Mitten in Freising:Virenschutz statt Datenschutz

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Was die Pandemie alles aus den Angeln hebt und warum die Kinderkrankheit der erst zwei Jahre alten DSGVO Corona heißt

Kolumne von Thilo Schröder

Als Meilenstein des Datenschutzes wurde sie dereinst angekündigt: die europäische Datenschutzgrundverordnung, kurz: DSGVO. Wer als Unternehmen etwa gegen entsprechende Richtlinien verstößt, muss seit ihrem Inkrafttreten mit einer Millionenstrafe rechnen. Dieser Tage feiert die DSGVO ihr Zweijähriges. Und wie das bei Kleinkindern nun mal so ist, muss der ein oder andere Rückschlag in der Entwicklung verkraftet werden. Die Kinderkrankheit der DSGVO heißt Corona.

Wer zur Zeit einen Biergarten in Freising oder im Landkreis betreten will, gibt bekanntlich mehr oder weniger freiwillig, auf staatliche Infektionsschutzanordnung, persönliche Daten preis. So können im Falle einer auftretenden Infektion im Lokal die Kontaktpersonen leichter ermittelt werden. Alles relativ formlos. Da liest einem keiner zunächst 30-seitige AGB oder klein gedruckte Packungsbeilagen vor, deren Kenntnisnahme und Einhaltung dann per Unterschrift, Mausklick oder gar feuchtem Händedruck besiegelt werden. Eine Tracking-App könnte womöglich bald folgen. Aber ob die überhaupt reibungslos funktionieren würde bei eher mäßigem Mobilempfang im ländlichen Raum?

Dass bei der Kfz-Zulassungsstelle im Freisinger Landratsamt momentan keine Termine für An-, Ab- und Ummeldungen vergeben werden, hat durch die Datenschutz-Brille betrachtet zumindest etwas Gutes: Denn solange Bürger sich weder zu Fuß noch auf dem Radl ein Nummernschild umhängen müssen, sind sie für die Verkehrsüberwachung eher schwer zuzuordnen. Ein Grund mehr, beim diesjährigen (gem)einsamen Freisinger Radlsommer mitzumachen und ins Grüne zu strampeln, dorthin, wo keine Kameras hängen.

Für Datenschutzliebende beim Biergartenbesuch bleibt indes nur die Brotzeit to go, in Maske, Sonnenbrille und Schlapphut eingehüllt entgegengenommen, an einem unbeobachteten und handynetzfreien Ort verspeist. Da kann man ja gleich daheim bleiben, möchte man meinen. Am besten im Keller, hinter dicken Wänden, die vor digitalen und analogen Viren schützen. Aber das wäre der Gesundheit ja auf Dauer wiederum auch nicht zuträglich.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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