Lehrer aus Freising:Nach Drohanruf aus der Bahn geworfen

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"Dich schieß' ich nieder": Nach einem Amoklauf an einer Freisinger Schule erhält ein Lehrer Drohanrufe - und wird dienstunfähig. Vor Gericht kämpft er um Anerkennung, doch wahrscheinlich wird seine Klage abgewiesen.

Petra Schnirch

Es war ein einziger kurzer Anruf, der Thomas D. aus der Bahn geworfen hat: Am Nachmittag des 30. Januar 2008, der Freisinger Lehrer war gerade aus der Schule nach Hause gekommen, läutete sein Telefon. "Es war eine feste, kalte, hasserfüllte Stimme", schilderte D. ( Name geändert) am Dienstag vor der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts München.

Der anonyme Anrufer habe ihm angedroht: "Dich schieß' ich nieder." In den Monaten danach sei es ihm immer schlechter gegangen, sagte D. Ein Arzt diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung.

Seit mehr als zwei Jahren kämpft der Lehrer um eine Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall. Doch die Vorsitzende Richterin Sabine Lotz-Schimmelpfennig signalisierte, dass sie die Klage vermutlich abweisen müsse. Sie glaube D., doch rechtliche Vorgaben ließen wenig Spielraum. Es müsse "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" erwiesen sein, dass der Anrufer ein Schüler war - die Drohung also mit D.s Tätigkeit als Lehrer zusammenhing.

Mit ruhiger Stimme erzählte der Lehrer, dass er den Vorfall zunächst gar nicht so ernst genommen habe. Dann aber bekam er gesundheitliche Probleme: Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Neurodermitis. Auch habe er sich kaum noch konzentrieren können. Zunächst habe er nur seiner Frau und dem Direktor von dem Anruf erzählt, erst viel später auch seinem Arzt. Im Laufe der Zeit sei "alles hoch gekocht".

In Freising weckt eine solche Drohung vielleicht tiefere Ängste als in anderen, unbelasteten Städten: Am 19. Februar 2002 hatte ein ehemaliger Schüler den Direktor der Wirtschaftsschule erschossen, außerdem zwei seiner Arbeitskollegen. D. kannte den Schulleiter gut, spielte mit ihm Tennis - und er war auch bei dessen Beerdigung. Den Amoklauf selbst erlebte D. an der benachbarten Fach- und Berufsoberschule. "Das sind Dinge, die vergessen Sie nie."

An der FOS/BOS hatte sich zuvor eine ähnliche Tragödie ereignet - ehe D. dort anfing: Ein 19-Jähriger tötete 1987 die Schulsekretärin mit 33 Messerstichen, weil er eine Bestätigung über den Besuch der Schule stehlen wollte, obwohl er dort nie angemeldet war. "Das ist Realität", sagte D., der diesen Januar vorzeitig in Pension ging.

Für ihn steht fest, dass der anonyme Anrufer ein Schüler gewesen sein muss. Es sei die Zeit vor dem Zwischenzeugnis 2008 gewesen, die er als sehr schwierig beschrieb. Noch nie hätten sich so viele Jugendliche und Eltern wegen einzelner Noten beschwert. "Ich war jeden zweiten Tag beim Schulleiter, für viele geht es schließlich ums Überleben."

Allerdings ordnet er den Täter einer anderen Gruppe zu: "Problematisch sind die ganz Stillen", auch an seiner Schule habe es psychisch auffällige Jugendliche gegeben - Jugendliche, wie der Amokläufer von der Wirtschaftsschule einer gewesen sei. Frühere anonyme Anrufe stufte D. vor Gericht als harmlos ein. Im Hintergrund habe man oft Diskothekenlärm gehört, die jungen Leute seien wohl betrunken gewesen. Am 30. Januar 2008 aber sei dies anders gewesen.

Der Lehrer sagte, er verstehe "die Enge der Paragraphen", doch um die Anerkennung als Dienstunfall kämpft er weiter. Sollte er gewinnen, bekäme er mehr Ruhegehalt, außerdem müssten ihm die Krankheitskosten ersetzt werden; D. absolvierte zwei Jahre eine Verhaltenstherapie. Das Urteil fällt an diesem Mittwoch.

© SZ vom 24.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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