Parkour in Neufahrn:Springen und kriechen

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Eingefleischte Fans des Trends treffen sich regelmäßig am Bahnhof zum Training und springen über Hindernisse aller Art. Das Projekt wird von Streetworkerin Miriam Rasp unterstützt.

Birgit Grundner

- Parkour ist nichts für Weicheier. Zum Beispiel die Sicherheitsrolle: Daniel (19) springt von einer Mauer in der Bahnunterführung, lässt sich unmittelbar nach der Landung fallen und rollt sich seitlich ab auf einem Boden, der alles andere als sauber aussieht. Vom Geruch ganz zu schweigen. "Für so was gibt es Waschmaschinen", sagt Daniel ungerührt.

Wenige Minuten später kriechen er und seine Freunde auf allen Vieren die Treppe hinunter - und gleich danach rückwärts wieder hinauf. Danach springen sie leicht hopsend die Stufen einzeln hinunter, für den Rückweg nehmen sie immer mehrere Stufen auf einmal, gesprungen wird aus dem Stand heraus. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die von zufällig vorbeikommenden Passanten mit einem etwas missbilligenden Kopfschütteln kommentiert wird. Stehen geblieben sind sie nicht, wie vielen anderen ist ihnen das unerklärliche Treiben ganz offensichtlich ein bisschen unheimlich.

Dabei ist Parkour eine durchaus ernstzunehmende Angelegenheit: Es ist "die Kunst der effizienten Fortbewegung ohne jegliche Hilfsmittel". Es geht darum, möglichst schnell und auf kürzestem Weg von einem Punkt zum anderen zu kommen und die vorhandenen Hindernisse dabei sicher und kontrolliert zu überwinden, ohne sie zu verändern.

Papierkörbe, Bänke, Betonsockel Zäune, Mauern, Bäume oder auch Fahrradständer können das zum Beispiel sein. Manchmal reagieren Passanten regelrecht unfreundlich, "sie denken, wir machen was kaputt", weiß Nico (19), und Verena (17) fügt schnell hinzu: "Aber das ist nicht so." Ganz im Gegenteil. Schäden sollen ausdrücklich verhindert werden. Notfalls hilft auch Streetworkerin Miriam Rasp bei der Aufklärung. Sie ist immer dabei, wenn sich die "Traceure" montags um 17 Uhr am Bahnhof-Taxistand treffen und von "Spot" zu "Spot" ziehen. Denn das Parkour-Training gehört seit einigen Jahren zum Angebot der mobilen Sozialhilfe.

Inzwischen gibt es eine richtige Parkour-Community in Neufahrn, manchmal kommen über 20 Teilnehmer aus Neufahrn und Umgebung, viele tragen Sweatshirts mit eigens gestaltetem Schriftzug zu ihren Jogginghosen. "Ich mache schon seit drei Jahren regelmäßig mit", erzählt Philipp (18), der Parkour wie die anderen nicht nur als Sport schätzt. "Das Gemeinschaftsgefühl ist hier besonders stark", berichtet er.

Das heißt aber nicht, dass sich die Community als geschlossener Zirkel versteht. Es können jederzeit neue Interessenten dazu stoßen. Parkour ist geeignet für "jede Altersgruppe, jede Schicht und jedes Geschlecht", und "es kostet nix", betont Coach Daniel. Der jetzige Workshop wird nicht mehr wie früher von Parkour München, sondern erstmals von "Eigengewächsen" des Neufahrner Projekts selbst geleitet - auch das zeigt, wie gut sich Parkour im Ort etabliert hat.

Aufwärmen, Grundlagen- und Krafttraining sowie Sicherheitstechnik-Übungen gehören zum festen Programm. "Am Anfang hat man einen Riesen-Muskelkater", erzählen alle übereinstimmend. Aber dafür würden sich auch "relativ schnell Erfolge" einstellen. Die Fitness zu verbessern, ist freilich nur die eine Sache. Zum anderen geht es auch um eine Philosophie und die Lebenseinstellung, betonen die jungen Leute.

Das macht Parkour auch aus Sicht der Streetworkerin so interessant: "Die Teilnehmer lernen, ihre Grenzen zu erkennen und zu überwinden", erklärt Miriam Rasp, und das soll und kann sich auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Außerdem soll Parkour den respektvollen Umgang mit der Umgebung fördern. Die jungen Leute werden wohl kaum noch etwas auf den Boden werfen oder gar spucken, wenn sie dort anschließend selbst "herumkriechen", wie Miriam Rasp feststellt. Wer glaubt, dem Parkour-Training gewachsen zu sein und auch einmal mitmachen möchte, kann einfach zum wöchentlichen Treffpunkt am Taxi-Stand kommen oder sich an Miriam Rasp wenden (Handy: 01 51/15 16 64 30).

Über Stock und Stein springen Deni, Daniel, Fabian, Nico, Verena und Marco (von links) beim Parkour-Training am Neufahrner Bahnhof. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die von Passanten nicht immer verstanden wird. (Foto: Marco Einfeldt)
© SZ vom 15.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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