Schneckensuche in Allershausen:Raritäten im Matsch

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Manfred Colling ist Fachmann für Mollusken. Der Schneckenkenner spürt derzeit für das Quell-Projekt des Landschaftspflegeverbands seltenen Weichtieren nach. Nicht nur in einem Wäldchen bei Allershausen wird er fündig.

Von Alexandra Vettori, Allershausen

Normalerweise hätte Manfred Colling jetzt seine Plastikfolie dabei. Er würde sie ausbreiten und auf die Knie sinken, in den Matsch und auf die dicke Schicht aus modernden Blättern. Er würde sich tief bücken und mit den Fingern sorgsam im feuchten Boden wühlen, auf der Suche nach seltenen, vom Aussterben bedrohten Arten. Denn Manfred Colling ist Biologe und Fachmann für Mollusken, also Schnecken, und als solcher deutschlandweit unterwegs. Der 60-jährige Unterschleißheimer ist ein gefragter Mann, viele Schneckenkundler gibt es nicht.

Umso größer ist die Freude im Freisinger Landratsamt darüber, dass der Schneckenkenner derzeit im Landkreis unterwegs ist, im Rahmen des Quell-Projekts, das Kreistag und Heinz-Sielmann-Stiftung finanzieren. Und noch viel größer war die Freude, als er relativ bald 28 Rote-Liste-Arten auftat. Darunter sind die Zweizähnige Laubschnecke, Perforatella bidentata, in einem Erlen-Eschen-Sumpfwald am Fuß der Amperleite bei Allershausen, und die FFH-Anhangsart Vertigo moulinsiana, die Bauchige Windelschnecke. Gerade bei Letzterer ist das Finden eine echte Kunst, ist das Tierchen doch gerade mal zwei Millimeter groß. Auch die Moos-Blasenschnecke oder die Schlanke Sumpfschnecke, beide Rote-Liste-Arten, hat er schon auf dem Gemeindegrundstück in Allershausen aus dem Matsch gewühlt. "Es ist ein Glück, dass das Grundstück der Gemeinde gehört", frohlockt an diesem Tag beim Ortstermin Matthias Maino, der Geschäftsführer des Freisinger Landschaftspflegeverband, der in Sachen Quellschutz aktiv ist.

25 Quellen im Landkreis werden untersucht

In den vergangenen Monaten hat man bereits mehrere der 25 erfassten Quellstandorte im Landkreis untersucht. Was man sich von Schneckenfachmann Colling erhofft, ist nicht nur die Kartierung, sondern das sind auch Tipps, wie die Lebensräume aufgewertet werden können. Denn die Tiere sind darauf angewiesen, weiter wandern können sie nicht. Gerade das 3000 Quadratmeter große, sumpfige Waldstück an der Amperleite ist ein guter Standort. "Waldbauliche Maßnahmen sollten vermieden werden", rät Colling, höchstens die eine oder andere Fichte könnte man vorsichtig entfernen. Denn Schnecken mögen keine Fichten, warum, liege auf der Hand, so Colling: "Nadelfall führt zur Versauerung des Bodens und die Schnecke mit ihrem Kalkgehäuse mag Säure nicht".

Außerdem rät er, ein Verbotsschild aufzustellen, wider die immer wieder beobachtete Ablagerung von Gartenabfällen. "Das ist gefährlich hier, direkt an der Straße", sagt auch der Zweite Bürgermeister von Allershausen, Martin Vaas. Die Fläche, betonte Jörg Steiner von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt, sei wichtig für den Kampf gegen den Klimawandel, "das ist quasi ein entstehendens Moor, das bindet viel Kohlendioxid."

Auch eine Glasschnecke, eine evolutionäre Besonderheit, findet sich

Plötzlich hält Colling die Hand hoch, er hat eine winzige Glasschnecke gefunden, eine evolutionäre Besonderheit: "Das ist eine Art, die noch ein Häuschen am Rücken hat, aber schon halb eine Nacktschnecke ist. Das Tier ist schon zu groß für das kleine Schneckenhäuschen, schleppt es aber noch mit sich herum", sagt er und lächelt. Verständnislose Blicke angesichts seiner Leidenschaft für die teils winzigen Schnecken ist Colling gewöhnt. Auch dass nur wenige verstehen, warum ihn die Tiere seit seiner Jugend faszinieren. Angefangen habe das damit, dass ihn ihre Formenvielfalt begeistert habe. Es gebe über 300 Land- und Süßwasserarten, mit teils skurrilen Formen. Zu sehen sei das oft nur unter dem Mikroskop, wie etwa die Zähne der Zweizähnigen Laubschnecke. Die hat sie nämlich tatsächlich, kleine Erhebungen am Eingang des Schneckenhauses.

"Ästhetik pur", sagt auch Jörg Steiner, der einräumt, er sei zwar Biologe, aber mit dem Fachwissen von Colling könne er nicht mithalten. Viele fragten sich, warum es Schnecken überhaupt brauche. Tatsächlich schafften sie als Pflanzenfresser Platz. Und es handelt sich um wichtige Zeigerarten für naturbelassene Lebensräume. Mit ihrer Hilfe, hoffen die Quellschützer im Landkreis, können private Grundbesitzer besser überzeugt werden, diese wertvollen Naturräume zu erhalten.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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