Kinderbetreuung in Freising:"Die Situation ist katastrophal"

Lesezeit: 3 min

Jungen können sich über Erziehungsberufe informieren. (Foto: Marco Einfeldt)

684 Familien aus Freising haben für das kommende Betreuungsjahr keinen Platz für ihr Kind in einer Kita bekommen. Die Warteliste ist lang. Das hat nur einen Grund: Das Personal fehlt und es sieht nicht so aus, als ob sich daran so bald etwas ändert.

Von Gudrun Regelein, Freising

Der bundesweit eklatante Mangel an Fachkräften im Kinderbetreuungsbereich macht sich auch in Freising schmerzhaft bemerkbar. "Die Situation ist katastrophal. Es sind Zahlen, die erschrecken", sagte Karl-Heinz Wimmer, Referatsleiter für Bildung, Soziales und Sport, bei einem Info-Gesprächs, zu dem die Stadt Freising am Donnerstag geladen hatte.

Insgesamt 684 Freisinger Familien haben für das kommende Betreuungsjahr, das im September beginnt, keinen Platz für ihr Kind bekommen und stehen nun auf der Warteliste. Zwar habe es auch in den Vorjahren bereits eine solche Liste gegeben - aber die Zahl habe mittlerweile einen ungekannten Höchststand erreicht, sagte Wimmer. Das Schlimme sei, dass es keine Lösung gebe. Rein theoretisch könnten die Kitas mehr Plätze anbieten, doch es gibt ein Problem: "Es fehlt das dafür notwendige Personal."

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Die Personalproblematik in der Kinderbetreuung sei kein Freising-spezifisches, sondern ein deutschlandweites Thema, betonte Bürgermeisterin Eva Bönig. Bei der Schaffung von Kita-Plätzen habe die Stadt ihre Aufgabe erfüllt, seit den 90er-Jahren seien viele Einrichtungen geschaffen worden, sagte sie. Das Bauen wäre auch derzeit nicht das Problem, Container beispielsweise könnten zeitnah errichtet werden. Viele Jahre habe es auch keine Probleme bei der Personalgewinnung gegeben. "Das hat sich nun dramatisch verändert." Davon seien aber alle Träger, nicht nur die Stadt betroffen.

Die Zahlen, die Helga Schöffmann, Leiterin des Amts 51, das für Kindertagesstätten zuständig ist, vorlegte, sprechen für sich: Bei den Kindergärten bekamen 48 Prozent - das waren 364 Kinder - einen Platz. 43 Prozent, 329 Kinder, stehen auf der Warteliste. Im Krippenbereich ist die Situation noch extremer: Hier stehen gleich 60 Prozent auf der Warteliste, nämlich 224 Kinder, nur 116 bekamen einen Platz. In den Horten können immerhin 56 Prozent aufgenommen werden, das sind 186 Kinder und Jugendliche, 131 warten derzeit auf einen Platz.

In den Horten gibt es derzeit 645 Plätze, davon sind 137 nicht belegt

Insgesamt gibt es aktuell in Freising - sowohl von der Stadt als auch von freien Trägern - in den Kindergärten 1646 Plätze, davon waren im Mai 230 nicht belegt, berichtete Helga Schöffmann. Aber selbst wenn die dafür notwendigen 27 Kräfte gefunden würden, könnten nicht alle Kinder von der Warteliste aufgenommen werden - noch immer würden 99 Plätze fehlen. In den Horten gibt es derzeit 645 Plätze, davon sind 137 nicht belegt. Falls man die 17 notwendigen Kräfte finden würde, könnten nicht nur alle Kinder von der Warteliste einen Platz bekommen, sondern es gebe sogar noch sechs freie. In den Kinderkrippen gibt es 376 Plätze, davon sind 44 nicht belegt. 11 Kräfte fehlen hier, um sie besetzen zu können - dennoch würden noch 180 Kinder weiterhin auf der Warteliste stehen.

"Erzieher ist zu einem Engpassberuf geworden", sagte Elisabeth Pentenrieder-Giermann, fachliche Leiterin des Amts für Kindertagesstätten. Der Mangel habe aber auch für das vorhandene Personal Folgen. Er erzeuge eine ständige Überforderung. Man befinde sich in einem Spannungsfeld: Zum einen gebe es einen Rechtsanspruch auf Betreuung, zum anderen wolle man die Qualität der Betreuung aufrechterhalten - und habe gleichzeitig eine Fürsorgepflicht für das Personal. "Deshalb halten wir auch an dem Betreuungsschlüssel von 1:8 fest", erklärte Elisabeth Pentenrieder-Giermann.

Im Herbst 2022 mussten bereits drei Kita-Gruppen geschlossen werden

Erfahrungsgemäß gelinge es nie, diesen im Laufe des Jahres zu erhalten. Sei es wegen Krankheit, der Schwangerschaft von Mitarbeiterinnen oder Wegzug. Immer mehr junge Erzieherinnen wollten nicht mehr in Vollzeit arbeiten. Das alles habe Folgen: Im Herbst 2022 mussten bereits drei Kita-Gruppen geschlossen werden und in verschiedenen Einrichtungen wurden die Öffnungszeiten gekürzt.

"Wir grübeln die ganze Zeit, wie wir mehr Personal akquirieren können", sagte Christian Koch, Leiter des Personalamtes. Es geschehe viel. Stellen würden dauerhaft ausgeschrieben, man sei in den sozialen Medien präsent und bei Messen vertreten. Die Stadt selbst stelle 25 Ausbildungsstellen zur Verfügung. Zudem biete die Stadt freiwillige Leistungen an, wie die Freising-Zulage, in die pro Jahr etwa 360 000 Euro investiert werde. Insgesamt werde für Ausbildung und Personalmarketing im Sozial- und Erziehungsdienst pro Jahr etwa eine Million Euro ausgegeben. "Wir hätten deutlich früher damit anfangen müssen", sagte Eva Bönig. "Ich bin nicht zuversichtlich, dass sich zeitnah etwas ändern wird."

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