Schädliche Praxis auch in Freising:Wenn Wiesen zu Kartoffeläckern werden

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Bis vor Kurzem durften Biobetriebe Wiesen in Ackerland umwandeln. Über 30 Hektar gingen im Landkreis so verloren. Seit 1. August gilt das Umwandlungsverbot für alle.

Von Nadja Tausche, Landkreis

Aus Wiese wird Acker: Bis vor Kurzem waren Biobetriebe von einer Regelung ausgenommen, die das Umwandeln von Wiesenflächen in Äcker verbietet. Dadurch konnten ökologisch wirtschaftende Landwirte beliebig viel Fläche umbrechen, während das gleiche für konventionelle Landwirte aus Gründen des Umweltschutzes nur in Ausnahmefällen möglich war. Die Handhabe hat sich zwar mit dem Volksbegehren zur Artenvielfalt mittlerweile geändert - seitdem sind aber bereits zahlreiche Wiesen im Landkreis verschwunden.

Konkret wurden im Landkreis Freising im Jahr 2018 insgesamt 50,5 Hektar Dauergrünland in Ackerland oder Dauerkulturen umgewandelt, berichtet eine Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Anfrage. Das entspricht in etwa der Fläche von 70 Fußballfeldern. Davon gehen 30,5 Hektar auf das Konto von Biobetrieben - also rund 60 Prozent. Für konventionelle Landwirte, die Wiesen zu Äckern machen oder auch ein Gebäude auf die Wiese bauen wollten, galten dabei strenge Auflagen. Eigentlich durften sie Gründlandfläche gar nicht umbrechen - "es sei denn, wenn sie sich dazu verpflichten, an anderer Stelle im gleichen Flächenumfang Ackerland in Dauergrünland umzuwandeln", erklärt Otto Roski, Leiter des Amtes für Ernährung Landwirtschaft und Forsten Erding. Und auch dann war eine spezielle Ausnahmegenehmigung notwendig. Nach dem sogenannten Dauergrünlanderhaltungsgebot waren ökologisch wirtschaftende Landwirte genau wie Kleinerzeuger von der Regelung ausgenommen.

Das Procedere war rechtens, und trotzdem umweltschädlich

Haben die Biobetriebe Wiesen umgebrochen, haben sie also nicht rechtswidrig gehandelt. Problematisch ist die Handhabe trotzdem. Denn: Der Artenschutz ist direkt von den vorhandenen Wiesenflächen abhängig. In den letzten Jahren seien die Bestände von Brachvogel, Kiebitz und Feldlerche spürbar zurückgegangen, sagt Wolfgang Willner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Freising. Hauptverantwortlich dafür: der Grünlandumbruch. Etwa im Erdinger Moos oder im Isartal bei Landshut gebe es viele Wiesenbrüter, und wenn die Grasfläche zum Kartoffelacker wird, fehlt den Vögeln die Lebensgrundlage. Wiesen puffern Willner zufolge außerdem CO₂ und andere Klimagase ab, und Tiere können darauf grasen, statt im Stall eingesperrt zu sein, auch für den Tierschutz seien Wiesen also essenziell. Wenn nun Biolandwirte Wiesenflächen umbrechen, sei das für die Umwelt zwar noch besser als bei konventionellen Landwirten, so Willner: Denn im Biolandbau werde nur in seltenen Fällen Mais angebaut. Und Maisäcker seien mit Blick auf den Umweltschutz sehr schlecht, weil dabei der Wasserfluss behindert sei und bei starkem Regen der Oberboden abgetragen werde. Aber auch, wenn sie andere Pflanzen anbauen: "An und für sich macht es keinen Sinn, die Biobauern auszunehmen", so Willners Ansicht.

Geregelt ist der Grünlandumbruch durch sogenannte Greening-Auflagen. Wer Direktzahlungen von der EU beantragt, muss sich an bestimmte Umweltauflagen halten. Die Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Grünland gehört seit Umsetzung der letzten EU-Agrarreform im Januar 2015 dazu. Wer sich nicht an die Auflagen hielt, musste mit Strafen rechnen: Zum einen wurden die Fördermittel einbehalten, so Roski, zum anderen musste die Dauergrünfläche mit einer "Einsaatverpflichtung" wiederhergestellt werden.

Nach einer Zeit mit "bio" wurde der Acker konventionell

Allerdings gab es ein Schlupfloch, um die Wiesen trotzdem zu Äckern zu machen. So konnten Biolandwirte die Flächen von konventionellen Landwirten pachten und selbst umgraben. Nach einer Weile gingen die frisch umgepflügten Flächen als Äcker zurück an die konventionellen Landwirte. Den Behörden ist dieses Problem durchaus bekannt. Allerdings gibt es dazu keine Statistiken und keine Strafen - das Vorgehen war schließlich legal. "Nachdem die Ökolandwirte diesbezüglich keine Auflagen zu erfüllen hatten, handelte es sich bei Umbruchmaßnahmen der Ökolandwirte auch nicht um Bewirtschaftungsmaßnahmen, für die Strafen auszusprechen gewesen wären", sagt Roski.

Ein Ende gefunden hat die Handhabe mit dem 1. August diesen Jahres. Seitdem gelten durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" neue gesetzliche Vorgaben: Mittlerweile müssen alle Landwirte ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, wenn sie Grünland umbrechen wollen. Außerdem müssen auch Biolandwirte künftig Ersatz für umgebrochene Wiesen schaffen, für manche Flächen gilt aus Umweltschutzgründen nach wie vor ein absolutes Umbruchverbot. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung wurde im Landkreis Freising noch einmal fast genauso viel Wiesenfläche zu Äckern umgewandelt wie im gesamten Jahr 2018, nämlich 48,4 Hektar - davon 24,3 durch Biolandwirte.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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