Prozess am Amtsgericht:Zweiter Unfall durch totes Reh

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Angeklagter sagt aus, er habe den Kadaver nicht liegen lassen

Von Alexander Kappen, Freising

In erster Linie war es ein Wildunfall. Allerdings nicht nur das. Denn das Reh, das im März dieses Jahres auf der Dietersheimer Straße in Neufahrn angefahren worden war, lag danach auf der Straße, ein anderer Autofahrer fuhr drüber und meldete das der Polizei. Deshalb landete die Angelegenheit als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr am Freisinger Amtsgericht. Der Beschuldigte, der an jenem Morgen im März als Erster mit dem Reh kollidierte, war sich keiner Schuld bewusst und legte Einspruch gegen einen Strafbefehl ein, der ihm zugestellt worden war. In der daraus resultierenden Verhandlung am Amtsgericht stellte Richterin Tanja Weihönig das Verfahren ein.

In der Anklage wurde dem 41-jährigen Paketzusteller aus Eching zur Last gelegt, er sei mit dem Reh zusammengestoßen, habe die Unfallstelle nicht gesichert und sei einfach weitergefahren. Daraufhin sei später ein 31-jähriger Autofahrer aus Neufahrn mit dem Tierkadaver kollidiert, wodurch an seinem Fahrzeug ein Schaden von mehr als 2000 Euro entstanden sei. Durch das Zurücklassen des Rehs habe der Beschuldigte ein Hindernis geschaffen, was als fahrlässiger gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zu werten sei.

Der Verteidiger des Angeklagten stellte die Sache ganz anders dar. "Das Reh kommt von rechts auf die Straße, mein Mandant fährt es an und das Reh verschwindet wieder", so der Anwalt. "Dass das Reh auf der Straße gelegen hätte, ist eine Theorie zu Lasten meines Mandanten. Es muss sich hinterher wieder auf die Straße geschleppt haben - ganz einfach."

Der 41-jährige Paketfahrer, der damals mit seinem Kleintransporter unterwegs in die Arbeit war, sagte in der Verhandlung, er habe nach dem Unfall das Reh nirgends liegen sehen und seinen Chef angerufen. "Er hat gesagt, wenn das Reh nicht auf der Straße liegt, muss du nicht die Polizei anrufen." Er berichtete zum Unfall selbst, vor ihm sei plötzlich "eine Gruppe mit sechs oder sieben Rehen über die Straße gelaufen - und eines ist stehen geblieben". Mit diesem sei er dann kollidiert.

Der 31-jährige Zeuge erzählte der Richterin, er sei, ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit, an der Unfallstelle vorbei gekommen. "Plötzlich lag etwas vor mir auf der Straße, aber mir ist ein Auto entgegengekommen, deshalb konnte ich nicht ausweichen und bin drüber gerumpelt", sagte er. Als er ausgestiegen sei, habe er gesehen, dass es ein Reh war. Das Tier sei mitten auf der Fahrbahn gelegen. Danach rief er bei der Polizei an und zog auf deren Bitte hin das Tier von der Fahrbahn, damit nicht noch ein Unfall passiert.

An der Unfallstelle, so der Zeuge, habe er ein Kennzeichen mit Tierhaaren gefunden, das er dann anschließend zur Polizei gebracht habe. Es war das vom Wagen des Angeklagten. Den entstandenen Schaden an seinem Auto in Höhe von rund 2000 Euro habe er richten lassen, so der Zeuge. Den Großteil davon habe die Versicherung übernommen, aufgrund der Selbstbeteiligung sei er aber auf 250 Euro selbst sitzen geblieben.

Der Zeuge hatte mit seinem Handy auch Fotos vom Unfallort samt Reh gemacht, die er der Richterin in der Verhandlung zeigte. Nach Ansicht der Bilder stellte sie mit Einverständnis der Staatsanwältin und des Verteidigers das Verfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung ein, "weil das Reh jetzt nicht so das große Hindernis war".

© SZ vom 31.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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