Jubiläum der Freisinger Wasserwacht:Aufpassen, wenn alle Spaß haben

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Das Gruppengefühl ist das stärkste Argument für das Ehrenamt Wasserwachtler, auch für Sandra Holzer, Xaver Wildgruber und Sabine Andersch. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Freisinger Wasserwacht feiert Anfang Juli ihr 70-jähriges Bestehen. Der ehrenamtliche Dienst ist über die Jahre anspruchsvoller geworden. Möglich, dass auch das Einsatzgebiet wächst, der Pullinger Weiher ist noch wächterlos.

Von Alexander Huber, Freising

Das Boot will nicht so recht: Es piepst und piepst, aber der Motor springt nicht an. Es dauert eine kurze Zeit, bis das Problem gefunden ist. Zum Glück handelt es sich nicht um einen echten Notfall, Andreas Dörner, dritter Vorsitzender der Freisinger Wasserwacht, hat das Schlauchboot heute nur zu Demonstrationszwecken zu Wasser gelassen. Überhaupt: Der Betrieb an der Freisinger Stoibermühle ist an diesem Sonntag überschaubar. Das Wetter ist bedeckt, nur hin und wieder dringt ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, eine einzelne Stand-Up-Paddlerin zieht in der Ferne ihre Kreise, die Jugendlichen der Wasserwacht schauen entspannt auf den See.

An sonnigeren Tagen ist das anders: Um die 3000 Badegäste kämen dann unter Umständen, schätzt Dörner. Statt nach Natur und Wald riecht es dann nach Sonnencreme und Grillkohle, statt dem Zwitschern der Vögel, ist dann Kindergeschrei zu hören. An solchen Tagen sind die Helfer der Wasserwacht am meisten gefragt, vor allem für kleinere Hilfeleistungen "vom Insektenstich bis zur Glasscherbe", wie Wasserwacht-Vorsitzender Moritz Westermeier sagt. Aber auch echte Notfälle sind an der Stoibermühle schon vorgekommen, fügt Andreas Dörner an. Herzinfarkte zum Beispiel. Einmal sei sogar beinahe ein Kind ertrunken.

In solchen Fällen ist die Wasserwacht zur Stelle: Von Mai bis September ist die Rettungsstation an der Stoibermühle bei gutem Wetter an Wochenenden und Feiertagen besetzt. Durchschnittlich drei bis vier Leute halten dann gleichzeitig Wache, zählt Dörner auf. Der Leiter, ein Bootsführer, ein Sanitäter und eventuell ein Taucher. Meistens seien aber mehr Mitglieder da. Außerdem unterstützen die Wasserwachtler im Sommer an Wochenenden und an Feiertagen die Bademeister im neuen Freisinger Schwimmbad. Alles ehrenamtlich.

Dazu kommen aufwendige Lehrgänge, manche über Wochen, jedes Wochenende. Warum machen die Freisinger Wasserwachtler das? Die Gemeinschaft, die privaten Kontakte, die gemeinsamen Ausflüge und die Jugendarbeit, führt Westermeier als Motive an. Vielleicht waren es auch solche Gründe, die die ersten Mitglieder vor 70 Jahren zur Gründung der Freisinger Wasserwacht bewegten. Die heutigen Protagonisten haben zwar auch schon einige Dienstjahre auf dem Buckel - an damals erinnern kann sich aber selbstverständlich keiner mehr.

Die Wasserwacht ist über die Jahre professioneller geworden, ihre Akzeptanz ist gesunken

Vorsitzender Moritz Westermeier ist seit dem Jahr 2000 dabei, dritter Vorsitzender Andreas Dörner sogar schon seit 1992. Seitdem hat sich bei der Wasserwacht einiges verändert. Professioneller sei es im Laufe der Jahre geworden, erinnert sich Dörner. Man habe heute mehr Material, aber auch der Zeitaufwand des Ehrenamts sei über die Jahre gestiegen. Mittlerweile gibt es mit der sogenannten Schnelleinsatzgruppe sogar einen Bereitschaftsdienst. Ähnlich wie bei einer Freiwilligen Feuerwehr müssen die Mitglieder der Einsatzgruppe an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag mit einem Einsatz rechnen - etwa 10 bis 20 Mal im Jahr rücke die Truppe dann tatsächlich aus, schätzt Dörner.

Auch einige negative Entwicklungen hat man bei der Wasserwacht erlebt. Leider mangele es manchen Badegästen an Akzeptanz gegenüber der Arbeit der Wasserwacht. Die Hemmschwelle für Pöbeleien sei über die Zeit gesunken, meint Dörner. Auch Sachbeschädigungen habe es schon gegeben, von Brandflecken auf dem Steg bis hin zum Diebstahl von Duschköpfen aus dem Sanitärgebäude. "Das ist schon deprimierend, wenn man bei einer Hilfsorganisation seine Freizeit opfert", fügt Westermeier an. Auch die Menge an Müll, den die Wasserwachtler bei ihren morgendlichen Patrouillen aus dem Wasser fische, sei, zumindest gefühlt, größer geworden, findet Dörner.

Sorge macht den Helfern die Tatsache, dass das schwimmerische Können der Bevölkerung generell merklich nachgelassen hat. Der Wasserwachtler sieht das über die Jahre gesunkene Angebot an Schwimmbädern in ländlichen Regionen als Ursache dafür an. Außerdem würden die Schulen heute weniger Wert auf Schwimmunterricht legen als früher.

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Nachwuchsprobleme beklagt man nicht, langfristiges Ehrenamt aber wird schwieriger

Trotzdem: Nachwuchsprobleme haben die Wasserwachtler an sich nicht. 85 Kinder und Jugendliche zählt die Jugendabteilung der Freisinger Ortsgruppe im Moment. Die Schwierigkeit sei, findet Dörner, die Jugendlichen dann auch in der Pubertät bei der Sache zu halten. In dieser Lebensphase verändern sich naturgemäß die Interessen, die Heranwachsenden seien heute aber auch schulisch mehr eingespannt als früher.

Überhaupt sehen Lebensläufe heute häufig anders aus, als noch vor wenigen Jahrzehnten: Heute würden weniger junge Menschen eine Berufsausbildung anstreben und so schon früh an einen Ort gebunden sein, meint Westermeier. Stattdessen gingen viele in andere Städte, um zu studieren. Langfristiges ehrenamtliches Engagement wird so schwierig. Dafür, meint Dörner, bekomme die Freisinger Wasserwacht auch hin und wieder Zuwachs von Leuten aus anderen Ortsgruppen, die zum Studieren in Freising sind.

70 Jahre nach der Gründung schaut man bei der Wasserwacht Freising entsprechend optimistisch nach vorne. Gerade erst haben die Ehrenamtlichen einen neuen Anhänger für ihren Einsatzwagen angeschafft - um die 30 000 Euro konnten dafür über eine Crowdfunding-Aktion eingesammelt werden. Für Westermeier ist die Resonanz ein enormes Signal der Wertschätzung: Man fühle sich geehrt, "dass der Bevölkerung unsere Arbeit so wichtig ist", sagt er.

Auch eine Expansion der Wasserwacht an den Pullinger Weiher ist für ihn langfristig denkbar. Im Zuge des Ausbaus des Sees ist die Einrichtung einer festen Rettungsstation dort im Gespräch. Wenn das gewünscht sei, werde man in dieser Sache mit dem Münchner Erholungsflächenverein, dem der See gehört, ins Gespräch kommen, betont Westermeier. Doch jetzt freut man sich erst einmal auf das Festwochenende zum 70-jährigen Bestehen der Freisinger Ortsgruppe. Gefeiert wird das Jubiläum am Freitag, 5., und Samstag, 6. Juli.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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