Neufahrn:Dumm gelaufen

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Amtsrichterin verurteilt verhinderten Reifendieb zu einer Geldstrafe von 900 Euro

Von Alexander Kappen, Neufahrn

Es hörte sich eigentlich ganz unverfänglich an. Onkel und Neffe parken ihr Auto an einem Tag im Oktober 2014 in einer Tiefgarage am Neufahrner Marktplatz, um ein wenig spazieren zu gehen. Als sie zurückkommen und wegfahren wollen, muss der Neffe ganz dringend Pipi, weshalb er seine Notdurft kurzerhand an der Wand eines abgetrennten, privaten Garagenabteils verrichten will. Ausgerechnet da kommt ein Zeuge des Weges, der die Familienzusammenkunft an der Garagenwand offenbar als Einbruchsversuch missinterpretiert und die Polizei ruft. So jedenfalls schilderte es der heute 45-jährige Onkel in der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht als Zeuge.

Nur zehn Minuten später gab der Angeklagte, der 23-jährige Neffe, nach einem Verständigungsgespräch zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft jedoch zu, dass er seinerzeit Autoreifen aus dem Garagenabteil habe stehlen wollen. Richterin Karin Mey verurteilte den nicht vorbestraften, derzeit arbeitslosen Kraftfahrer daraufhin wegen versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro. Mehr als die 900 Euro seien dem jungen Mann, der wie sein Onkel aus dem bulgarischen Sofia stammt und auch dort wohnt, unter den dortigen Begebenheiten nicht zumutbar.

Warum sich der Angeklagte und sein Onkel, ein Maschinenbau-Ingenieur, zur Tatzeit in Neufahrn aufhielten, wurde in der Verhandlung nicht geklärt. Der Ingenieur, gegen den ein gesondertes Verfahren lief, deutete als Zeuge jedoch an, dass er - offenbar mit internationalen Partnern - regelmäßig mit Autoreifen handele, die er an- und verkaufe. Er arbeite auch mit führenden Hotels in Bulgarien zusammen. "Wir haben nichts gegen das Gesetz getan", so der 45-Jährige.

Ein Zeuge gab bei der Polizei jedoch an, der Angeklagte habe sich an jenem Tag im Oktober 2014 vor einer 30 bis 40 Zentimeter großen Öffnung, die sich zwischen der Wand des besagten Garagenabteils und der Decke befindet, herabgelassen. "Das spricht nicht dafür, dass er an der Wand gepinkelt hat", bemerkte die Richterin. Nach Angaben des Onkels wiederum war der Zeuge "betrunken und wahrscheinlich unter Drogen. Er hat meinen Neffen beim Pinkeln erschreckt und dann die Polizei gerufen." Als diese ankam, stand der Kleinwagen des Ingenieurs mit geöffnetem Kofferraum vor dem Garagenabteil.

In dem Abteil befanden sich nach Auskunft des Besitzers zwei Motorräder und ein Satz Autoreifen im Wert von 1500 bis 1800 Euro. Gefehlt habe nichts. Allerdings entdeckten die Polizisten beim Angeklagten einen Autoschlüssel für einen Kleintransporter. Der sei in Bulgarien und werde verkauft, sagten die Männer der Polizei. Wie ein Beamter der Inspektion Neufahrn in der Verhandlung berichtete, suchten die Polizisten am Tattag mit dem Funkschlüssel die Umgebung der Tiefgarage ab und konnten einen geparkten Transporter öffnen, in dem sich viele Autoreifen befanden. Ein Satz davon konnte einem Studenten aus Ismaning zugeordnet werden, der die Reifen als gestohlen gemeldet hatte.

Bei der Polizei legte der Onkel des Angeklagten ein paar Tage nach dem Vorfall in der Garage drei Quittungen über den Kauf von Autoreifen vor, die er von seinem Neffen bekommen hatte. Eine davon war offenbar echt, die beiden anderen wohl fingiert: Vermeintliche Verkäufer hätten bei der Befragung angegeben, noch nie Reifen verkauft oder Quittungen ausgestellt zu haben, sagte der sachbearbeitende Polizist dem Gericht. Einer habe lediglich seine Personalien samt Telefonnummer einmal einem Pizza-Service gegeben - bei dem der Angeklagte damals arbeitete. Die Anklage wegen Urkundenfälschung, die ebenfalls in dem Prozess im Raum stand, wurde im Zuge der Verständigung wegen Geringfügigkeit eingestellt.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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