Priestermangel:Alles Teamarbeit

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Das Erzbistum will bei der Leitung von Pfarreien ehrenamtlichen Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen

Von Gudrun Regelein, Freising

Im Erzbistum München und Freising sollen von Herbst dieses Jahres an neue Modelle zur Leitung von Pfarreien erprobt werden. In drei Pilotprojekten werden Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen die Verantwortung übernehmen. Mit dabei ist ein Priester, ein Hauptamtlicher und - das ist neu - daneben auch ein oder mehrere Ehrenamtlich; aber "keiner ist der Chef", sagte Kardinal Reinhard Marx bei einer Pressekonferenz vergangene Woche in München. Er selbst spricht von einem Umbruch.

Auch der Freisinger Weihbischof Bernhard Haßlberger, der das Projekt des Erzbistums in einer Arbeitsgruppe mitentwickelte, sieht "diese Entwicklung sehr positiv". Die neuen Leitungsteams seien wichtig, um das "pfarrliche Glaubensleben vor Ort" zu erhalten, betont er. Weil die Zahl der geweihten Priester zunehmend sinke, wurden in den vergangenen Jahre zunehmend Pfarreien zu Verbänden zusammengelegt. Es gebe aber Grenzen, diese wolle man nicht noch größer gestalten. Zudem wolle man gerade die Priester in großen Verbänden von Management- und Verwaltungsaufgaben entlasten, um ihnen mehr Raum für die Seelsorge, die sich immer komplizierter und reichhaltiger gestalte, zu geben. Zwar würden auch schon jetzt viele Ehrenamtliche kompetent in den Gemeinden mitarbeiten - aber bislang noch nicht in Leitungsfunktionen. Das soll sich nun ändern. "Bei den Ehrenamtlichen gibt es noch ein großes Potenzial", betont Haßlberger. Die Mitarbeit der Ehrenamtlichen aber sei freiwillig, man wolle den Einzelnen nicht überlasten.

In jeder Region sei ein Pilotprojekt geplant, berichtet der Weihbischof. "Wir wollen nicht Tabula rasa machen, sondern dort, wo es sich anbietet, das neue Modell ein oder zwei Jahre lang ausprobieren." Noch gebe es viele Unwägbarkeiten, sagt Haßlberger. "Wir müssen uns anschauen, wie es sich entwickelt und wahrscheinlich manches neu justieren müssen." In der katholischen Kirche würden schon jetzt viele die neuen Leitungsteams positiv bewerten - wenn auch manche Traditionalisten, die den Priester als alleinigen Vertreter der Kirche betrachten, noch kritisch seien. Er zumindest ist sich sicher, dass das kirchliche Glaubensleben durch die neuen Teams gestärkt und vielfältiger werde, sagt Haßlberger. "Das ist ein Prozess, in dem wir uns befinden." Die Gesellschaft wandele sich, die Menschen veränderten sich - auch die Kirche müsse auf den Wandel der Zeit reagieren, sagt der Weihbischof. "Wir sind da vielleicht ein bisschen verwöhnt. Bislang sind wir gewöhnt, dass jedes Dorf seinen eigenen Pfarrer hat. Diese Zeiten sind aber vorbei."

Freisings Stadtpfarrer Peter Lederer, Leiter des Pfarrverbandes Sankt Korbinian, dagegen ist noch nicht ganz überzeugt von dem neuen Führungsmodell: Er habe noch Zweifel, wie ein Team, in dem niemand die letzte Verantwortung trage, funktionieren könne. "Da bin ich mir noch unsicher, wie das dann bei Unstimmigkeiten gehen soll." Die Idee des "Kümmerers" aber findet er sehr positiv. Auch bislang gab es diese Ehrenamtlichen bereits, die in den Pfarreien ganz selbstverständlich mitgeholfen hätten. Dass diese nun einen stärkeren offiziellen Charakter bekämen, diene der Rollensicherheit des Einzelnen, sagt Lederer.

Auch Axel Windecker von St. Lantpert ist der Meinung, dass Priester zukünftig in ihrer Leitungsfunktion Unterstützung bekommen müssen. Grundsätzlich spreche auch nichts dagegen, Laien Leitungsaufgaben zu übertragen: "Ich bin offen für diese Entscheidung". Allerdings müssten die Kompetenzen geklärt sein und der Seelsorger müsse noch Zeit für die Seelsorge haben; er dürfe nicht durch zeitaufwendige Verwaltungsaufgaben gebunden werden. "Die Pfarrverbände werden immer größer, aber wenn - aus Priestermangel - keine Seelsorge mehr stattfinden kann, dann hilft das den Menschen vor Ort auch nicht", sagt der Pfarrer. Für Windecker ist ein Umdenken notwendig: Nicht nur bei den Amtsträgern, sagt er, sondern auch bei den Gläubigen: "Wenn in der Kirche im Dorf kein Gottesdienst mehr gefeiert werden kann, dann muss man sich in sein Auto setzen und zur Messe in den nächsten Ort fahren."

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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