Kirchbergers Woche:Eine Bahn reicht

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Wenn sich die Mobiliät der Menschen mit Corona tatsächlich dauerhaft verändert, hat das auch Folgen für den Flughafen

Von Johann Kirchberger

So, jetzt ist Freising auch noch Biostadt. Diese Auszeichnung fehlte bisher in unserer Titelsammlung, dabei war sie ganz einfach zu erwerben. Der Stadtrat musste lediglich beschließen, in das Netzwerk der Biostädte aufgenommen zu werden, und jetzt gehört Freising zum illustren Kreis jener Kommunen, die sich die Förderung des Ökolandbaus sowie die Weiterverarbeitung und Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln mit kurzen Transportwegen und regionaler Wertschöpfung zum Ziel gesetzt haben. Beantragt hat die Aufnahme in das Netzwerk die Agenda-21-Gruppe "Biostadt Freising", in der laut Stadträtin Susanne Günther die"Crème de la Crème der Freisinger Bioszene" vertreten ist.

Rosenstadt ist Freising schon länger. Deshalb veranstaltet die "Crème de la Crème" der Rosenzüchter jedes Jahr einen Rosentag. Im Vorjahr musste der zwar Pandemie-bedingt ausfallen, dafür soll er heuer umso intensiver begangen werden, weil das Virus dank der zügigen Impfungen bis zum 20. Juni verschwunden ist. Der Stadtrat will deshalb den Rosentag mit einem verkaufsoffenen Sonntag verknüpfen, damit Leben in die Bude, beziehungsweise die Innenstadt kommt. Die Freisinger sollen dann das schöne Wetter genießen und viele Bekannte treffen, schwärmen die Initiatoren. Ganz schön optimistisch. Ob daran gedacht wurde, dass neben den Rosen auch Corona erblühen könnte?

Drogenstadt will Freising übrigens nicht werden, auch wenn kürzlich 30 Kilo Rauschgift gefunden wurden. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, hat die Kriminalpolizei etwas dagegen und ist wild entschlossen, alle Drogen zu beschlagnahmen, die sich erschnüffeln lassen. Als Hotspot, wie das heute heißt, wurde dabei ein Studentenwohnheim ermittelt. Offensichtlich haben sich die Dealer kurze Transportwege und regionale Wertschöpfung auf die Fahnen geschrieben. Hoffentlich eine Fehlspekulation, sonst könnten Lehre und Forschung in Gefahr geraten.

Auch der Kreistag hat einen weitreichenden Beschluss gefasst. Die Kreisräte haben das endgültige Aus für die dritte Startbahn am Flughafen gefordert und in eine Resolution an die Staatsregierung gepackt. Allerdings hat die momentan ganz anderes zu tun. Corona samt Mutanten muss bekämpft, geschäftstüchtige Maskenhändler, die im Nebenberuf Abgeordnete sind, müssen ermittelt werden, und schließlich gilt es noch einen Kanzlerkandidaten auszuschauen. Kaum Zeit also, um sich mit einer dritten Startbahn zu beschäftigen, zumal die ja - weiß man's? - auch schon längst beerdigt sein könnte. Zurzeit finden Beerdigungen ja meist in aller Stille statt.

Um unseren Nachbarn im Moos muss man sich aber jetzt doch langsam Sorgen machen, seit nur noch Maschinen zwischen München und Mallorca hin- und herfliegen und Konferenzen grundsätzlich virtuell stattfinden. Wenigstens müssen ab und zu Fußballer nach Budapest geflogen werden. Der US-Schriftsteller T. C. Boyle hat kürzlich gesagt, er habe nie gedacht, jemals ein Interview virtuell führen zu müssen. "Aber da wir das nun alle gelernt haben, wird niemand mit klarem Verstand jemals wieder ein Flugzeug besteigen, egal zu welchem Zweck", die Gewöhnung an Videokonferenzen werde die Mobilität der Menschen dauerhaft verändern. Wenn stimmt, was Boyle sagt, braucht München keine dritte Startbahn mehr, dann kommt es bald mit einer aus.

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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