Kriegsende:Wehrmacht auf der Flucht

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Die Freisinger Isarbrücke von Südwesten her: Die hölzerne Behelfsbrücke, die 1945 bald nach der Sprengung der beiden stadtseitigen Bögen errichtet wurde. (Foto: Stadtarchiv Freising, Fotosammlung)

"Archivstück des Monats September" ist ein Fernschreiben zur Sprengung der Freisinger Isarbrücke am 29. April 1945

Von Florian Notter, Freising

Am 29. April 1945, einem Sonntag, ging für Freising der Zweite Weltkrieg zu Ende. Bis zum Einbruch der Abenddämmerung war die Stadt von Teilen der 86. Infanteriedivision der U.S.-Armee eingenommen worden. Zuvor hatte die SS noch einen Teil der Isarbrücke in die Luft gesprengt. Ein Fernschreiben dazu ist für das Freisinger Stadtarchiv das "Archivstück des Monats September".

Die meisten Bürgerinnen und Bürger verbrachten diesen Tag, den 29. April 1945, in ihren Häusern, begleitet von Angst und Sorge, wie die Besetzung der Stadt vonstattengehen würde. Am frühen Nachmittag mussten sie auf ein Alarmsignal hin die ihnen zugewiesenen Luftschutzkeller aufsuchen - ein Prozedere, an das man sich während der zurückliegenden Kriegsjahre gewöhnt hatte. Zeitzeugenberichten zufolge waren immer wieder Einschläge zu hören, die vom Granatenbeschuss der von Norden heranrückenden amerikanischen Truppen herrührten.

Eine Gruppe Freisinger Bürger um den Hotelier Carl Dettenhofer versuchte am Spätnachmittag mehrmals, den damaligen Stadtkommandanten Major Meyer von einer kampflosen Übergabe der Stadt zu überzeugen. Aus Furcht vor der SS blieb die Stadt jedoch in Gefechtsbereitschaft. Aus demselben Grund ließ Bürgermeister Hans Lechner jene weiße Fahne wieder einholen, deren Hissung Dettenhofer kurz zuvor, gegen 16.30 Uhr, auf dem St. Georgs-Turm veranlasst hatte. Dettenhofer war es schließlich auch, der zusammen mit Lechner und Stadtpfarrer Albert Brey den U.S.-Truppen mit dem Auto und einer weißen Fahne entgegenfuhr und gegen 17.45 Uhr die Stadt auf dem Lankesberg friedlich übergab.

In den Fokus der Ereignisse an jenem 29. April 1945 geriet auch die Freisinger Isarbrücke (heute "Korbiniansbrücke" oder "Alte Isarbrücke"). Damals war sie der einzige Isarübergang innerhalb des Stadtgebiets, weshalb ihr strategische Bedeutung zukam. Die Zerstörung der Brücke sollte den ins Erdinger Moos zurückweichenden Einheiten der Wehrmacht beziehungsweise der SS einen zeitlichen Vorsprung vor den U.S.-Truppen verschaffen (in kaum nennenswerten Umfang, wie sich dann herausstellte).

Erste Vorbereitungen zur Sprengung der Brücke wurden bereits einige Tage zuvor unternommen. Mutige Bürger sabotierten das Sprengvorhaben zweimal: Zunächst in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945, indem die am zweiten stadtseitigen Brückenpfeiler fixierten Schwarzpulversprengladungen unschädlich gemacht wurden; ein zweites Mal dann am 29. April, als man die Zündschnur der von der SS angebrachten Dynamitladungen durchgeschnitten hatte.

Die Schnur konnte jedoch wieder ertüchtigt werden und so flogen ungefähr gegen 18 Uhr die beiden stadtseitigen Brückenbögen in die Luft - nachdem sie wenige Minuten zuvor noch von letzten Einheiten der Wehrmacht überquert worden waren. Am 30. April bereits begannen amerikanische Soldaten mit dem Bau einer Pontonbrücke.

Das Fernschreiben, mit dem die Sprengung am 29. April 1945 angekündigt wurde. (Foto: Stadtarchiv Freising, Fotosammlung)

Die Sprengung der Freisinger Isarbrücke am 29. April 1945 wurde offensichtlich einzelnen einschlägigen Verwaltungs- und Versorgungsstellen angekündigt. So erklärt sich ein Fernschreiben an das Freisinger Elektrizitätswerk, das vom oben erwähnten Kommandanten Major Meyer unterzeichnet und entsprechend weitergeleitet wurde ().

Der Zeitpunkt des Abgangs der Nachricht wird mit "14.32" Uhr angegeben. Das Fernschreiben stammt aus dem Nachlass des damaligen Werksdirektors und wird heute im Stadtarchiv Freising aufbewahrt.

Quellen: Stadtarchiv Freising, Splitternachlässe. Literatur (Auswahl): [Dettenhofer, Carl]: Die letzten Tage vor dem Nazi-Zusammenbruch (Manuskript), Freising 1945; Wandinger, Anton: Freising von 1945 bis 1950 (21. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising), Freising 1950.

© SZ vom 31.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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