Mittenheim:Grünzeug für die Seele

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Das neue Gewächshaus des Projekts Landwerk hilft nicht nur beim Gemüseanbau. Auch Menschen in schwierigen Lebenslagen lernen hier, wieder in ein geregeltes Leben hinein zu wachsen.

Alexandra Vettori

Das Projekt Landwerk gibt es schon seit gut zwei Jahren am Hans-Scherer-Haus im Oberschleißheimer Ortsteil Mittenheim. Jetzt aber geht es richtig los: Seit zwei Wochen gibt es ein 700 Quadratmeter großes Gewächshaus. Künftig hat der Hofladen von Landwerk, bisher ein Geheimtipp für Liebhaber regionalen Biogemüses, ganzjährig offen: Montag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 18.30 Uhr.

Gärtnerin Bärbel Lorenz und Sozialpädagoge Raphael Mühlegger vom Projekt Landwerk betreuen die Mitarbeiter bei ihrem Weg zurück in einen geregelten Alltag. (Foto: Ulla Baumgart)

Landwerk produziert nicht nur auf drei Hektar Land frisches Biogemüse, sondern bietet auch Menschen in schwierigen Lebenslagen die Chance, sich an einen geregelten Alltag mit Arbeit anzunähern. Träger des Projektes ist der Katholische Männerfürsorgeverein München, der in Mittenheim auch das Hans-Scherer-Haus betreibt, eine suchttherapeutische Einrichtung für Männer, die obdachlos, alkoholkrank oder psychische und soziale Probleme haben.

Auch die 15 Mitarbeiter von Landwerk haben ähnliche Schwierigkeiten. Die meisten sind in therapeutischen Wohngruppen in und um München untergebracht und leben von öffentlicher Unterstützung. Bei Landwerk können sie sich nicht nur in das Berufsleben einfinden, sondern auch Geld dazuverdienen. Bis zu 15 Stunden pro Woche arbeiten sie hier. Betreut werden sie von dem Sozialpädagogen Raphael Mühlegger (33) und der Gärtnerin Bärbel Lorenz (27). Mühlegger weist die berufliche Idealqualifikation für diesen Job auf: Er hat nicht nur eine Landwirtschaftslehre absolviert, sondern auch ein Studium der Sozialpädagogik. "Ich habe immer hin- und hergeschwankt und dann nach der Lehre das Studium angehängt", erzählt er.

Für die meisten Klienten, wie man die Landwerk-Mitarbeiter nennt, hat die Arbeit mit dem Grünzeug schon therapeutische Wirkung. "Und man sieht sofort den Erfolg. Es wächst etwas", lautet Mühleggers Erklärung und er fügt noch ein Zitat von Nietzsche an: "Wir sind so gerne in der Natur, weil diese eine Meinung über uns hat." Die Klienten haben aber nicht nur auf den Feldern und dem Gewächshaus des drei Hektar großen Geländes zu tun, wo 50 Feldfrüchte, von Aubergine bis Beeren und Zucchini angebaut werden. Sie sind auch im Verkauf tätig - im Hofladen, der in einem alten Stadl untergebracht ist.

Für viele sei der Kundenkontakt ein willkommenes Betätigungsfeld, erklärt Mühlegger. "Sie haben oft viel Ausgrenzung erlebt, der Kontakt mit den Kunden gibt ihnen Selbstbewusstsein." Landwerk bietet jedem den Job, der ihm gerecht wird. Im Hofladen gibt es übrigens fast die gesamte Bioladen-Palette, von Müsli über Ketchup bis Saft. Das kauft Landwerk bei einem Großhändler, der Wert auf regionale Produkte legt.

Gärtnerin Bärbel Lorenz ist für das Gemüse zuständig und hat schon früher in integrativen Betrieben gearbeitet. "Man muss ein bisschen mehr erklären und öfter mal nachschauen", erklärt sie. Mit einem Problem allerdings muss sich das Landwerk-Team immer wieder herumschlagen. Die Arbeitskräfte kommen nicht so zuverlässig, wie es das Gemüse verlangt. Mit diesem Auf und Ab müsse man leben, sagt Mühlegger. "Das ist unser Geschäft."

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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