Prozess am Landshuter Landgericht:"Der Zeuge ist umgekippt"

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Ein Zeuge gibt zu, den Angeklagten mit einem Totschläger attackiert zu haben. Doch das Gericht kann nicht klären, von wem der Angriff ausging.

Peter Becker

Landshut/Eching - Mit einem Freispruch ist der Prozess gegen einen 51-jährigen Echinger vor dem Landshuter Landgericht zu Ende gegangen. Er musste sich dort wegen versuchten Totschlags verantworten, weil er laut Anklageschrift mit einem Messer auf einen Begleiter seiner ehemaligen Lebensgefährtin losgegangen war. Er hatte ihn dabei verletzt. Am Ende der Beweisaufnahme war dieser Vorwurf nicht mehr haltbar. Die Vorsitzende Richterin der Strafkammer Gisela Geppert begründete dies damit, dass letztlich nicht einwandfrei geklärt werden konnte, von wem der Angriff eigentlich ausgegangen war.

DieStrafkammer am Landshuter Landgericht hat die Unterbrinung eines Mannes aus dem Landkreis Freising in eine Psychiatrie zur Bewährung ausgesprochen. (Foto: dpa)

"Wenn ich etwas getan habe, dann habe ich es hinterher immer zugegeben", bestritt der Beschuldigte den Vorwurf. Es hätte auch alles zu gut gepasst, um ihm die Tat in die Schuhe zu schieben. Der Mann passt ins Klischee eines typischen Knastbruders. Seit seiner Jugend hat er die meiste Zeit im Gefängnis verbracht. 21 Vorstrafen umfasst sein Register. Im Gefängnis begann 1977 auch seine Drogenkarriere. Er kam dort erstmals mit Heroin in Kontakt. Kaum aus der Haft entlassen, bestritt der Mann seinen Lebensunterhalt mit Dealen, Gelegenheitsarbeiten und Tätowieren.

Der Handel mit Betäubungsmitteln brachte ihn stets von Neuem mit dem Gesetz in Konflikt. Immerhin hatte der Echinger aber soviel Geld, dass er seiner ehemaligen Lebensgefährtin 2000Euro leihen konnte, bevor er sich ein weiteres Mal in Therapie begab. "Die hat sie mir vermasselt", sagt der Mann. Er lässt kein gutes Haar an der Frau. "Für eine Linie Kokain tut sie alles, was man von ihr verlangt", beschreibt er sie. In der Therapie erfuhr der Echinger, dass die Frau ihn hintergehe. Er stellte sie zur Rede und forderte auch sein Geld zurück. Das sei ihm als Bedrohung ausgelegt worden, erzählt er. Daraufhin sei er aus der Therapie entlassen worden.

Im Juni 2009 kam es dann zu einer Begegnung an einer Echinger Tankstelle. Der Beschuldigte soll laut Anklage mit einem Messer auf einen der Begleiter seiner ehemaligen Lebensgefährtin losgegangen sein und diesen verletzt haben. Während der Verhandlung ergibt sich jedoch ein anderes Bild des Geschehens. Das Gesicht des Angeklagten heitert sich förmlich auf, als einer der Hauptbelastungszeugen während seiner Befragung zugibt, in der Auseinandersetzung eine Teleskop-Stahlrute eingesetzt zu haben. Das hatte der Beschuldigte schon während der Vernehmung durch die Kriminalpolizei ausgesagt. Er habe sich damals nur gewehrt. "Doch einem Mann mit 21 Vorstrafen glaubt ja niemand", sagt er wohl nicht ganz zu Unrecht.

"Der Zeuge ist umgekippt", stellt Richterin Gisela Geppert fest. Auch in den Aussagen zweier weiterer Hauptbelastungszeugen, der ehemaligen Lebensgefährtin und ihres zweiten Begleiters an jenem Tag, taucht auf einmal der Totschläger auf. Bisher hatte es stets geheißen, der angegriffene Zeuge habe sich mit einem Schlüsselbund in der Faust seiner Haut gewehrt.

Dass drei Leute die gleiche Eingebung mit dem Schlüsselbund hatten, "das ist auch für das gutgläubigste Gericht schwer zu glauben", sagt Richterin Gisela Geppert. Wohin der Totschläger gekommen ist und warum er überhaupt mitgeführt wurde, dazu wollen die Zeugen keine Angaben machen. Letztlich sei es nicht zu beweisen gewesen, von wem der Angriff ausgegangen sei, erläutert die Richterin. Sie spricht den Angeklagten frei, wie es am Ende auch der Staatsanwalt gefordert hat.

© SZ vom 25.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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