Neues Projekt im Kreis Freising:Mehr Nähe am Lebensende

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Das Projekt "Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim" will mit speziell geschulten Kräften die Versorgung von schwerkranken Menschen in stationären Einrichtungen verbessern

Von Gudrun Regelein, Freising

Sie sei "Feuer und Flamme", sagte Anita Meinelt. "Ich bin so begeistert, dass ich gestern noch spontan Mitglied im Hospizverein geworden bin." Was bei der stellvertretenden Landrätin diese Begeisterung auslöste, ist das Projekt "Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim" (ZIB), das seit November auch im Landkreis Freising läuft. Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Versorgung von schwerkranken, sterbenden Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen.

Immer mehr Menschen verbringen die letzte Phase ihres Lebens in stationären Pflegeheimen, momentan seien es bereits 30 Prozent, berichtete Anne Rademacher, Geschäftsführerin der Paula-Kubitscheck-Vogel-Stiftung, bei der Vorstellung des Projekts. Diese Zahl werde in den kommenden Jahren aber noch deutlich steigen. "Die Heimbewohner sind älter, kränker und die Verweildauer ist länger. Die Herausforderung wird immer größer", sagte sie. Am Lebensende entstehe ein erhöhter Betreuungsbedarf, so brauche mehr Zeit für die Nahrungsaufnahmen, die Pflege - und für Gespräche, Nähe. Mit dem Stellenschlüssel für Heime könne das nicht geleistet werden, dafür fehle den Pflegekräften die Zeit. Ausgebildete ZIP-Kräfte sollen das nun übernehmen, erste, sehr positive Erfahrungen wurden bereits in einem Modellprojekt in den Jahren 2018 und 2019 gesammelt. Dann kam die Corona-Krise - aber nun soll es weitergehen und die Idee in ganz Bayern verbreitet werden.

ZIB biete mehr Sicherheit und Ruhe: für Menschen in der letzten Lebensphase und für deren Angehörige. "Aber auch für die Pflegekräfte ist es wohltuend, diese Zeit zu haben, sie fühlen sich in ihrer Arbeit dadurch wertgeschätzt", sagte Rademacher. Begleitet wird das Projekt durch eine vom bayerischen Gesundheitsministerium geförderte wissenschaftliche Studie, die über den Bedarf, die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit Auskunft geben soll.

Im Landkreis Freising wird das Konzept zunächst begrenzt auf ein Jahr in vier Pflegeeinrichtungen umgesetzt. Das sind neben dem AWO-Seniorenpark Moosburg, der Seniorenpark Schönblick in Nandlstadt, das Vitalis Seniorenzentrum St. Martin in Marzling und das Vitalis Seniorenzentrum Corbinian in Freising. Insgesamt gibt es neben dem Landkreis weitere sieben Projektregionen, unter anderem ist auch Landshut dabei. Die Finanzierung läuft über die Paula-Kubitscheck-Vogel-Stiftung und die Stiftung Zukunft Mensch.

Die ZIB-Kräfte sind Pflegefachkräfte aus den Heimen, die eine spezielle Ausbildung bekommen haben. Von jedem der vier beteiligten Heime sind es zwei Kräfte, die zusätzlich zu ihrer Anstellung für das Ambulante Palliativ-Team Freising tätig werden. 20 Stunden im Monat kann jede Kraft sich nur um die schwerkranken Menschen kümmern. Zudem stellt das Pflegeheim eine Fachkraft für weitere zehn Stunden im Monat frei - insgesamt sind es also 50 Stunden "geschützte Zeit", die ausdrücklich für die palliative Betreuung zur Verfügung steht.

"Es ist oft so wenig, was sehr viel bedeuten kann", sagte Petra Waldhör, Koordinatorin des Ambulanten Palliativ-Teams Freising. Das Ambulante Palliativteam Freising und die Hospizgruppe Freising sind die lokalen Träger des bayernweiten Modellprojekts. Große Themen bei sterbenden Menschen seien die Angst und die Schmerzen, berichtete eine ZIB-Kraft. Das Einzige, was in ihrem normalen Arbeitsalltag fehle, sei die Zeit für Gespräche, Zeit zum Zuhören, Zeit für palliative Betreuung - diese werde ihr durch das Projekt nun gegeben. "Ich hoffe, dass das etwas anstößt."

Sie sei selber seit 16 Jahren als Hospizbegleiterin tätig, berichtete Marianne Folger, Vorsitzende der Hospizgruppe Freising. "Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, dass sich Menschen um Menschen kümmern können." Menschen am Lebensende sollten sich geborgen fühlen, was man ihnen schenken könne, sei Zeit. Die Hospizbewegung sei in der Region zwar gut etabliert, "wir sind vernetzt." Neben der Hospizgruppe gebe es das Ambulante Palliativ-Team Freising und die und die Palliativstation am Klinikum Freising.

Dennoch stelle ZIB einen Meilenstein dar, denn nun seien auch die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte Teil der Hospizkultur. "Ich bin sehr dankbar um dieses Projekt", betonte Folger. "Jedes Heim braucht diese speziell ausgebildeten Kräfte." Zumindest nach dem Willen der stellvertretenden Freisinger Landrätin Anita Meinelt wird das auch so sein: Als Gesundheitsregion plus werde man auch nach dem Ende des Modellprojekts sicher einen Weg finden, ZIB weiterzuführen, sagte sie.

© SZ vom 16.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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