Neues System:Anwohnerfreundlich

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Kranzberger Gemeinderäte können sich im Herbst für wiederkehrende Beiträge beim Straßenausbau entscheiden

Von Petra Schnirch, Kranzberg

Die Kranzberger hatten sich hartnäckig gewehrt, doch es half alles nichts. Zum 1. Dezember 2010 führten auch sie auf Druck von oben eine Straßenausbaubeitragssatzung ein, als letzte Gemeinde im Landkreis. Andernfalls hätten sie riskiert, dass ihnen eine Mustersatzung übergestülpt wird oder staatliche Zuschüsse nicht im gewohnten Umfang fließen. Anwenden mussten sie das Regelwerk bisher nicht, die Skepsis aber ist geblieben.

Anders als einer wohlhabenden Gemeinde wie Hallbergmoos wird es den Kranzbergern wohl nicht zugestanden, darauf zu verzichten, Anwohner beim Straßenbau oder -ausbau zur Kasse zu bitten. Im Herbst werden die Gemeinderäte aber entscheiden, ob sie anstelle hoher, einmaliger künftig sogenannte wiederkehrende Beiträge einfordern wollen. Seit April 2016 haben die Gemeinden auch in Bayern die Wahl. Vor- und Nachteile erläuterte Gerhard Wiens, ehemaliger Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht München, am Montag in einer Sondersitzung.

Meldungen, dass Grundstücksbesitzer mit Summen im höheren fünf- oder sogar im sechsstelligen Bereich belastet würden, schrecken Bürger und Kommunalpolitiker regelmäßig auf, ein Beispiel dafür ist der Kirchenpoint in Achering. Schreckensszenarien, wie sie mitunter durch die Medien geistern, dass arme Rentner wegen der Kosten für den Straßenausbau ihre Existenz verlören, weist Wiens aber ins Reich der Märchen zurück. So seien Ratenzahlungen möglich, Beiträge könnten sogar gestundet werden. Zudem könne jedermann eine Verrentung beantragen, unabhängig von seinem Vermögen, also die Streckung des zu zahlenden Betrags auf zehn Jahre.

Und trotzdem: Ein Rechenbeispiel Wiens zeigt, dass die wiederkehrenden Beiträge zumindest bei vom Straßenausbau unmittelbar Betroffenen überall Befürworter finden dürften. Mehrere Straßenzüge werden dabei zu einer Einheit zusammengefasst. Obwohl nur eine einzige Straße ausgebaut wird, müssen sich alle Anlieger in diesem Bereich an den Kosten beteiligen. Bei einem Investitionszeitraum von fünf Jahren kann sich die Belastung auf eine niedrige dreistellige Summe verringern: von einmalig 10 000 Euro, so ein Rechenbeispiel Wiens, bei zehn beteiligten Straßen auf insgesamt tausend Euro - und somit 200 Euro pro Jahr. Bei Ausbauten in der Nachbarschaft ist man anschließend allerdings auch wieder mit im Boot.

Für dieses Modell spricht laut Wiens der "Charme der niedrigen Beiträge". Zudem feilschen Anlieger erfahrungsgemäß nicht mehr lange, um einen Minimal-Ausbau durchzusetzen, notwendige Maßnahmen werden nicht aufgeschoben. Auch die Nachteile aber liegen für den Experten auf der Hand: Zahlen müssen auch die, deren Straßen (vorerst) nicht betroffen sind. Das Anspruchsdenken steigt, das zeigt sich in Rheinland-Pfalz. Dort gibt es die wiederkehrenden Beiträge seit 25 Jahren. Vor allem für die Verwaltung ist das Verfahren extrem aufwendig - und auch risikobehaftet. Denn beim Bilden der korrekten Einheiten gibt es laut Wiens Fallstricke, sie können nicht willkürlich zusammengestellt werden. Die Auswahl ist immer wieder ein Fall für die Gerichte. Trennend wirkende Bahnstrecken, Flüsse, breite Straßen, Gewerbe- und reine Wohngebiete können ebenso wenig zusammengeschraubt werden wie ein historischer Ortskern und ein Neubaugebiet. Teurer wird es langfristig für Anlieger von Durchgangsstraßen, sie zahlen bisher nur für Gehwege und Beleuchtung, gehören dann aber ebenfalls einer Einheit an.

Für Kranzberg und seine Ortsteile wären wohl bis zu acht Einheiten erforderlich, glaubt Geschäftsleiter Klaus Burgstaller. Eine Diskussion im Gemeinderat schob Wiens bewusst auf. Jeder solle sich die Argumente durch den Kopf gehen lassen, riet er. Für jedes der beiden Modelle gebe es gute Gründe. In Rheinland-Pfalz haben sich übrigens viele, aber bei weitem nicht alle Gemeinden für wiederkehrende Beiträge entschieden: 41 Prozent haben sie eingeführt.

Weitere Informationen zu dem Thema bietet Gerhard Wiens auch auf seiner Homepage an: www.erschliessungsbeitragsrecht.de

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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