Mauern:"Slipshod 25 steigt aus"

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Zeitzeugen und Hobbyhistoriker in der Nähe des Unglücksortes: (von links) Kastulus Hagl, Maria Heckerl, Lorenz Hagl, Markus Gilch, Sebastian Hagl und Erwin Braun. (Foto: Marco Einfeldt)

Am 17. August 1948 stürzte in einem Waldstück bei Hartshausen ein US-amerikanisches Militärflugzeug ab. Der Pilot und Hobby-Historiker Markus Gilch forscht seit gut zehn Jahren zu dem Unglück. Neben Dokumenten aus Amerika hilft ihm dabei auch der Zeitzeuge Lorenz Hagl

Von Petra Schnirch, Mauern

An den 17. August 1948 kann sich Lorenz Hagl noch gut erinnern. Der damals Sechsjährige war bei Hartshausen mit auf dem Feld, wo mit Hilfe von Pferden gerade Klee gemäht wurde. Plötzlich entdeckte der Bub am Himmel ein rauchendes Flugzeug. Wenige Augenblicke später sprang der Pilot, ein Amerikaner, aus der Maschine - nur leicht gebremst durch einen Fallschirm, der nicht richtig aufging. Offenbar war beim Sprung aus der Maschine eine Bahn herausgerissen worden. Der Mann überlebte den Absturz nicht. Den Toten hatte der kleine Lorenz Gott sei Dank nicht gesehen. "Ich habe Angst gehabt", erzählt er. Deshalb habe er sich im Haus in Sicherheit gebracht.

Schreckliche Angst hatten auch seine Geschwister Maria und Kastulus, neun und acht Jahre alt, die damals auf dem Rückweg von Willersdorf nach Hause den Wald durchquerten, in dem die Maschine kurz zuvor zerschellt war. Davon hatten sie nichts mitbekommen, sehr wohl aber von den Fliegern, die auf der Suche nach ihrem Kameraden wenige Meter über den Baumkronen kreisten. Nur drei Jahre nach Kriegsende war das Gefühl der Bedrohung durch US-amerikanische Flieger noch zu präsent und die Kinder warfen sich auf den Waldboden, wie Maria Heckerl erzählt.

Der Absturz war in der Gemeinde Mauern noch lange Gesprächsstoff. Einer seiner Lehrer sei mit der Klasse in den Wald gegangen und habe ihm und seinen Klassenkameraden den Krater gezeigt, erinnert sich Markus Gilch. Er glaubt inzwischen aber, dass sie damals vor der falschen Mulde standen. Gilch forscht seit gut zehn Jahren zu dem Flugzeugabsturz. Herausgefunden hat er viel. Anhand einiger Metallteile, die er mit einem Detektor im Boden entdeckte, konnte er rekonstruieren, dass es sich um eine F-47 Thunderbolt gehandelt haben muss. Nur sie habe diesen charakteristischen Treibstoffdurchflussmesser, dessen Rahmen er ausgegraben habe, erzählt Gilch. Zunächst hatte er nur Glasscherben und Büchsen gefunden, da das Loch später verfüllt worden war. Einige Meter daneben hatte er dann mehr Glück.

Der besondere Reiz für ihn ist, anhand solcher Puzzleteile mehr über die Maschine und ihre Besatzung herauszufinden. Die Fundstücke sind mittlerweile im Besitz der Gemeinde. Dorfchronist Erwin Braun fertigte außerdem ein Modell der Maschine an, das im Bürgerhaus in Mauern zu sehen ist.

Gilch ist selbst Pilot, seine Leidenschaft sind Oldtimer. So kam er mit dem Verein der Bayerischen Flugzeug-Historiker in Oberschleißheim in Kontakt, dessen Mitglieder bereits mehrere Schicksale als verschollen geltender Piloten klären konnten. Und von ihnen bekam Gilch auch den entscheidenden Tipp, sich an die Air Force Historical Research Agency, kurz AFHRA, zu wenden. Ein halbes Jahr später hielt er die Akten zu dem Absturz bei Hartshausen in Händen - und konnte den Unfall ziemlich genau rekonstruieren.

Hugh E. Matthews, 26 Jahre alt, galt als erfahrener Pilot. Seine Einheit unternahm laut Gilch beispielsweise Begleitschutzeinsätze für die Luftbrücke nach Berlin. Am 17. August 1948 war Matthews mit drei Kameraden des 86. Jagdbombergeschwaders gegen 10.30 Uhr von der Air-Base in Neubiberg zum Luft-Boden-Schießplatz in Siegenburg unterwegs, um dort zu Übungszwecken Bomben abzuwerfen und zu schießen. Dort angekommen, meldete Matthews Rauch in seinem Cockpit. Er entschied schließlich umzukehren. Das Letzte, was sein Kamerad John W. Roberts kurz vor elf Uhr von ihm hörte, war die Mitteilung: "Slipshod 25 bailing out": Slipshod 25, Matthews Funkname, steigt aus. Wenige Minuten später entdeckten die anderen Piloten eine Rauchsäule und Wrackteile im Wald bei Hartshausen und etwa einen halben Kilometer entfernt einen Fallschirm am Boden. Roberts schilderte später in seiner Zeugenaussage, dass er drei Mal in geringer Höhe über die Unfallstelle geflogen sei. Beim dritten Mal hoben die Zeugen, die zur Unfallstelle geeilt waren, den Stoff kurz hoch, um ihm zu zeigen, dass dort die Leiche von First Lieutenant Matthews lag.

Zeuge Friedrich Panzner sagte damals aus: "Der Fallschirm blieb wurstartig, zusammengerollt, aber leicht gelockert. Der Pilot kam schräg zur Erde nieder, ohne dass sich der Fallschirm öffnete." Er habe während des Krieges viele Absprünge gesehen und er habe den Eindruck gehabt, "dass der Pilot den Fallschirm zu früh öffnen wollte" und am Flugzeug hängen geblieben sei. Auch Willy Elteste, Melker auf dem Hof der Familie Hagl und als Erster am Unglücksort, schilderte, dass der Pilot wohl nicht gleich vom Flugzeug weggekommen sei. "Die Schnur des Fallschirms hatte der Pilot verwickelt in der Hand. Wir haben dann den Fallschirm auseinandergezogen, um den Piloten damit zu bedecken und vor den Fliegen zu schützen." Aus dem Untersuchungsbericht geht hervor, dass sich der Schirm offenkundig an der Antenne verfangen hatte. Was letztlich zu dem Absturz geführt hat, ist unklar. Als wahrscheinliche Ursache gilt ein Treibstoffleck. Größere Teile der Maschine fand Gilch nicht mehr. Das Wrack war kurz nach dem Unglück von Mauerner Bürgern ausgeschlachtet worden. Die Reste des Motors holten die Hagls etwa drei Jahre später mit Pferden aus dem Boden.

Neben der akribischen Detailarbeit brauchen Hobbyhistoriker manchmal auch eine Portion Glück: Dass es in Lorenz Hagl noch einen Zeitzeugen der Ereignisse von 1948 gibt, erfuhr Markus Gilch durch Zufall, als er mit Erwin Braun wieder einmal an der Absturzstelle war und ihm im Wald begegnete. Dort kam er mit ihm ins Gespräch. So konnte er seiner Dokumentation ein weiteres Mosaikteil hinzufügen.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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