Ivy-Bar in Freising:Das Partyvolk soll sich benehmen

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Die Besucher der Ivy-Bar wollen feiern, die Anwohner dagegen schlafen. Die Wünsche scheinen unvereinbar. Doch es gäbe eine Lösung.

Kerstin Vogel

"I find, dass wir da heit koa Lösung finden. Des sog i dir glei." So sprach's der alte Festreferent der Stadt Freising, Ludwig Kropp, zu seinem Nachfolger Erich Irlstorfer - und hatte das Dilemma zumindest teilweise erfasst: Möglicherweise nämlich gibt es gar keine Lösung für die Freisinger Ivy-Bar, ihre Besucher und die Anwohner; jedenfalls keine, die am Ende alle zufriedenstellt.

Die Ivy-Bar in Freising: Solange sich die Gäste in der Kneipe aufhalten, ist alles gut. Für die Anwohner zum Problem wird vor allem die An- und Abreise. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Problem, um das es hier geht, ist so alt wie die Gastronomie in den Innenstädten: Solange sich die Gäste der Kneipen und Bars in den Nämlichen aufhalten, ist alles gut. Doch ihre An- und vor allem Abreise zu später Stunde geht selten ruhig vonstatten und bringt dann die Menschen in den umliegenden Wohnhäusern um die Nachtruhe. Von den schon etwas älteren Gastronomen, die sich am Montag bei der Bürgersprechstunde der CSU zum Thema Innenstadt eingefunden hatten, konnte sich jeder erinnern, dass es in Freising schon immer Ärger zwischen Partyvolk und Anliegern gegeben hat, ob es das Jagdhaus an der Unteren Hauptstraße oder das Paramount an der Domberggasse war. Nur, diese Erkenntnis, so richtig sie sein mag, hilft heute weder den Menschen, die neben der Ivy-Bar - in dieser hofartigen Fußgängerzone an der General-von-Nagel-Straße - wohnen, noch deren Pächter, der gerade um seine Existenz fürchten muss.

Die Anwohner auf der einen Seite beklagen, dass sich rund um die Ivy-Bar Wochenende für Wochenende bis in die frühen Morgenstunden feiernde junge Menschen im Freien aufhalten, was nicht nur mit Radau verbunden sei, sondern auch mit unschönen Verschmutzungen durch menschliche Exkremente. Allen voran die Familie Felber berichtete bei der Diskussion am Montag, wie ihr Innenhof immer wieder als Toilette missbraucht werde, ähnliche Erfahrungen haben auch andere Anwohner gemacht - und wollen das nicht länger hinnehmen.

Verständlich findet das so ziemlich jeder, inklusive der Ivy-Gäste, die sich - wenn auch in geringer Zahl - zu der Debatte eingefunden hatten. Auch dass es nicht angehen kann, dass man im Sommer wegen des Lärms seine Fenster nachts nicht öffnen oder eben nicht schlafen kann, ist unbestritten. Aber: Sie sei ebenfalls Gast der Bar, sagte etwa Brigitte Kling. Sie gehe gerne spät noch etwas trinken, auf die Idee, sich irgendwo in Nachbars Garten zu erleichtern komme sie jedoch ganz sicher nicht. "Da ist kein Geschwerl drin", bestätigte etwas drastisch auch Irlstorfer, der sich als Moderator der Diskussion zuvor in der Bar umgesehen hatte; bis ein Uhr nachts, wie er sagte, und da habe er nur normales, wenn auch sehr junges Publikum angetroffen.

Tobias Schmitt, der Pächter des Lokals, ist zwar an diesem Abend nicht zur CSU gekommen, weil es sich um ein "laufendes Verfahren" handele und er auf eine "von der Politik inszenierte Diskussion verzichten" wolle, wie er Irlstorfer aus einer Stellungnahme vorlesen ließ. Bei anderer Gelegenheit hatte er jedoch erklärt, dass sich vor seinem Lokal auch viel Volk aufhalte, das auf dem Weg von oder zu einer anderen Kneipe dort vorbeikomme. Und für deren Wohlverhalten kann Schmitt wohl tatsächlich nicht sorgen - auch nicht mit den von den Anwohnern geforderten Türstehern, wie CSU-Stadtrat Rudi Schwaiger, von Beruf Rechtsanwalt, bestätigte. Türsteher könnten nicht einfach Hausrecht in der ganzen Fußgängerzone durchsetzen.

Sie könnten allerdings durchaus dafür sorgen, dass die Gäste zumindest ihre Getränke nicht mehr aus der Bar mit nach draußen nehmen, gab ein Anwohner zu bedenken. Und dass sie das tun, ist oft am Morgen danach im Biergarten des nahen Huber-Weißbräu an den dort herumliegenden Gläsern abzulesen, wie einer der Angestellten berichtete. Nun sind die Huber-Tische ebenso wie die Freischankflächen des Ivy selber möglicherweise zumindest im Sommer ein Teil des Problems: Hier nämlich können die jungen Leute auch nach Ausschankschluss wohl noch irgendwie sitzen und feiern - zum Leidwesen der Anwohner.

Die wiederum räumen durchaus ein, dass vielleicht gar nicht hauptsächlich die Ivy-Gäste das Problem seien und hätten nun auch mit Barbesuchern wie Brigitte Kling absolut keine Schwierigkeiten, wie die Sprecherin der Bürger, Elke Steyer, deutlich machte. Was die Anwohner jedoch irritiert ist, dass an dieser Stelle in der Innenstadt überhaupt immer wieder ein Barbetrieb genehmigt wird. Vor dem Ivy sei es das Paradox gewesen, mit dem man ebenfalls Ärger gehabt habe, sagte Steyer, und nun eben wieder so ein Lokal für junge Leute, mit dem der Betreiber zudem ambitionierte Pläne verfolgt habe. So sei von der Stadt offenbar erst im Februar ein Durchbruch zwischen der Ivy-Bar und dem früheren chinesischen Restaurant nebenan - der jetzigen Ivy-Kantine - genehmigt worden. Kurzfristig habe Schmitt dann im Internet mit "DJ-Partys für bis zu 400 Menschen auf zwei Areas geworben".

Von diesen Plänen habe der junge Mann inzwischen Abstand genommen, räumte Steyer ein. Sie frage sich jedoch, wie diese Erweiterung des Lokals überhaupt habe genehmigt werden können; gleiches gelte im Übrigen für den Freischankbetrieb. Aufklärung liefert die Stadt Freising, deren Vertreter der Diskussion ebenfalls mit Verweis auf das "laufende Verfahren" ferngeblieben waren: Für den Wanddurchbruch sei laut Bayerischer Bauordnung keine Genehmigung erforderlich gewesen, weil sich an der "Art der Nutzung" nichts geändert habe, schildert Sprecherin Christl Steinhart. Die Holztische, die der Pächter vor dem Ivy aufgestellt habe, stünden auf Privatgrund und müssten ebenfalls nicht extra genehmigt werden. Allerdings dürfe an den Tischen nach 22 Uhr nicht mehr bewirtet werden. Andeutungen Irlstorfers, nach denen der Besitzer der Bar, Klaus Rübelmann, das Lokal nach einem Scheitern Schmitts auch an einen Spielhallen-Betreiber verpachten könnte, tritt Steinhart entgegen. Das wäre laut Bebauungsplan nicht möglich.

Ob der von der Stadt eigentlich gewünschte und bei der CSU-Veranstaltung immer wieder beschworene Dialog zwischen Pächter und Anwohner nun etwas bringt, wird sich zeigen müssen. Das "laufende Verfahren", auf das hingewiesen wurde, sieht laut Steinhart jedenfalls so aus, dass die Stadt den Pächter nun den Einsatz von Ordnern zur Auflage machen will und die Sperrzeit auf 2 Uhr vorzieht. Dazu könne sich Schmitt nun noch äußern, erklärt Steinhart. Die Sprecherin der Anwohner, Steyer, wiederum stellte klar, dass es den Anwohnern nicht darum gehe, den jungen Pächter "um jeden Preis plattzumachen". Im Gegenteil: Die von Schmitt betriebene Ivy-Kantine neben der Bar sei ein sehr schönes Lokal - wenn man vielleicht darauf setzen und um ein Uhr dicht machen würde?

Dass er künftig auf das Speiselokal bauen könnte, diese Idee hat auch Tobias Schmitt schon gehabt und er will langfristig damit auch ein anderes Publikum ansprechen. Nur sei das ein langwieriger Prozess und gehe nicht von heute auf morgen, sagt er. Wenn er jedoch die Ivy-Bar wie von den Anwohnern gewünscht um 1 Uhr zusperren müsse, "bedeutet das wirtschaftlich das Ende". Schmitt will nun das Gespräch mit den Betroffenen suchen und vor allem auch "seine Gäste erziehen". In einem Appell an die Vernunft aller Freisinger Partygänger findet Schmitt zudem durchaus deutliche Worte: "Wenn die sich draußen vor den Kneipen und Bars nicht benehmen können, müssen sie sich nicht wundern, wenn es in Freising bald gar nichts mehr gibt."

© SZ vom 18.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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