Superfood Hanf:Bei Vollmond wird geerntet

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Die Dokumentationspflicht beim Hanfanbau in Deurtschland ist sehr streng - eine Saatgutliste gibt genau vor, welches Saatgut verwendet werden darf. Berauschen soll sich niemand. (Foto: picture alliance / dpa)

Die Food for Life GmbH baut in Unterappersdorf ohne Kunstdünger und Pestizide Hanf als Speisepflanze an. Ihre Produkte wie Tee, Hanföl oder Hanfproteine werden über das Internet verkauft. Berauschend sind sie nicht.

Von Marlene Krusemark, Zolling

Noch sieht er aus wie jeder andere vier Hektar große Acker. Doch schon bald werden sich die ersten Triebe zeigen, die den einen oder anderen in Staunen versetzen könnten. In Zolling-Unterappersdorf sprießen diesen Sommer bereits im zweiten Jahr Hanfpflanzen.

Dass man daraus Falsches schließen könnte, ergibt sich von selbst. "Überraschenderweise hat im vergangenen Jahr aber niemand das Feld geplündert, weil er dachte, die Pflanzen hätten eine berauschende Wirkung", lacht Michael Kutzob, Geschäftsführer der Food for Life GmbH. Damit wären die Diebe auch nicht erfolgreich gewesen, mehr als 0,2 Prozent THC dürfen die Pflanzen nämlich nicht enthalten. Das reicht nicht für einen Rausch. Sie dienen vielmehr der Herstellung von Speisehanf unter der Marke "Mondhanf", gegründet von Agraringenieur Kutzob und Umweltsicherungsingenieur Christian Schmid. "Hanfanbau ist unsere Leidenschaft", heißt es auf ihrer Website.

Ihr Anliegen ist, mit Hilfe der vielseitig verwertbaren Pflanze ohne Kunstdünger und Pestizide im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft gesunde Lebensmittel herzustellen. "Hanf ist eine robuste Pflanze, die sich gut für den Ökolandbau eignet. Sie wurzelt tief und lockert den Boden auf. Der wird so belüftet und es lässt sich ein Mehrertrag erzielen", erklärt Schmid. Hanf als nachwachsender Rohstoff verursache außerdem wenig Treibhausgase und wirke sich dadurch positiv auf das Klima aus.

Bei ihrer Arbeit geht es den beiden darum, Hanf als Kulturpflanze in Deutschland wieder zu etablieren. Viele auf Hanfbasis hergestellte Produkte würden aktuell noch aus dem Ausland importiert, argumentieren sie. Die Food for Life GmbH bemühe sich um eine regionale Lösung. "Früher war Hanf auch bei uns eine wichtige Kulturpflanze, die nach dem Zweiten Weltkrieg aber in Vergessenheit geriet, natürlich auch aufgrund der Prohibition", so Schmid. Lange Zeit wurde der Anbau von Hanf strafrechtlich verfolgt. Seit 1996 ist er in Deutschland wieder legal, wird aber nur in kleinem Maßstab praktiziert.

Die ursprüngliche Idee zu Food for Life kam Michael Kutzob auf einer Reise durch Südafrika. "Dort werden Hanfprodukte an jeder Straßenecke angeboten, der Anbau funktioniert ziemlich problemlos. Nicht wie hier, wo du, bevor du ein Korn in den Boden bringst, erst mal 25 Auflagen erfüllen musst." Die Dokumentationspflicht beim Hanfanbau sei sehr streng - eine Saatgutliste gebe genau vor, welches Saatgut verwendet werden darf, schildert er. "Die Säcke tragen Etiketten, alles muss rückverfolgbar sein." Sobald eine Pflanze blüht, muss das dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeldet werden. Dieses prüft dann, ob der maximal erlaubte THC-Gehalt von 0,2 Prozent nicht überschritten ist - die Werte können sich nämlich beim Wachsen der Pflanze verändern. Deshalb wurden schon zwei Sorten aus der Saatgutliste gestrichen.

Bei der Ernte ergibt sich außerdem eine technische Schwierigkeit: Die Faser sei so robust, dass sie auch große Maschinen zum Stillstand bringen könne, so Kutzob. "Im Worst Case kann dabei sogar eine Maschine in Flammen aufgehen." Deshalb erntet der beauftragte Biowirt gerade nur die Körner. Dabei richtet er sich nach den Mondphasen. Gesät wird bei zunehmendem Mond, bei Vollmond wird der Tee geerntet. "Das macht er nicht aus Mystik, sondern aus Erfahrung", erklärt Schmid - die Ernte werde einfach besser, wenn man sich nach dem Mondkalender richte. Kutzob und Schmid haben 2016 auch selber Hand angelegt: "Die Blätter für den Tee haben wir in viel Heimarbeit mit Freunden und Familie am Küchentisch getrocknet."

Außer dem Tee, der beruhigend, stimmungsaufhellend und krampflösend wirken soll, verkaufen die beiden über ihre Website "Mondhanf" auch Hanfblattpulver, Hanföl und Hanfproteine. Die Produkte enthalten Kalzium, Magnesium, Eisen, Omega-Fettsäuren: "Hanf kann ein richtiges Superfood werden", denkt Schmid. In Zukunft wollen die beiden ihre Produktpalette erweitern. Ziel sei auch, die Wahrnehmung bezüglich der Hanfpflanze zu beeinflussen, über die Vorteile des Rohstoffes aufzuklären und mit Fehlinformationen aufzuräumen: Viele Marktbesucher würden einen Bogen um ihren Stand machen, weil sie Hanf noch immer ausschließlich mit Drogen und Rausch assoziieren - oder fragen, ob das Speisehanf nun wie medizinisches Cannabis gegen Schmerzen helfe.

Darüber hinaus wäre wünschenswert, dass sich der Anbau bald auch ökonomisch und nicht nur umweltschutztechnisch rentiere, sagt Schmid. "Auch im zweiten Jahr werden wir wohl noch nicht auf Null kommen bei all den Investitionen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen mehr Geld für gutes Essen ausgeben und würdigen, wie viel Arbeit in fairer Lebensmittelproduktion steckt." Ein anderes Ziel erreichen sie dagegen schon bald: Wenn Kutzob und Schmid drei Jahre lang ökologisch gewirtschaftet haben, dürfen sie die "Mondhanf"-Produkte mit dem begehrten Bio-Siegel schmücken.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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