Kreisjugendring-Leiterin Ursula Delgado:"Auch auf den Dörfern ist professionelle Jugendarbeit nötig"

Lesezeit: 4 min

Ursula Delgado, die Vorsitzende des Kreisjugendrings (Mitte), im Gespräch mit den Mitarbeiterinnen Claudia Nertinger (links) und Suse Watterott. (Foto: Marco Einfeldt)

Ursula Delgado, 60, leitet den Kreisjugendring und würde sich in manch einer kleineren Gemeinde des Landkreises mehr Unterstützung wünschen

Interview von Katharina Aurich, Freising

Die Stärkung der offenen Jugendarbeit im Landkreis, vor allem eine Ausweitung des Angebots für junge Erwachsene, ist das Anliegen von Ursula Delgado, der Vorsitzenden des Kreisjugendrings. Im Frühjahr wurde sie für eine weitere Amtszeit gewählt. Der Jugendring ist für die offene Jugendarbeit im Landkreis zuständig. Er unterhält den Zeltplatz in Marchenbach und unterstützt Projekte für Jugendliche, die zum Beispiel das Rote Kreuz, die Pfadfinder oder Vereine anbieten. Voraussetzung ist, dass diese Organisationen die Ziele des Jugendrings vertreten. Dazu gehören der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Einsatz gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sowie die Stärkung des Ehrenamts, der Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen und das Eintreten für die Belange junger Menschen. Finanziert wird der KJR - die fest angestellten Mitarbeiter, die Räume und Sachkosten sowie Projektmittel - überwiegend vom Landkreis. Ursula Delgado vertritt außerdem den Kreisjugendring Freising im Bayerischen Jugendring.

SZ: Was hat Sie bewogen, den Vorsitz des Kreisjugendrings zu übernehmen ?

Ursula Delgado: Ich kannte über meine Tochter die Arbeit des Jugendrings, sie war zum Beispiel über das "Euro Hopper"-Programm in Schweden. Als dann Simon Schindlmayr als Vorsitzender aufhörte, wurde händeringend ein Nachfolger gesucht. So ließ ich mich 2012 das erste Mal eher gedrängt aufstellen und wurde für die zweijährige Amtszeit gewählt. Nach einer Pause bin ich jetzt ganz bewusst im Frühjahr 2016 wieder angetreten, denn es ist eine wirklich dankbare Aufgabe.

Sie stammen aus dem Ruhrgebiet, haben in Bremen gelebt, jetzt arbeitet Ihr Mann in Erlangen - was verbindet Sie mit dem Landkreis Freising?

Wir haben uns in Rudelzhausen ein Haus gekauft, sind sesshaft geworden und ich bin mittlerweile im Landkreis gut vernetzt. Ich bin jetzt hier verankert und möchte nicht mehr weg. Daher pendelt mein Mann an die Uni nach Erlangen.

Welche Aufgaben haben Sie als Vorsitzende des Kreisjugendrings?

Einmal im Monat leite ich unsere Vorstandssitzungen. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern. Zweimal im Jahr gibt es eine Vollversammlung der Delegierten der Mitgliedsverbände, für die ich auch zuständig bin. Viel Raum nehmen Gespräche mit Kommunalpolitikern ein, vor allem, wenn es um unseren Haushalt geht, denn natürlich möchte ich eine gute finanzielle Ausstattung für unsere Projekte erreichen. Ich bin Mitglied im Jugendhilfeausschuss, im Jugendkreistag und ich gehe zu den Treffen der ehrenamtlichen Jugendreferenten der Gemeinden. Außerdem mache ich bei der Initiative "Bildungsregion Freising" mit.

Welche Eigenschaften sind Ihnen dafür besonders nützlich ?

Ich bin offen gegenüber allen und es ist von Vorteil, wenn man vorne stehen und ohne Scheu reden kann. Mein Herz schlägt für die offene Jugendarbeit und ich habe wegen meiner drei Kinder, die jetzt erwachsen sind, natürlich Verständnis für die Anliegen und Probleme junger Menschen.

Vielfach heißt es aus den kleineren Kommunen, es brauche keine extra Jugendarbeit, dies erledigten die örtlichen Vereine. Was sagen Sie dazu?

Auch auf den Dörfern ist eine professionelle Jugendarbeit notwendig, neben den Angeboten der Vereine. Aus meiner Sicht sind Freiwilligkeit und Spontanität für viele Jugendliche wichtig, dass sie nicht unbedingt jeden Freitagabend zum Schießen gehen müssen, sondern einfach im Jugendtreff vorbeikommen können. Viele Jugendliche haben einfach keine Zeit mehr, regelmäßig in den Verein zu gehen, sie wollen dennoch in ihrer Freizeit etwas machen. Wir haben zwei Jugendpflegerinnen eingestellt, die jeweils zwei Gemeinden betreuen, Au und Nandlstadt sowie Mauern und Attenkirchen. Sie arbeiten natürlich mit den örtlichen Vereinen zusammen. Für den Jugendtreff in Langenbach suchen wir gerade einen neuen Mitarbeiter.

Wer finanziert diese Stellen ?

Das machen die Kommunen. Die kleineren Gemeinden schließen mit dem KJR einen Kooperationsvertrag, denn eine alleine kann keine ganze Sozialarbeiterstelle finanzieren. Wir stellen die Mitarbeiter ein.

Dieses Modell überzeugt aber nicht alle Gemeinden...

Nein, leider nicht. Und man muss auch dazu sagen, dass es immer schwieriger wird, Mitarbeiter zu finden, die zum Beispiel abends und am Wochenende, wenn die Jugendtreffs geöffnet sind, arbeiten. Außerdem kann man mit einer befristeten neun Stunden-Stelle, wie sie sich eine Gemeinde vorgestellt hat, niemand für diese Arbeit gewinnen, zumal Sozialpädagogen sehr gesucht sind und sich die attraktivsten Angebote aussuchen können.

Halten Sie diese Form der Jugendarbeit auf den Dörfern für ausreichend ?

Nein, es bräuchte wie auch in den größeren Städten Streetworker. Denn unsere Mitarbeiterinnen gehen nicht abends an die Tankstellen, um mit den Jugendlichen, die dort herumhängen, zu reden.

Welche Projekte möchten Sie in Zukunft verwirklichen ?

Mir liegt der internationale Austausch am Herzen. Wir hatten einige Jahre das "EuroHopper"-Programm, in dem zweimal im Jahr eine Gruppe von 15 Jugendlichen aus dem Landkreis in das Land der EU-Ratspräsidentschaft zu Partnergruppen fuhr. Aber das war personell zu aufwendig, deshalb wurde es gestoppt. Im Moment gibt es nichts dergleichen. Wir planen ab 2017 ein Nachfolgeprojekt. Zudem ist die Nachfrage von Schulen nach Kursen für Schülermitverwaltung und Tutoren groß. Hier würde ich gerne mehr Angebote etwa in Rhetorik oder Wissensvermittlung machen.

Der Kreisjugendring ist auch an einem Projekt im Camerloher-Gymnasium beteiligt, worum geht es ?

Wir haben einen Kooperationsvertrag mit dem Camerloher-Gymnasium geschlossen und beraten und unterstützen mit unseren pädagogischen Fachkräften Schüler, Lehrer und Eltern, die jeden Mittwoch mit den Kindern aus der benachbarten Flüchtlingsunterkunft in den Räumen des Camerloher-Gymnasiums Hausaufgaben machen und spielen. Auch die Helfer brauchen professionelle Unterstützung, denn sie werden mit traumatisierten Menschen konfrontiert und manche Schüler kommen mit dem Gegensatz des Lebens im Containerdorf und ihrem eigenen Alltag zum Beispiel in einem behüteten Einfamilienhaus, in dem es alles gibt, nicht gut zurecht.

Der Job einer Vorsitzenden bedeutet viel Arbeit. Was motiviert Sie, was bringt Ihnen dieses Engagement und werden Sie noch einmal kandidieren ?

Die Arbeit macht mich ausgeglichen, denn meine Kinder sind ausgezogen, aber ich kann nicht nur zu Hause sein. So werde ich zu etwas gebraucht. Die Arbeit ist sinnvoll und ich werde anerkannt, wir sind in der Geschäftsstelle ein super Team. Es macht Spaß, ich lerne viele neue Menschen kennen und knüpfe Kontakte. 2018 möchte ich für eine weitere Amtszeit kandidieren.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: