Gastronomie:"Es wird die Hölle"

Lesezeit: 4 min

Wie düster ist die Zukunft der Gastronomie? Viele Wirte sehen schwarz, wenn die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder auf 19 Prozent angehoben wird. (Foto: Johannes Simon)

Anfang 2024 soll die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent steigen. Das ist eigentlich keine Erhöhung, sondern ein Ende der Corona-bedingten Senkung. Die Wirte befürchten dennoch, dass es zu einem Überlebenskampf kommen wird.

Von Simon Kienzl und Gudrun Regelein, Freising / Erding

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern fürchtet bei einer Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer auf Speisen ein "Wirtesterben". Mehr als 2000 Betriebe würden wohl schließen müssen, falls statt wie derzeit sieben Prozent vom kommenden Jahr an wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, so die Sorge. Auch viele Gastronomen im Landkreis Freising und Erding denken, dass es zu einem Kampf ums Überleben kommen wird.

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie war während der Corona-Pandemie von 19 auf sieben Prozent verringert worden. Angesichts der Energiekrise wurde die Regelung bis Ende 2023 verlängert. Einen Antrag der Unionsfraktion für eine weitere Verlängerung lehnte die Regierungskoalition wegen der angespannten Haushaltslage aber ab.

Die Senkung hat tatsächlich viele Betriebe überleben lassen

Die Senkung habe geholfen, viele Kosten abzufangen, sagt Thierry Willems, Pächter vom Bräustüberl Weihenstephan in Freising. "Das hat die Gastronomie in der Krise überleben lassen." Aber die Umsätze hätten noch immer nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht - und er zahle seinem Personal inzwischen deutlich mehr Gehalt als früher, etwa 20 Prozent sind es. Dazu kommen Einkaufspreise, die deutlich nach oben geschnellt sind. "Jetzt kommen wir in die Bredouille."

Thierry Willems, Pächter vom Bräustüberl Weihenstephan in Freising, warnt vor sinkenden Umsätzen. (Foto: Marco Einfeldt)

Falls die Steuer tatsächlich um zwölf Prozent angehoben werde, müsse auch er seine Preise um zwölf Prozent erhöhen, sagt Willems. "Das müssen die Wirte komplett umlegen, es gibt keinen anderen Weg." Denn die Steuer bedeute keine Einnahme, das sei für ihn ein durchlaufender Posten. Dass Essengehen dann für viele zu einem fast unbezahlbaren Luxus wird, weiß auch Willems. Für eine fünfköpfige Familie koste das dann ein Vermögen. "Die Umsätze in der Gastronomie werden sinken", sagt er. Schon jetzt merke er, dass weniger konsumiert werde, der Getränkeanteil werde immer geringer. "Ich sehe die Zukunft für uns düster. Das wird ein schlimmer Kampf ums Überleben."

Preise werden um zwölf Prozent steigen

Auch Andreas Hörger, Inhaber des Gasthof Hörger in Kranzberg, hat sich schon Gedanken gemacht, wie es weitergehen wird. "Wir werden zwangsläufig die Preise um zwölf Prozent erhöhen müssen - und schauen, was dann passiert. Neben den gestiegenen Preisen für die Ware machten sich die von ihm um 25 Prozent erhöhten Personallöhne bemerkbar, sagt Hörger. "Bei den schwierigen Arbeitszeiten ist es eh nicht einfach, das notwendige Personal zu finden, außerdem müssen Löhne schließlich zum Leben ausreichen." Die Rekrutierung und Pflege des Personals sei für seine Frau und ihn mittlerweile trotzdem zur Hauptaufgabe geworden. "Inzwischen haben wir einen stabilen Personalstamm, der das schmeißt." Aber dafür tue man auch sehr viel.

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Eigentlich fände er es gerecht, wenn die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent bliebe, sagt Hörger. Beim Essen zum Mitnehmen in Supermärkten oder bei Lieferungen gelte ja auch dieser Satz. Nur bei der Gastronomie solle es anders laufen. "Es wird die Hölle, wenn die Erhöhung kommt." Er hoffe auf ein Einlenken der Politik, sagt Hörger.

Eine ganze Tradition steht auf dem Spiel

Das hofft auch die Pächterin vom Grünen Hof in Freising, Natasa Mavric. "Wir kämpfen dafür", sagt sie. Zumindest die SPD habe bereits signalisiert, dass sie sich auch dafür einsetzen wolle. Falls die Steuer aber wieder auf 19 Prozent erhöht werde, müssten auch die Preise erhöht werden. "Dann kostet ein Schnitzel auf einmal 30 Euro - und dann kommt niemand mehr." Das werde zu einem Wirtshaussterben führen, befürchtet Mavric. "Eine ganze Tradition wird verloren gehen, und das ist sehr, sehr schade."

Aber nicht nur für Restaurants und Wirtshäuser wird die Erhöhung zu einem Problem, wie Oktay Ardak, Inhaber vom Mugbet Grillhaus & Döner in Erding befürchtet. Restaurants hätten durch generell höhere Preise - vor allem bei Getränken - auch einen größeren Spielraum, die Erhöhung aufzufangen. Zwar würden Take-Away-Speisen und Gerichte zum Verzehr im Stehen auch weiterhin mit nur sieben Prozent besteuert. Aber sobald man einen Döner im Lokal esse, falle auch hier der Steuersatz von 19 Prozent an. Und da wiege die Erhöhung dann umso schwerer. Schließlich hört Otkay Ardak schon jetzt immer wieder: "Sieben Euro für einen Döner? Das ist zu viel." Dazu sagt er nur: "Man muss einfach bedenken, wir backen unser Brot hier, machen unsere Saucen selber, arbeiten dabei mit deutschen Zutaten. Das hat alles seinen Preis."

Gerade deshalb ist er angesichts der bevorstehenden Steuererhöhung besorgt: "Am Preis können wir einfach nicht mehr viel machen. 7,50 Euro für einen Döner geht vielleicht noch, mehr will und kann ich den Leuten nicht zumuten." Den Betrieben selbst werde aber auch immer mehr zugemutet, die Miete sei innerhalb kurzer Zeit zweimal gestiegen und das Personal müsse gut bezahlt werden: "Es geht nicht darum, dass wir Millionäre werden, unsere Mitarbeiter sollen gut leben können."

Politik lässt Gastronomie im Regen stehen

Sebastian Kuklau, Betreiber der Gaststätte Wailtl in Dorfen, ist vor allem verärgert darüber, was die Regierung den Gastronomen durch die Erhöhung zumutet und "dass die Politiker sich nicht erinnern, was sie noch vor anderthalb Jahren versprochen haben: Die Mehrwertsteuer im Gastro-Bereich eben nicht zu erhöhen." Und jetzt? Mit Sicherheit sei es so, dass viele Wirte vor dem Aus stünden, vor allem Betriebe, die erst vor Kurzem eröffnet haben.

Sebastian Kuklau hofft auf die Treue des Kundenstamms im Dorfener Wailtl-Bräu. Von der Politik fühlt er sich im Regen stehen gelassen. (Foto: Renate Schmidt)

Zuversichtlich stimmt Kuklau, der das Wailtl-Bräu vor sechzehn Jahren übernommen hat, zumindest sein über die Jahre gewachsener Kundenstamm. Keine Lösung sei es für ihn dagegen, einfach die Speisekarte anzupassen und künftig nur mehr günstigere Speisen anzubieten. Bekannt sei das Wailtl-Bräu für das offene Feuer und seine Steaks: "Qualität hat ihren Preis. Wenn wir uns treu bleiben wollen, müssen wir teurer werden." Wer dann 35 Euro für ein Rinderfilet zahlen kann und will, sei allerdings eine offene Frage. "Manchmal hat man das Gefühl, die Politik, lässt uns im Regen stehen. So als ob man keine Ahnung hätte von den Herausforderungen, die uns täglich beschäftigen." Eines scheint derzeit aber klar zu sein: Die Steueranpassung wird für die Gastronomen nach den Corona-bedingten Schließungen und Preiserhöhungen der vergangenen Jahre die nächste Hürde, die es nun zu nehmen gilt.

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