Freising gab es in der Silvesternacht nur einige Einsätze wegen zu viel Alkohol, berichtet Einsatzleiter Hubert Böck. "Gott sei Dank sind wir nicht Berlin", sagt er. "Die Nacht war friedlich." Angriffe gegen Mitarbeiter aber gebe es immer wieder, die Zahl sei zuletzt allerdings nicht dramatisch gestiegen.

Wenn jemand psychische Probleme habe oder zu viel Alkohol getrunken habe, passiere das mitunter. Manchmal seien es auch die Angehörigen, die eine Untersuchung verhindern wollen. Einmal sei einem Mitarbeiter von einem Passanten hinterrücks auf den Kopf geschlagen worden. Das aber sei ein Einzelfall gewesen, betont Böck. "Zu einer derartigen Eskalation wie in Berlin kam es bei uns noch nie." Die Mitarbeiter absolvierten ein Deeskalationstraining, das in angespannten Situationen helfen soll. Wenn es dennoch nicht möglich sei, die Versorgung eines Patienten zu leisten, werde die Polizei gerufen.

Insgesamt sei die Hemmschwelle bei den Menschen gesunken, "zumindest ist das meine Wahrnehmung", sagt Böck. Immer öfter werde jetzt der Notruf gewählt, wenn der Hausarzt nicht erreichbar ist oder am Wochenende der kassenärztliche Bereitschaftsdienst nicht sofort kommt. "Wenn dann die Leute erfahren, dass die Sanitäter keine Rezepte ausstellen dürfen, löst das häufig Unverständnis und Frustration aus."

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