Wirtschaft:"Das Handwerk wird geschwächt"

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Wie steht es um das Handwerk? Handwerk und Politik diskutieren (von links): Rudolf Waxenberger (Kreishandwerkerschaft Erding), Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU), Martin Reiter (Kreishandwerkerschaft Freising) und Bundestagsabgeordneter Andreas Mehltretter (SPD). (Foto: Marco Einfeldt)

Die Kreishandwerkerschaft aus den Landkreisen Freising und Erding diskutiert mit Bundestagsabgeordneten von CSU und SPD. Zuweilen wird die Debatte laut und hitzig.

Von Anna-Lena Schachtner, Freising

Überbordende Bürokratie, zu hohe Steuerabgaben und allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung: So lassen sich die Sorgen der Handwerker und Handwerkerinnen in Freising und Erding zusammenfassen. Alle Obermeister, Obermeisterinnen und Kreishandwerksmeister aus beiden Landkreisen trafen sich am vergangenen Sonntag in der Kreishandwerkschaft in Freising, um mit Bundestagsabgeordneten aus der Region zu sprechen: Andreas Lenz (CSU) vom Wahlkreis Erding-Ebersberg, Erich Irlstorfer vom Wahlkreis Freising (CSU) und Andreas Mehltretter (SPD) aus Freising hörten sich die Forderungen der Handwerker und Handwerkerinnen an. Dabei wurden einige Themen durchaus hitzig und lautstark diskutiert.

Eröffnet wurde die Gesprächsrunde von Martin Reiter, Kreishandwerksmeister in Freising, mit der Bilanz aus dem vergangenen Jahr: 2023 hätten die Handwerksbetriebe im Landkreis Freising 1,4 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Die Zahlen für Erding seien ähnlich. Anschließend beklagte er die Rückgänge in der Baubranche, die unbeständige Heizungspolitik der Regierung sowie zu niedrige Renten für Handwerker und Handwerkerinnen. Die Politik müsse sich wieder mehr um die Leute im eigenen Land kümmern. Laut Rudolf Waxenberger, Kreishandwerksmeister in Erding, gebe es zudem zu viele Vorschriften und eine hohe Bürokratie im Zusammenhang mit den Bemühungen um Klimaeffizienz in der Bauwirtschaft. "Das Handwerk wird geschwächt", so Waxenberger.

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Als ein "Versagen auf ganzer Linie" bezeichnete Erich Irlstorfer im Anschluss die Politik der Ampel. Die Parteien, insbesondere Grüne und FDP, passten nicht zusammen, wodurch ein "Durcheinander" an Gesetzen entstehe. In Zukunft müsse sichergestellt werden, dass hauptberuflich arbeitende Menschen ihren Lebensunterhalt vernünftig bestreiten können. Ähnliche Kritik äußerte Andreas Lenz: "Vogelwild" sei, was die Regierung zurzeit mache. Das Bürgergeld setze falsche Signale und Arbeit müsse sich mehr lohnen als bisher. Generell müsse sich etwas ändern, damit die Menschen nicht radikal wählten.

Man dürfe nicht vergessen, dass es wegen des Ukraine-Krieges eine Energiekrise gebe, erwiderte Andreas Mehltretter auf die Kritik an der Ampel. Diese könne auch am Handwerk nicht spurlos vorbeigehen. Außerdem hätten andere Bereiche, beispielsweise die Entwicklungshilfe, ebenfalls mit großen Einschnitten zu kämpfen. Er betonte auch die bisherigen Hilfen vonseiten der Regierung, etwa die Strompreisbremse. Dennoch müsse die Politik wieder zuverlässiger werden. Zukünftig solle für die Menschen auch mehr vom Lohn übrig bleiben, so Mehltretter.

Die Handwerker kritisieren auch das Übermaß an Akademikern im Parlament

In der anschließenden Gesprächsrunde trugen die Obermeister und Obermeisterinnen ihre Beschwerden vor. Hans Hiedl, Glaser in Freising, beklagte die hohe Lohnsteuer und die niedrigen Renten. Es könne nicht sein, dass jemand ein Leben lang arbeite und dann zur Tafel gehen müsse. Georg Lippacher, Zimmerermeister in Ottenhofen, kritisierte vor allem die hohe Erbschaftssteuer. Durch diese würden die Nachfolger und Nachfolgerinnen der Betriebe übermäßig belastet.

Die Politik zeige kein Verständnis für die Probleme der Handwerkerschaft, so der Grundtenor der Diskussion. Ein Grund dafür sei das Übermaß an Akademikern im Parlament, kommentierte ein Diskutant. Zudem gebe es zu viele Streitereien in der Regierung und die Entscheidungen würden zu lange dauern. Auch die aktuellen Diskussionen um die AfD wurden kurz aufgegriffen. Losgetreten wurde dies von der Befürchtung Erich Irlstorfers, die Parteienlandschaft würde zunehmend zersplittern. Dazu sagte Friseurin Alexandra Geitner aus Allershausen: Wenn die Leute zufrieden wären, würden sie die AfD nicht wählen.

Von allen Seiten kommen Klagen über die Bürokratie

Sichtbar wütend über die Belastungen für das Handwerk zeigte sich Christine Gruber von der Bäckerei Gruber in St. Wolfgang. Sie befürchtet eine Verdrängung regionaler Lebensmittel durch billige Produkte aus dem Ausland. Außerdem schimpfte sie über viele zeitaufwendige Vorschriften. "Lasst uns einfach arbeiten!", forderte sie. Lokale Politiker würden die Verantwortung für die Bürokratie stets nur auf "die da oben" schieben. Claudia Beil vom Malerbetrieb Beil in Eichenkofen schilderte zudem hohe bürokratische Hürden bei der Anstellung von Geflüchteten. Auch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung wurde von mehreren Stimmen scharf kritisiert, da diese den Verwaltungsaufwand noch erhöhen würde.

Dass in der Regierung häufig gestritten werde, lasse sich nicht verhindern, da Diskussionen zu einer Demokratie gehörten, sagten alle drei Abgeordneten in ihren abschließenden Statements. Andreas Mehltretter verteidigte die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Diese sei wichtig, um die Ausbeutung von Angestellten in bestimmten Branchen zu verhindern. Jedoch müsse die Bürokratie generell abgebaut werden. Dafür sprachen sich auch Erich Irlstorfer und Andreas Lenz aus. Letzterer kritisierte, anders als Mehltretter, die Arbeitszeitdokumentationspflicht. Zudem befürworteten sowohl Lenz als auch Irlstorfer die Einführung lohnsteuerfreier Überstunden.

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