Jugend und Alkohol:Planvoll trinken bis zum Exzess

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Bei vielen Jugendlichen wird der Rausch zum Selbstzweck. Davor warnen Suchtexperten. (Foto: dpa)

Jugendliche greifen immer seltener zu Alkohol. Wenn sie es aber tun, dann wird der Rausch regelrecht organisiert. Auch bei Studentenfesten ist das Komatrinken verbreitet, viele wollen so auch abschalten

Von Katharina Aurich, Freising

Die gute Nachricht ist, dass Jugendliche seltener zu Alkohol greifen. Wenn sie dies aber tun, dann meist bis zum Vollrausch. Das zumindest beobachten Kenner der Szene. Eine Ursache könnten die sogenannten "Helikoptereltern" sein, die ihre Sprösslinge in jungen Jahren in Watte packten und sie von Risiken fern halten würden, vermutet Bärbel Würdinger, Leiterin der Beratungsstelle "Prop" in Freising, die sich seit Jahren intensiv mit dem Thema befasst.

"Wenn Jugendliche trinken, dann wahnsinnig viel", sagt Bärbel Würdinger. Auf Parties, unbeobachtet von den Eltern, werde oftmals bis zum Exzess ausprobiert, wie viel man vertrage. Zu Hause werde kaum Alkohol konsumiert. Gingen die Jugendlichen aber auf öffentliche Parties oder Dults, organisierten sie den Rausch häufig bereits vorher, beschreibt die Fachfrau. Dieses planvolle Vorgehen sei neu, so Bärbel Würdinger. Ein Rausch entstehe nicht mehr zufällig während eines geselligen Abends, sondern sich zu betrinken werde zum Selbstzweck. Dabei gehe es oftmals wettkampfmäßig darum, wer mehr vertrage. Aber Jugendliche könnten die Risiken des Trinkens nicht einschätzen - die Schädigung ihrer Gesundheit, verminderte Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr und vor allem für Frauen die Gefahr, sexuell belästigt zu werden und sich nicht wehren zu können.

Auch bei Studentenfesten sei das sogenannte "Komatrinken" verbreitet, schilderte kürzlich Hochschulpfarrerin Anne Lüters in einem SZ-Interview. Die jungen Erwachsenen stünden unter enormem Erfolgsdruck und versuchten, mit Alkohol abzuschalten und dem Druck zu entfliehen. Alexander Geltl, Geschäftsführer der gleichnamigen Diskothek in Oberhaindlfing, hat offensichtlich keine Probleme mit betrunkenen Jugendlichen. "Alkoholleichen gibt es bei uns nicht", sagt er. Noch vor zehn Jahren sei viel hemmungsloser getrunken worden, es gehe jetzt total in die richtige Richtung, meint er. Geltl setzt auf soziale Kontrolle. Er kenne rund 80 Prozent seiner Gäste und auch ihr Alter, sagt er.

Klare Regeln gebe es auch bei der Jugendfeuerwehr, betont Kreisjugendwart Roman Bittrich aus Mauern. Unter 18 Jahren sei Alkohol generell verboten, auch bei den Zeltlagern der Jugendfeuerwehren werde darauf streng geachtet, versichert Bittrich. Bei der Feuerwehr gebe es keine Probleme mit betrunkenen Jugendlichen, aber natürlich wisse er nicht, was bei den einzelnen Dorffeuerwehren passiere.

Alkoholmissbrauch in Zahlen zu dokumentieren ist schwierig und diejenigen, die zum Beispiel in Vereinen mit Jugendlichen zu tun haben, möchten dazu lieber nichts sagen oder sie sehen keine Probleme. Ein Hinweis über das Ausmaß des Alkoholkonsums ist die steigende Anzahl Jugendlicher, die mit einer Alkoholvergiftung in das Krankenhaus gebracht werden. Würdinger hatte kürzlich die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses des Kreistags über diese Fälle informiert. Die aktuellsten Daten stammen aus 2015. 42 junge Menschen wurden in Freising eingeliefert, der Jüngste war 15 Jahre alt.

Der höchste Promillewert sei mit 3,29 bei einem 20-Jährigen festgestellt worden, informiert Krankenhaus-Pressesprecher Christoph Wenzel. 19 Patienten seien unter 18 Jahren alt gewesen, zwölf Männer und sieben Frauen. Fünf eingelieferte Männer und zwei Frauen waren 20 Jahre alt. Der Alkoholpegel habe mit dem Alter der Patienten zugenommen: die unter 18-Jährigen hätten durchschnittlich 1,76 Promille, die 20-jährigen Männer 2,3 und die Frauen 2,0 Promille im Blut gehabt. Und es seien mehr Männer (27) als Frauen (15) behandelt worden, ergänzt Wenzel.

Damit solche Exzesse möglichst verhindert werden, müssen die Veranstalter von öffentlichen Zeltparties, wie sie jetzt beispielsweise der Zollinger Burschenverein organisiert, dies über die Gemeinde dem Jugendamt melden und genau darlegen, wie der Jugendschutz gewährleistet werde, schildert Regina Cordary. Die Mitarbeiterin im Landratsamt kommt auch abends oder nachts unangemeldet für Jugendschutzkontrollen vorbei.

Cordary setzt auf Prävention und die Neugierde der Jugendlichen, manchmal sei sie auch mit einem Infopavillon präsent und verteile sogenannte Rauschbrillen, die dem Träger seine Reaktionsfähigkeit im betrunkenen Zustand simulierten. Ein Ball werde geworfen, den der Brillenträger aufheben solle. Dabei merke er, wie eingeschränkt sein Reaktionsvermögen unter Alkoholeinfluss sei - eine wirkungsvolle Erkenntnis im nüchternen Zustand, so Cordarys Erfahrung. Da sie diesen Job erst vor gut einem Jahr übernommen habe, könne sie noch nichts dazu sagen, wie verbreitet das "Komasaufen" inzwischen sei und was sie nach Mitternacht vorfinde.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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