"Rentabel" und "Etappe" in Freising:Warum Kürzungen die Caritas-Betriebe bedrohen

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Wenn die von Finanzminister Linder geplante Kürzung eines Fördertopfs für Langzeitarbeitslose kommt, müsste die Caritas Freising um ihre Jobangebote für Langzeitarbeitslose bangen.

Von Gudrun Regelein, Freising

"Das schwebt wie ein Damoklesschwert über uns. Falls diese Kürzung wirklich kommt, hätte das für uns gravierende Folgen", sagt Andrea Lachner. Die Fachdienstleiterin Beschäftigung Integration Qualifizierung (BIQ) des Caritaszentrum Freising meint damit die von der Bundesregierung angekündigte Kürzung eines Fördertopfs für Langzeitarbeitslose. Für "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit" sind im kommenden Jahr in dem Haushaltsentwurf nur noch 4,2 Milliarden Euro eingeplant. In diesem Jahr stehen noch rund 4,8 Milliarden zur Verfügung. Mit dem Geld wird auch der sogenannte soziale Arbeitsmarkt unterstützt: Dort werden Jobs für Langzeitarbeitslose bei gemeinnützigen Einrichtungen, Kommunen und in der freien Wirtschaft staatlich bezuschusst.

2019 hat das Buchcafe "Etappe" der Freisinger Caritas seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Aktuell bedrohen geplante Kürzungen der Bundesregierung die Zukunft der Einrichtung. (Foto: Marco Einfeldt)

In den Landkreisen Freising und Erding bietet die Caritas Freising in ihren Fachbetrieben Rentabel und Etappe solche Beschäftigungen an: In Freising sind es insgesamt 20 Plätze in der sogenannten AGH, der Arbeitsgelegenheit-Maßnahme, in Erding sind es bei Rentabel zehn Plätze. Dort finden Hartz-IV-Empfänger eine Beschäftigung, für die sie einen Euro in der Stunde bekommen, und ihnen wird eine Tagesstruktur geboten. Sie werden nicht nur arbeitspädagogisch, sondern auch sozialpädagogisch unterstützt. Großes Ziel sei, sie wieder auf den 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln, berichtet Lachner.

Zuschüsse sind notwendig, sie kommen auch vom Landkreis

Manfred beispielsweise, einer ihrer Teilnehmer, könnte das schaffen. Der 50-Jährige konnte nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf arbeiten, er hatte eine lange Krankheitsphase, wurde letztendlich arbeitslos. Alkohol kam ins Spiel - Manfred trank, um seine Sorgen zu vergessen. Er verlor schließlich seine Wohnung, "und landete irgendwann bei uns", erzählt Lachner. Bei Rentabel fand er nach langer Zeit wieder eine Tagesstruktur, er musste aufstehen, frühstücken und nüchtern ins Rentabel kommen. Manfred hilft in den Sommermonaten mit, die Badeseen zu reinigen. "Er fühlt sich wieder gebraucht und gewertschätzt", sagt Lachner. Manfred sei auf einem guten Weg, sie sei zuversichtlich.

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Falls nun aber die angekündigte Kürzung käme, könne es sein, dass die Caritas Menschen wie Manfred keine Arbeitsgelegenheit mehr bieten könne. Zwar bekommt die Caritas eine staatliche Pauschale, aber diese würde das Angebot schon jetzt nicht zu 100 Prozent finanzieren. Denn auch die Mieten und der Fuhrpark beispielsweise müssten bezahlt werden. Das bedeutet, dass die Caritas als Verband zuschießen müsse. Zudem bezuschusst der Landkreis Freising seit vielen Jahren das Projekt ABE - Arbeit statt Strafe, Bleib dabei und betreutes Ehrenamt - des Fachdienstes.

Caritas will zur Not einen Brandbrief an den Finanzminister schreiben

"Eigentlich aber ist die Vorgabe, dass wir uns selber tragen müssen", erklärt Lachner. Schon seit Längerem überlege man, wie und wo sinnvoll eingespart werden könne, ohne dabei etwas zu verlieren, berichtet sie. Zwar erziele man mit den Beschäftigungsbetrieben auch Einnahmen, mache aber unter dem Strich dennoch jedes Jahr ein Defizit. "Falls es ab dem kommenden Jahr nun auch noch eine gekürzte staatliche Pauschale gibt, wird es schwierig, das Angebot in der jetzigen Form aufrecht zu erhalten. Das wäre richtig tragisch für unsere Klienten." Aber nicht nur für diese, auch Mitarbeiter müssten dann schlimmstenfalls abgebaut werden. Derzeit sind im gesamten Fachdienst 20 Festangestellte beschäftigt, die sich um die insgesamt etwa 100 Teilnehmer kümmern. "Wir beobachten mit großer Sorge diese Entwicklung", betont Lachner. Falls nicht der übergeordnete Verband reagiere, werde die Caritas Freising einen Brandbrief an Finanzminister Christian Lindner verfassen, um darauf hinzuweisen, welch fatale Folgen die Kürzung hätte.

Der Überlebenskampf dauert schon sehr lange an

Rentabel kämpft schon seit Langem ums Überleben: Ende 2015 sah noch alles danach aus, dass das Gebrauchtwaren-Kaufhaus der Caritas schließen müsste. Dieses war schon damals durch extrem gekürzte staatliche Pauschalen in eine prekäre finanzielle Situation geraten. Das Geld reichte nicht mehr, das Projekt rutschte tief in die roten Zahlen. Weil aber weder die Caritas noch der Landkreis eine Schließung zulassen wollten, sprachen sie dem Kaufhaus 2016 eine finanzielle Unterstützung zu. Für den Gebrauchtwarenladen NoWasWert in Moosburg dagegen gab es keine Rettung mehr: Er wurde zum 31. Januar 2016 geschlossen.

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