Ortszentrum im Wandel:Das Haus vom Kornschorsch ist weg

Lesezeit: 2 min

18 moderne Wohnungen entstehen derzeit an der Hauptstraße. Das Geschäftshaus, das abgerissen wurde, beherbergte den ersten Telefonapparat in Eching. (Foto: Lukas Barth)

In der Echinger Hauptstraße ist ein Geschäftsgebäude abgerissen worden, Wohnungen sollen entstehen. Der Gemeindearchivar hat jetzt das komplexe Verwandtschaftsgeflecht der früheren Bewohner rekonstruiert. Immerhin befand sich in dem Haus Echings erstes Telefon

Von Klaus Bachhuber, Eching

Alles ist im Wandel, auch das Echinger Ortszentrum. Jetzt ist das Geschäftshaus an der Bahnhofstraße 12 abgerissen worden, ein örtlicher Bauträger erstellt dort eine Wohnanlage mit 18 Einheiten. In früheren Zeiten waren in dem Gebäude eine Zimmerei, dazwischen mal eine Kneipe, später zwei Bäckereien, ein Schuhgeschäft und zuletzt ein Pizza-Service, dazu im Obergeschoss eine Krankengymnastikpraxis und Wohnungen.

Dabei hatte das Haus an der Bahnhofstraße eine durchaus wechselvolle Geschichte erlebt, nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel war hier das erste Telefon Echings angeschlossen. Das Anwesen selbst stammte aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und war über eine verwinkelte Familiengeschichte mit dem vor Jahren abgebrochenen Nachbarhaus verbunden. Um 1900 führte die Bahnhofstraße noch nach Günzenhausen, und Eching war kurz vor dem heutigen Grasslhaus zu Ende. Auf der Westseite stand lediglich etwas außerhalb noch das sogenannte Korn-Anwesen, benannt nach einer Familie pfälzischer Religionsflüchtlinge, die sich um 1850 in Eching niedergelassen hatten. Heute ist hier der "Norma"-Markt, 1900 aber war das "Korn"-Anwesen von der Familie Pflügler bewohnt. Auf einem Acker daneben baute dann der Lehrer Franz Xaver Katzenmüller ein Haus für seine Tochter Philomena, die den Nachbarssohn, Georg Pflügler, heiratete. Dieses Haus hatte in der Neuzeit die Hausnummer Bahnhofstraße 10. Das Paar bekam einen Sohn, Georg. Ehemann Georg Senior starb 1924, worauf Philomena Katzenmüller, verwitwete Pflügler, den Bruder ihres verstorbenen Ehemannes heiratete, Ludwig Pflügler. Als Sohn Georg aus erster Ehe heiratete, übernahm er 1929 mit seiner Ehefrau Rosa das Anwesen, Philomena und Ludwig Pflügler zogen nebenan in Nummer 12, das Haus, das jüngst abgerissen wurde.

Selbst die penibel korrekten Akten des langjährigen Gemeindearchivars Georg Kollmannsberger konnten den verwinkelten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Hausnummer 10 und 12 nicht immer stringent folgen. Jetzt aber hat Gemeindearchivar Günter Lammel mit Unterstützung diverser Nachkommen der Familien die Zusammenhänge rekonstruiert. Vollends verwirrend wurde es, als das Ehepaar Ludwig und Philomena Pflügler im Haus Nummer 12 den kleinen Sohn Georg aus dem Haus Nummer 10 annahmen und aufzogen, Philomenas Enkel, der Sohn ihres Sohnes Georg aus erster Ehe. Das Kind war krank, und die Großeltern pflegten und adoptierten es, weil ihre Ehe kinderlos blieb.

So gehörte Haus Nummer 10 nun dem Sohn Philomenas aus erster Ehe und Haus Nummer 12 dem Enkel Philomenas aus erster Ehe und gleichzeitig adoptierten Sohn in zweiter Ehe, die, wie der Opa, alle Georg hießen. Der hatte dem Anwesen Hausnummer 10 einst auch den Hausnamen "Kornschorsch" gegeben, der gelegentlich aber auch auf Nummer 12 angewendet wurde. Der "Kornlucki" war dagegen wohl kein Hausname, sondern der Rufname für Ludwig Pflügler in der ersten Generation. Philomena Pflügler übrigens war es, die in Haus Nummer 12 den ersten Telefonanschluss Echings hatte, der seinerzeit vom gesamten Ort genutzt wurde. Philomena starb 1966.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: