Lärm und Dreck verärgern Geschäftsleute:Krähen-Alarm

Lesezeit: 3 min

Die Vergrämungsaktion in Eching hat wenig gebracht: Zwar ist die Kolonie an der Hubergasse kleiner geworden, dafür haben die Vögel nun auch Bäume an der Hauptstraße bezogen. Dort klagen Geschäftsleute über Lärm und Dreck

Von Gudrun Regelein und Alexandra Vettori, Eching

Der Schuss ist nach hinten losgegangen, so viel ist sicher. Die Vergrämungsaktion gegen Saatkrähen in der Echinger Hubergasse Anfang des Jahres hat dazu geführt, dass sich die Kolonie auf mehrere Standorte verteilt hat. Nachdem Nester an der Hubergasse entfernt und einzelne Äste abgeschnitten wurden, hat sich die Zahl der Krähen hier zwar verringert, gleichzeitig aber entstanden neue Kolonien, vor allem in der Unteren Hauptstraße und auch im Nachbarort Neufahrn.

In der Echinger Hauptstraße mehren sich schon die Beschwerden, vor allem Geschäftsleute und Gastronomen klagen über Vogelkot. Nur an dem Standort, den man den Tieren zugedacht hat, im Pfarrhölzl südwestlich von Eching, da sind die Saatkrähen nicht mehr. Ob sie jemand vertrieben hat oder ob sie sich sonst wie gestört fühlten, darüber rätselt man nun.

Im Gegensatz zu Rabenkrähen stehen die für den Laien fast nicht zu unterscheidenden Saatkrähen seit 1977 unter Schutz. Anlass dafür war, dass von dem vor 100 Jahren noch weit verbreiteten Vogel 1955 nur noch 600 Brutpaare in Bayern gezählt wurden. Vor allem Landwirte und Jäger hatten die Bestände über die Jahre dezimiert, weil die Krähen als Saatschädlinge galten. Seit sie unter Schutz stehen, steigt ihre Zahl, auch im Landkreis Freising gibt es wieder Saatkrähen, vor allem in Eching und Umgebung. So siedelte sich vor einigen Jahren eine Kolonie im Pfarrhölzl an, einem Föhrenwäldchen am Rande der Mallertshofener Heide. Dort aber wurde sie irgendwann vertrieben, warum, das ist auch für Hans-Jürgen Unger, den Kreisvorsitzenden des Landesbunds für Vogelschutz, nicht nachvollziehbar: "Wenn sie dort geblieben wären, hätten sie keinen Menschen gestört." Danach zogen die Krähen in einen Grünzug in Echings Ortszentrum, zum Leidwesen vieler Anwohner, die sich über die lautstarken und kommunikationsfreudigen Vögel und deren Hinterlassenschaften beschwerten. Vor drei Jahren wurde deshalb die erste Vergrämungsmaßnahme durchgeführt, mit der dafür nötigen Ausnahmegenehmigung der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern.

Bei der Vertreibung, die vor der Brutzeit stattfinden muss, werden Nester aus Splitterkolonien und den Randbereichen entnommen und die Bäume zurückgeschnitten. Der Erfolg in Eching war mäßig, ebenso wie nach der zweiten Aktion. Denn was alle Vogelexperten voraussagten, trat ein, die vertriebene Kolonie spaltete sich auf. "Die Krähe ist ein schlauer und ein bequemer Vogel. Sie sucht sich Orte aus, wo sie passende Lebensbedingungen findet", sagt Unger. Dass sie innerorts nicht gejagt werden, ist den Saatkrähen schon lange klar, deshalb bauen sie ihre Nester vorzugsweise in hohe Bäume von Parks und innerstädtischen Grünzügen. Auch Nahrungsreste sind ein positiver Standortfaktor, deshalb leben Krähen gerne in der Nähe von Schulen und Kindergärten, wo sie die Pausenbrotreste in Mülleimern schätzen. Deshalb sei es wichtig, betont Martina Britz, die im Echinger Rathaus für Umweltschutzbelange zuständig ist, dass die Tiere nicht gefüttert werden.

Etwa 50 Nester haben aktuelle Zählungen in Eching rund um den Bahnhof und die Hubergasse ergeben, dazu 20 verteilt um die Hauptstraße. Im Großen und Ganzen ist die Population damit seit Jahren stabil. 2012 gab es in Eching innerorts 72 Brutpaare, nach der ersten Vergrämung dann noch 40, diese Zahl blieb bis 2015 konstant. Dann stieg die Population wieder auf 64 Brutpaare an, bis zur jüngsten Vergrämung.

Nicht nur Matthias Luy, Leiter der LBV-Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern, kennt das Phänomen und hält deshalb nicht viel von Vergrämungsaktionen: "Das Problem wird dadurch nur größer. Menschen müssen damit leben, so wie es ist." Allerdings wäre auch für ihn die beste Lösung, wenn Saatkrähen wieder in Feldgehölzen brüten würden. Nur gebe es fast keinen Fall, bei dem dies dauerhaft funktioniert. "Im ersten Jahr wird das Gebiet zumeist wieder aufgegeben", weiß Luy, er vermutet, dass das am Eingreifen von Menschen liegt. Auch im Echinger Pfarrhölzl. Dort zählte man 2015 noch 148 Brutpaare, Anfang April 2016 waren es 87 Nester. Doch Mitte April war die Kolonie dann plötzlich komplett verwaist. "Ich vermute, dass sie bereits zu Anfang der Brutsaison massiv gestört wurden, sodass ein Großteil bereits im März abgewandert ist", sagt Luy. Das glaubt auch Martina Britz von der Gemeinde Eching, doch alle Nachfragen bei Jägern und Landwirten seien ergebnislos geblieben. Derweil ist in Eching eine hitzige Diskussion zwischen genervten Anwohnern entbrannt und Menschen, die der Natur ihren Raum geben wollen und Krähengekrächze noch angenehmer finden als den Verkehrslärm der Hauptstraße.

Da die Brutphase anläuft, wird in den kommenden Monaten aus Naturschutzgründen allerdings nichts passieren. In Neufahrn, wo die Kolonie in der Bahnhofstraße auf über zehn Nester angewachsen ist, ist bis jetzt nur eine Beschwerde im Rathaus eingegangen. Dort ist Umweltreferent Christian Klinger aber gar nicht zuständig, denn die Krähen-Bäume stehen in einem privaten Anwesen.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: