Asylbewerber als Nachbarn:Gegensätzliche Reaktionen

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Bei den einen weckt der Einzug von Asylbewerbern in der Nachbarschaft Ängste, andere würden sie am liebsten alle umarmen. Bis Normalität einkehrt, braucht es vor allem Zeit.

Kommentar von Johann Kirchberger, Freising

Es ist schon eine interessante Mischung, wenn Gutmenschen auf besorgte Bürger treffen, die auch noch ständig explizit betonen, keine Rassisten, keine Ausländerfeinde zu sein. Da entwickeln sich interessante Gespräche. Die einen würden am liebsten jeden Asylbewerber herzen und an sich drücken, die anderen jeden Fremden am liebsten einsperren und von einem Sicherheitsdienst 24 Stunden am Tag bewachen lassen, damit er nichts anstellen kann. Nachts die Schlüssel umdrehen und fertig, dann können die Töchter auch wieder ungefährdet vom Bahnhof nach Hause radeln. Manche schwärmen davon, wie viel man von den Fremden in der Stadt lernen könne, was man von ihnen zurückbekomme, wenn man sich nur ein wenig um sie kümmert. Andere wiederum fordern einen Lärm- und Sichtschutz zum Asylbewerberheim. Da sitzen die Anhänger der Willkommenskultur, da die Leute, die von Ängsten geplagt werden. Hilfe und Schutz für die Menschen, die zu uns gekommen sind? Ja, aber nur wenn sie nicht auf der falschen Straßenseite radeln.

Nicht lustig so was. Das ist das Volk, das sind die unterschiedlichen Sichtweisen, wie sie auch in den Wahlergebnissen ihren Niederschlag finden. Das breite Spektrum von den Positionen der Grünen bis hin zur AfD, bei der Infoveranstaltung in Lerchenfeld war der Riss, der in Sachen Asylbewerber durch die Bevölkerung geht, deutlich zu spüren. Das Misstrauen gegenüber allem Fremden ist groß und lässt sich auch nicht so einfach wegdiskutieren. Immerhin war es erfreulich, dass bei der Zusammenkunft in der Realschule alles friedlich blieb, dass keine Parteipolitiker ihr Süppchen kochen wollten, dass die unterschiedlichen Ansichten in Ruhe vorgetragen werden konnten und auch keiner daran gehindert wurde, offen und ehrlich seine Meinung zu sagen. Ob die schweigende Mehrheit die goldene Mitte repräsentiert, weiß man nicht. Für sie gilt eben der alte bayerische Grundsatz: Ich sag net so und ich sag net so, damit später keiner sagen kann, ich hätt so oder so gsagt.

Ausgleichend hätte bei dieser Gemengelage eigentlich die Vertreter der Regierung von Oberbayern und des Landratsamts sein müssen. Doch deren Positionen waren zu schwammig, zu undefiniert. Ein zustimmendes Nicken da, ein Schulterzucken dort, das ist zu wenig, um Klarheit zu schaffen. Bedenken zu zerstreuen, ist nicht einfach und braucht seine Zeit.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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