Nach Gefühl:Die Brotzeit-Expertin

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Die 95-jährige Genoveva Lehmann aus Neufahrn weiß, was einen guten Obazdn ausmacht. (Foto: L. Barth)

Genoveva Lehmann aus Neufahrn kennt das lange geheim gehaltene Rezept für den Freisinger Obazdn aus erster Hand

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Als sie geboren wurde, war Neufahrn noch ein kleines Bauerndorf mit knapp 1000 Einwohnern, und wer damals neu dazu stieß, kam in der Regel direkt in Neufahrn auf die Welt. Die mittlerweile älteste gebürtige Neufahrnerin ist Genoveva Lehmann. Vor kurzem hat sie ihren 95. Geburtstag gefeiert. Als Dritter Bürgermeister Thomas Seidenberger zum Gratulieren kam, gab es Nusszopf und Apfelkuchen. Es hätte auch eine bayerische Brotzeit sein können. Denn Genoveva Lehmann kennt das lange geheim gehaltene Originalrezept für den Freisinger Obazdn noch aus erster Hand.

Als junge Frau, nach der Ausbildung an der Hauswirtschaftsschule und lange vor ihrer Tätigkeit als Näherin in Lohhof, hatte sie im Haushalt einer wohlhabenden Freisinger Familie gearbeitet, die wiederum regelmäßig im "Weihenstephaner Bräustüberl" zu Gast war. Eines Tages brachte ihre Chefin das Rezept für den Obazdn mit. Irgendwie hatte sie es der angeblichen "Erfinderin" Katharina Eisenreich abgeluchst, obwohl diese es nie verraten wollte. Damit es niemand herausfindet, soll die Wirtin vor der Zubereitung sogar die Küchentür abgesperrt haben. "Aber meine Chefin ist ja überall reingekommen", hat Genoveva Lehmann einmal schmunzelnd erzählt: "Eines Tages hat sie mir das Rezept dann gesagt, und seitdem mache ich den Obazdn so." Den Camembert zerdrücken, Butter reingeben, außerdem Paprika, Salz, Pfeffer und fein geschnittene Zwiebel - "das ist alles", sagt die Neufahrnerin. "Man muss es nach Gefühl machen."

Mittlerweile kann man das "Urrezept" im Internet nachlesen, und Genoveva Lehmann hat nie ein großes Geheimnis daraus gemacht. Als der Singkreis beim Bürgerfest noch einen Stand hatte, schlug sie einmal vor, dort Obazdn anzubieten. "Ganze Massen" wurden zubereitet: "Beim ersten Mal haben wir fast nicht genug Käse hergebracht, so begeistert waren die Leute." Der Singkreis war viele Jahre "ihr" Verein, das Singen hat Genoveva Lehmann "immer wieder aufgebaut". Denn es gab viele Schicksalsschläge in ihrem Leben. Eines ihrer beiden Kinder starb als Baby, und auch ihren Sohn Otto hat sie bereits verloren. Seit mehr als 20 Jahren ist Genoveva Lehmann verwitwet. "Mein Leben war schwer", sagt sie, aber es habe auch viele schöne Seiten gehabt, eigentlich seien sie immer "eine lustige Familie" gewesen. Gerne erinnert sie sich an die Ausflüge mit ihrem Sohn auf dessen Hütte im Zillertal und an das Vereinsleben im Singkreis. Geleitet wurde dieser lange Zeit von ihrer Nachbarin und Verwandten Angelika Gegenfurtner, die sich heute noch um sie kümmert. Und begeistert erzählt Genoveva Lehmann von ihrer Enkelin, die gerade in den USA Hochzeit gefeiert und der Oma viele Fotos geschickt hat.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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